Fünf Jahre nach dem Erdbeben
Haiti leidet noch immer
Vor fünf Jahren bebte die Erde in Haiti - es war eines der schwersten Beben in der Geschichte mit Hunderttausenden Toten. Viele Organisationen helfen seitdem beim Wiederaufbau. Die "Ärzte Zeitung" hat mit deutschen Helfern gesprochen.
Veröffentlicht:FRANKFURT. Fünf Jahre nach dem verheerenden Erdbeben in Haiti, bei dem offiziellen Angaben zufolge 316.000 Menschen starben, leidet das Land noch unter den Folgen der Katastrophe.
Hilfsorganisationen wie die Deutsche Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (GIZ) in Eschborn bei Frankfurt am Main sind seit vielen Jahren vor Ort im Einsatz, um die Not der Menschen zu lindern.
Am 12. Januar 2010 um 16.53 Uhr Ortszeit erschüttert ein Erdbeben der Stärke 7,3 den karibischen Inselstaat Haiti. Das Epizentrum liegt etwa 25 Kilometer südwestlich der zwei Millionen Einwohner zählenden Hauptstadt Port-au-Prince.
Wohnhäuser, Schulen, Kindergärten, Krankenhäuser, Kirchen und Ministerien stürzen ein und begraben Hunderttausende Menschen.
Ein Jahr danach beziffert der haitianische Premierminister Jean-Max Bellerive die Zahl der Toten auf 316.000. Mehr als 310.000 Haitianer sind bei dem Beben verletzt worden und 1,85 Millionen haben ihr Obdach verloren.
Heute gilt die Naturkatastrophe als das schwerste Erdbeben in der Geschichte Amerikas und das folgenreichste im 21. Jahrhundert.
Schlechte Bausubstanz
Die Gründe dafür, dass das Beben derart verheerend war, sind vielfältig, erläutert Berthold Bös, Nothilfekoordinator der GIZ in Haiti, im Gespräch mit der "Ärzte Zeitung".
"Zum einen verzeichnet Haiti die größte Einwohnerdichte Lateinamerikas, zum anderen hat das Land einen relativ hohen Gebirgskamm, weshalb die meisten Menschen eng gedrängt in den Ebenen siedeln. Die Hauptstadt selbst erstreckt sich über drei Täler", so Bös.
"Die vielen Erdrutsche haben ganze Quartiere weggerissen. Eine weitere Ursache ist die mangelhafte Bausubstanz, die sehr viel schlechter als beispielsweise in Chile und Mexiko ist, wo es in den vergangenen Jahren auch schwere Erdbeben gab, die trotz größerer Stärke weit weniger Opfer forderten."
Diesen Eindruck bestätigt auch der Bauexperte Claus Hemker, der seit Jahren für die Caritas den Wiederaufbau nach Naturkatastrophen in Entwicklungsländern koordiniert.
Die verwendeten Baustoffe in Haiti seien so minderwertig gewesen, teilweise mit Meeressand versetzt, dass man sich gewundert habe, warum die Häuser nicht schon früher eingestürzt seien. Hemker: "Erdbeben töten keine Menschen, es sind die einstürzenden Gebäude."
Bei ihrer Nothilfe unmittelbar nach der Katastrophe kam den Helfern der GIZ zugute, dass sie schon seit den 1970er Jahren in Haiti Aufbauarbeit leisten.
Schon wenige Tage später habe man im Epizentrum des Bebens, der zu 90 Prozent zerstörten Stadt Léogâne, 1,3 Millionen Essens-und Trink-Rationen verteilt, erzählt der damalige GIZ-Nothilfekoordinator Bös.
"In einem zweiten Schritt sind wir den Wiederaufbau der Häuser angegangen. Lebten kurz nach dem Beben 1,3 Millionen Menschen in Zelten und Notunterkünften, so waren es Ende 2013 nur noch 320.000 und Ende vergangenen Jahres 85.000.
Man kann sagen, das ist immer noch viel, das stimmt. Aber umgekehrt ist es eine enorme Leistung für ein armes Land mit einer desolaten Infrastruktur, innerhalb von fünf Jahren für so viele Menschen Wohnraum zu schaffen."
Wiederaufbau der Industrie
Darüber hinaus, so Bös, habe die GIZ im Auftrag des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung insgesamt sechs Gesundheitszentren in Haiti aufgebaut und die Zufahrtswege instand gesetzt.
"Nach dem Erdbeben floss viel Geld ins Land, das auch dem Gesundheitssystem zugutegekommen ist. Die Mutter-Kind-Versorgung hat sich verbessert, und die Mortalitätsrate ist gesunken. Obwohl wir in Haiti noch weit von den Millenniumszielen entfernt sind, gibt es doch Fortschritte."
Die Entwicklungschancen von Haiti, das weiterhin zu den ärmsten Ländern der Erde zählt, seien im Grunde gut, meint Berthold Bös und verweist darauf, dass das Land einst aufgrund seiner ertragreichen Zuckerrohr- und Kakaoplantagen die reichste Kolonie Frankreichs war.
Künftig gelte es, die Wirtschaft weiter anzukurbeln. Ein Schwerpunkt liegt dabei in der Unterstützung der Fischindustrie.
In den vergangenen Jahren, so Bös, habe die GIZ sechs Fischereizentren aufgebaut, die Fischer mit neuen Booten ausgestattet, die es ihnen erlauben, die ertragsreichen Fischgründe jenseits der Küsten zu erreichen, und sie in Buchhaltung und Management geschult.
"So können die Menschen ihr Einkommen steigern und zur wirtschaftlichen Entwicklung Haitis beitragen - ein Vorbild für alle."