GKV-Chefin

Flüchtlinge sind keine Belastung für die Kassen

Klare Worte aus dem Kassen-Lager: Die Versorgung der Flüchtlinge belastet die gesetzliche Krankenversicherung nicht über Gebühr.

Anno FrickeVon Anno Fricke Veröffentlicht:
Die Versorgung von Flüchtlingen koste nicht mehr als die von Einheimischen gleicher Altersgruppen, so GKV-Chefin Dr. Doris Pfeiffer.

Die Versorgung von Flüchtlingen koste nicht mehr als die von Einheimischen gleicher Altersgruppen, so GKV-Chefin Dr. Doris Pfeiffer.

© Kay Nietfeld / dpa

BERLIN. Einen Zusammenhang zwischen steigenden Zusatzbeiträgen und der Gesundheitsversorgung von Flüchtlingen herzustellen, lehnt die Frau an der Spitze des GKV-Spitzenverbands rundweg ab. "Ich weigere mich, die Botschaft auszugeben, die Flüchtlinge belasteten die Krankenversicherung", sagte Dr. Doris Pfeiffer kürzlich im brandenburgischen Nauen.

Das Problem liege an anderer Stelle. Trotz guter Konjunktur und hoher Versichertenzahlen gehe die Schere zwischen Einnahmen und Ausgaben des Gesundheitsfonds weiter auf. Die Reformen der großen Koalition führten zu höheren Gesundheitskosten, und die Beiträge des Bundes für Bezieher von Arbeitslosengeld 2 (Hartz IV) reichten nicht aus und hätten zu einer Deckungslücke von 2,3 Milliarden Euro geführt. Diese Summe forderte Pfeiffer ausdrücklich vom Bund direkt ein.

Entlastung bei den Kosten für Flüchtlinge

Pfeiffer äußerte sich zu der Ankündigung von Gesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU), den Kassen eine außerplanmäßige Finanzspritze aus dem Gesundheitsfonds von 1,5 Milliarden Euro zukommen zu lassen. Als Begründung hatte das Gesundheitsministerium auch eine Entlastung bei den Kosten für Flüchtlinge genannt.

Diese Begründung sei erstaunlich, sagte Pfeiffer. Erstens gehöre das Geld ohnehin schon den Kassen und zweitens könne von einer Zusatzbelastung durch Flüchtlinge nicht die Rede sein. Die Belastung entstehe unter anderem durch die zu gering angesetzte Pauschale für die Gesundheitsversorgung von Hartz IV-Empfängern.

Die Kassen erhielten für jeden Bezieher dieser Sozialleistung 90 Euro, der rechnerische Bedarf liege jedoch bei rund 136 Euro im Monat. Über alle Versicherten gerechnet, liegen die Ausgaben der Kassen Stand 2014 bei 228 Euro je Versicherten im Monat.

Nach 15 Monaten im Land erhalten auch Asylbewerber Arbeitslosengeld 2. Dann gelte für sie ebenfalls, dass die Pauschale nicht ausreiche. Die Versorgung von Flüchtlingen koste ihres Wissens aber nicht mehr als die von Einheimischen gleicher Altersgruppen, so Pfeiffer.

Für eine gesetzliche Regelung, den Kassen Geld aus der Reserve des Gesundheitsfonds zukommen zu lassen, fordert Pfeiffer klare Regeln. Das aktuelle Vorhaben von Minister Gröhe sei "eine singuläre Maßnahme, um die Beiträge zu stützen".

Besser sei ein transparenter Mechanismus, die über die Mindestreserve im Fonds hinausgehenden Mittel an die Kassen auszukehren. "Es sollte Regeln geben, um die Willkür politischer Entscheidungen zurückzudrängen", sagte Pfeiffer.

Zusatzbeiträge werden 2017 steigen

Die Zusatzbeiträge werden 2017 nach Angaben des GKV-Spitzenverbands um voraussichtlich 0,2 bis 0,3 Prozent steigen. Fließen die angekündigten 1,5 Milliarden Euro tatsächlich, würde der Anstieg um 1,25 Prozentpunkte gebremst.

"Es darf nicht die Lösung sein, aus Angst vor dem eigenen Konzept in die Finanzreserve des Gesundheitsfonds zu greifen, um die Folgen auf die Zeit nach der Bundestagswahl zu vertagen", kommentierte die gesundheitspolitische Sprecherin der Grünen Maria Klein-Schmeink den Vorgang.

Sie forderte die Union dazu auf, zu einer paritätischen Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung von Arbeitgebern und Arbeitnehmern zurückzukehren. Derzeit werden alle Beiträge über 14,6 Prozent hinaus von den Arbeitnehmern alleine getragen.

Linken-Politiker Harald Weinberg verwies auf das Bürgerversicherungskonzept seiner Partei,. Würde es umgesetzt, könne der Beitrag dauerhaft auf zwischen zehn und elf Prozent gesenkt werden, sagte Weinberg.

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Kommentare
Thomas Georg Schätzler 02.08.201613:58 Uhr

SpiBu: Desinformation und Fehldarstellungen

Kurzfristig gibt es natürlich keinen Zusammenhang zwischen steigenden Zusatzbeiträgen und der Gesundheitsversorgung von Flüchtlingen. Langfristig aber doch, wie uns Frau Dr. Doris Pfeiffer vom GKV-Spitzenverband Bund (SpiBu) im gleichen Atemzug exemplarisch vorführt: Die Beiträge des Bundes für Bezieher von Arbeitslosengeld 2 (Hartz IV) reichten nicht aus und hätten zu einer Deckungslücke von 2,3 Milliarden Euro geführt.

Es ist reine Realsatire, dass diese Summe von Frau Dr. Pfeiffer einerseits ausdrücklich vom Bund direkt eingefordert wird. Denn die Ankündigung von Gesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU), den Kassen eine außerplanmäßige Finanzspritze aus dem Gesundheitsfonds von 1,5 Milliarden Euro zukommen zu lassen, belegt: Um die zusätzlichen Belastungen bei den Kosten für Flüchtlinge auszugleichen, ist die amtierende Bundesregierung offensichtlich wesentlich schlauer als der SpiBu mit Frau Dr. Pfeiffer an der Spitze.

Und dass trotz guter Konjunktur und hoher Versichertenzahlen die Schere zwischen Einnahmen und Ausgaben des Gesundheitsfonds weiter aufgehe, liegt in erster Linie daran, dass bei steigenden Tariflöhnen, -Gehältern und Einkünften die relativ niedrige GKV-Beitragsbemessungsgrenze höhere Einkünfte zunehmend beitragsfrei stellt.

Was Frau Dr. Pfeiffer und der SpiBu vorsichtshalber nicht verraten:
Für Ausgabe/Verwaltung von GKV-Versichertenkarten bei Asylbewerbern und Flüchtlingen fordern die GKV-Kassen o h n e jeglichen Krankheitsanlass 10 Euro im Monat und damit 120 Euro pro Jahr pro Kopf von den Kommunen.

Zusätzlich werden als weitere Verwaltungspauschalen bis zu 8 Prozent der tatsächlich entstandenen medizinisch-ärztlichen Behandlungskosten gefordert, ohne einen einzigen diagnostischen und/oder therapeutischen Handschlag getan zu haben!

"Demnach müssen die Gemeinden acht Prozent der Gesundheitsausgaben, mindestens jedoch zehn Euro pro angefangenen Behandlungsmonat und Leistungsberechtigtem zahlen ... Die Kosten für die Behandlung übernimmt nach wie vor die Kommune; Kassen springen lediglich als Dienstleister ein."
http://www.aerztezeitung.de/politik_gesellschaft/gp_specials/fluechtlinge/article/903418/fluechtlingsversorgung-streitpunkt-gesundheitskarte.html

Mit unserem vertragsärztlichen EBM (Einheitlicher Bewertungsmaßstab) bekommen wir als Verwaltungskomplex nach GOP 01430 nur 12 Punkte im Quartal. Das sind 1,25 Euro für 3 Monate und 0,42 € pro Monat.

Für 1 Jahr fordert die GKV-Kasse für reine Verwaltung ohne Medizin 120 € plus 8% mit verwalteter Medizin!
Wir Vertragsärzte bekommen als medizinische Verwaltungspauschale stattdessen nur 5 €/Jahr!
http://www.aerztezeitung.de/praxis_wirtschaft/aerztliche_verguetung/abrechnungstipps/article/902331/abrechnungstipp-tuecken-verwaltungspauschale.html

So sieht''s aus!

Mf+kG, Dr. med. Thomas G. Schätzler, FAfAM Dortmund

Waldemar Gutknecht 02.08.201607:48 Uhr

Flüchtlinge sind keine Belastung für die Kassen

GKV-Chefin ist gerade die richtige die Ahnung über Belastungen hat, man sollte die Patienten fragen ob es tatsächlich so stimmt.
Zeuys

Wolfgang P. Bayerl 01.08.201613:40 Uhr

vermutlich bringen die alle Geld aus dem Ausland mit,

wenn Sie zum Arzt gehen, ins Hotel, oder einkaufen.

Robert Künzel 01.08.201611:31 Uhr

Ich empfehle die folgende Lektüre:

http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/wirtschaftspolitik/asylbewerber-kosten-bis-zu-10-milliarden-euro-13758770.html

Dem ist wohl nichts mehr hinzuzufügen. Da hilft alles Schönreden nichts.
Wer diesen Betrag wie aufbringen wird, das ist eine andere Diskussion. An der reinen Tatsache dieser gigantischen Belastungen kann doch niemand vernünftige Zweifel anmelden.

Carsten Windt 01.08.201607:25 Uhr

Wann fängt eine Belastung an? Oder wer rechnen kann, ist klar im Vorteil

Selten schafft ein Kassenvertreter eigene Aussagen in einem Interview mehrfach zu widerlegen.

Ein Flüchtling ist keine Belastung.... Aber: Für einen Flüchtling bekommt die Kasse 90€, der tatsächliche Aufwand beträgt aber 136€. Oder anders ausgedrückt die Kosten der Flüchtlinge werden tatsächlich nur zu 66% durch den Fiskus übernommen, den Rest dürfen/müssen die Versicherten der Kasse aufbringen. Das sind mehr als 2 Monatsbeiträge des Durchschnittsbedarfs eines GKV-Versicherten im Jahr.

...und eine richtige Belastung wird ein Flüchtling, wenn er ALG-2 bezieht. ???


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