Forever young?
Ewige Jugend made in Silicon Valley
Dieses Mal ist es wörtlich gemeint: Mit frischem Blut wollen kalifornische IT-Titanen nicht mehr ihre Firmen, sondern sich selbst verjüngen. Eine erste Studie läuft bereits. Für rund 8000 Euro pro Infusion darf fast jeder mitmachen.
Veröffentlicht:Es sind Geschichten, wie sie wohl nur das Silicon Valley schreibt: Kaum hat sich herumgesprochen, dass sich alte Mäuse mit dem Blut junger Artgenossen verjüngen lassen, wird eine Firma gegründet und die erste klinische Studie angeschoben. Zeit verlieren war noch nie ein Thema im Reich von Google, Apple, Facebook und Amazon.
Trotzdem sorgt der gerade einmal 31-jährige Stanford-Absolvent Jesse Karmazin für einigen Wirbel: Er möchte älteren Freiwilligen eineinhalb Liter Blutplasma von Spendern unter 25 Jahren infundieren. Mit seiner Firma Ambrosia will der Arzt schauen, ob die bei Mäusen beobachtete Rejuvenilisierung auch beim Menschen klappt.
Kosten von 8000 Dollar
Da klinische Studien teuer sind, sollen die Teilnehmer selbst für die Kosten aufkommen. Rund 8000 Dollar werden für den rund zwei Tage dauernden Plasmatransfer und die nachfolgenden Biomarker-Untersuchungen veranschlagt, berichtet die Zeitschrift "Science" (Science 2016; online 1. August).
Einen prominenten Probanden hat Karmazin offenbar schon gefunden: den 48-jährigen IT-Milliardär und PayPal Mitbegründer Peter Thiel (Inc.com 2016; online 1. August). Er gibt offen zu, dass er mindestens 120 Jahre alt werden will. Ob Bluttransfusionen dabei helfen, ist jedoch alles andere als gewiss.
Mit Blut das Rad der Zeit zurückdrehen?
Einer, der es am ehesten wissen könnte, sitzt nicht weit von Karmazin und Thiel an der Stanford University in Palo Alto: Thomas Rando. Er hat den Hype um das Frischblut mit seinen Experimenten mitentfacht.
Der Professor für Neurologie und Leiter einer Forschungseinrichtung zur Biologie des Alterns ist davon überzeugt: Im Blut junger Menschen ist alles Nötige vorhanden, um die biologische Uhr wieder zurückzudrehen.
Alte und junge Mäuse zusammengenäht
Rando hat sich auf Muskelregeneration spezialisiert. Wie auch beim Menschen nimmt bei Mäusen im Alter die Fähigkeit ab, neues Muskelgewebe zu bilden. Bei Verletzungen entstehen zunehmend Narben, die Stammzellen schaffen es nicht mehr, verloren gegangene Zellen vollständig zu ersetzen.
Die Forscher um Rando haben älteren Mäusen diese Fähigkeit wieder zurückgegeben – sie nähten die Tiere einfach mit jüngeren zusammen.
Solche Experimente – Parabiose genannt – gab es schon vor 150 Jahren. Letztlich genügt es, die Haut der Nager an einer kleinen Stelle, etwa einem Bein, zu vernähen, nach einiger Zeit verbinden sich auch Blutgefäße, und die Tiere teilen einen gemeinsamen Kreislauf.
Im Alter reagieren die Stammzellen nicht mehr so gut
In der Vergangenheit wurden mit Parabionten einige Erkenntnisse in der Immun- und Tumorbiologie erzielt. Dann geriet die Methode wieder in Vergessenheit.
Rando hatte vor den Versuchen lange gerätselt, weshalb die Regeneration im Alter nicht mehr klappt. "Stammzellen sind noch genug da, das ist nicht das Problem, aber sie reagieren nicht mehr so gut", sagte der Forscher im April beim US-Neurologenkongress in Vancouver.
Er wollte schauen, ob dies tatsächlich am Milieu des älteren Körpers liegt. Und tatsächlich: Nachdem die alten Mäuse einige Zeit mit den jungen verknüpft waren, teilten sich die Muskelstammzellen nach einer Verletzung wieder ähnlich gut wie bei jungen Tieren und konnten mühelos die normale Architektur der Muskeln ohne Narbengewebe wiederherstellen. "Wir drehen damit tatsächlich die Uhr zurück", so Rando.
"Vertrauen der Teilnehmer wird missbraucht"
Ein weiterer Neurowissenschaftler von der Stanford University, Tony Wyss-Coray, konnte inzwischen zeigen, dass für solche Effekte auch Plasmatransfusionen genügen. Zudem betrifft die Verjüngung nicht nur die Muskeln, sie hat Auswirkungen auf den gesamten Organismus.
Die Herz- und Knochenfunktionen verbessern sich, die Myelinisierung im Nervensystem wird angeregt, und im Hippocampus bilden sich neue Nervenzellen: Wohl aus diesem Grund finden sich ältere Mäuse wieder besser in einem Labyrinth zurecht.
Überall im Körper scheinen Stammzellen zu erwachen und die alte Regenerationsfähigkeit wiederzuerlangen. Das legt eine bestechend einfache Anti-Aging-Therapie nahe: Plasmatransfusionen. In einer ersten klinischen Studie bei leichter bis moderater Alzheimerdemenz wird nun geschaut, ob Plasma von jungen Spendern dem Gedächtnis tatsächlich auf die Sprünge hilft.
Heimliche Blutinfusionen?
Doch auf solche Ergebnisse wollen Karmazin und Thiel nicht warten. An der Ambrosia-Studie sollen 600 Probanden im Alter von mehr als 35 Jahren teilnehmen. Eine Placebogruppe gibt es jedoch nicht – schließlich zahlen die Teilnehmer ja für die Transfusionen.
Auch dürfte es fraglich sein, ob eine einzelne Transfusion etwas bewirkt. Der wissenschaftliche Nutzen wird daher nicht zuletzt von Pionieren wie Wyss-Coray bezweifelt. "Es gibt bisher keine klinische Evidenz, dass die Methode hilfreich ist. Hier werden das Vertrauen der Teilnehmer und das große öffentliche Interesse missbraucht", sagte der Forscher gegenüber "Science".
Solche Kritik dürfte Ambrosia kaum erschüttern. Immerhin ist die Studie bereits in der staatlichen Datenbank "ClinicalTrials.gov" registriert. Eine FDA-Zulassung ist nicht nötig – Plasmatransfusionen sind ja gängige Praxis.
Im Silicon Valley machen daher Gerüchte die Runde, die IT-Granden würden sich heimlich schon längst das Blut junger Spender einflößen. Sollte dies der Fall sein, spricht das nicht gerade für die Methode: Denn jünger geworden ist bislang noch keiner.