Tag gegen Genitalverstümmelung
Frauenärztin erlebt vermehrt beschnittene Patientinnen
Am 6. Februar ist internationaler Tag gegen weibliche Genitalverstümmelung: Die Beschneidung von Frauen ist auch in Deutschland immer noch ein akutes Problem. Eine Gynäkologin beobachtet sogar eine eher steigende Tendenz.
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Die Hände eines Mädchens: Schon mit zwölf Jahren sind viele Mädchen von Beschneidung betroffen.
© Heba Khalifa / Plan International / dpa
München. Die Gynäkologin Eiman Tahir (56) hat es in ihrer Münchner Praxis mit einer steigenden Zahl von Patientinnen mit Genitalverstümmelung zu tun. Das sagte die aus dem Sudan stammende Ärztin in einem Interview mit dem „missio-magazin“ des internationalen katholischen Hilfswerks missio München.
„Ich sehe Zwölfjährige, die beschnitten sind. Die Familien stammen aus Somalia, Sudan und Eritrea, aus Burkina Faso oder Nigeria.“ 90 Prozent ihrer Patientinnen hätten Migrationshintergrund. Etwa ein Drittel sei von Genitalverstümmelung betroffen. Nach Angaben von missio München leben in Deutschland rund 75.000 beschnittene Frauen.
Gynäkologin engagiert sich für Aufklärung
Der Bedarf der Patientinnen, die teils aus anderen Bundesländern anreisen, übersteigt laut Mitteilung bei Weitem das medizinische Angebot. „Es gibt in München noch eine Chirurgin, die betroffene Frauen operiert. In Nordrhein-Westfalen kenne ich noch einen Kollegen, der sich darauf spezialisiert hat“, so Tahir. Sie selbst hält vielerorts Vorträge für Gynäkologinnen, Hebammen, Kinderärzte und Sozialpädagogen.
6. Februar – Tag gegen weibliche Genitalverstümmelung
Genitalverstümmelung: Afrikas grausame Tradition
Tahir zufolge kommen in Kliniken immer mehr Ärzte und Pflegekräfte mit solchen Frauen in Berührung. Sie erklärte: Eine nach dem sogenannten Typ 3 beschnittene Patientin, bei der unter Umständen die Klitoris entfernt und die Vagina bis auf eine kleine Öffnung für Urin und Blutung zugenäht worden sei, könne man während der Geburt nicht vaginal untersuchen, „da kann man keinen Katheter anlegen“. Die Anatomie sei in einem solchen Fall völlig verändert.
Im Sudan ist Beschneidung gängige Praxis
Ein wirkliches Umdenken in Sachen Mädchenbeschneidung könne es nur über Aufklärung geben, so die Ärztin. Die grausame Tradition sei uralt. Man könne sie nicht innerhalb kürzester Zeit beenden, schon gar nicht mit Gesetzen. „Sie muss aus den Köpfen.“ Wichtig sei aber auch, den Beschneiderinnen Alternativen für ihren Lebensunterhalt an die Hand zu geben, etwa ein Stück Land. Tahir ist im Sudan aufgewachsen, wo Beschneidung von Mädchen gängige Praxis ist. Sie studierte Medizin in Berlin. Für ihre Doktorarbeit vertiefte sie sich in das Thema.
Laut missio München rettete ihre wissenschaftliche Arbeit 2002 in München vor Gericht eine sudanesische Familie mit drei Mädchen vor der Abschiebung. Inzwischen ist drohende Genitalverstümmelung demnach ein Asylgrund. Der 6. Februar ist internationaler Tag gegen weibliche Genitalverstümmelung. (KNA)