Unwetterkatastrophe
Hochwasser: Komplette Praxis versinkt in den Fluten
Die Praxis ist futsch, trotzdem ist das Hausärzte-Paar Friedl aus der Eifel froh: Beide leben noch und ihr Wohnhaus ist trocken geblieben. Doch der Schock sitzt tief. Einblicke in einen verwüsteten Ort.
Veröffentlicht:„Es ist schrecklich, dass Menschen gestorben sind“, sagt Dr. Marcus Friedl. Froh ist er am Donnerstag, dass seine Frau es am Abend zuvor gerade noch geschafft hatte, vom Dienst der Bereitschaftsdienstzentrale wohlbehalten nach Hause zu kommen. „Sie lebt“, sagt er sichtlich erleichtert. Das Wohnhaus der Hausärzte Dres. Anke und Marcus Friedl in Bad Neuenahr liegt glücklicherweise etwas höher gelegen und wurde vom Hochwasser verschont.
Nicht so aber die Praxis, die in einem alten Haus im Hochparterre liegt. Vor drei Jahren haben die Friedls die Praxis übernommen und aufwändig renoviert. Letztes Jahr erst wurde eine neue, große Tür eingebaut, um die Praxis pandemiegerecht auszubauen. Auch der Boden wurde erneuert. Der Server steht im Wasser, das Sonografiegerät auch. „Alles futsch“ meint Friedl, der es bislang nicht geschafft hat, die Praxis zu betreten. Noch immer sei das Erdgeschoss bis zur Oberkante zugelaufen. Die Mieter über der Praxis mussten sich sogar in weitere obere Stockwerke retten. Das Wasser sei innerhalb von wenigen Minuten angestiegen.
Auch MFA betroffen
Ähnliches berichtete eine von Friedels Mitarbeiterinnen, die im Dorf wohnt und nachts um zwei Uhr von der Feuerwehr gerettet wurde. Noch sucht sie, erzählt Friedl, verzweifelt nach ihrem kleinen Welpen, den sie erst ein halbes Jahr hat. Er ist in der Nacht in den Fluten verschwunden.
Am Donnerstagmorgen machte sich Friedl auf den Weg zum Supermarkt. „Ich habe Autos gesehen, die auf Garagen stehen. Ein Campingwagen stand hochkant mitten in der Landschaft“, schildert Friedl immer noch geschockt seine Eindrücke. Leute, nur mit Unterhose und Hemd bekleidet, suchen nach (nasser, verschmutzter) Kleidung, um sich etwas anzuziehen. Auf dem Parkplatz des Supermarkts trifft Friedl ein Paar, die auf Besuch in Bad Neuenahr sind und die Pension in der Nacht Hals über Kopf verlassen mussten. Geld, Schlüssel, Wertsachen etc. mussten in der Pension zurückgelassen werden. „Die hatten Hunger. Ich habe ihnen zehn Euro gegeben, damit sie sich im Supermarkt etwas zu essen kaufen können“, erzählt Friedl. Das Paar wartet nun, ob das Wasser sinkt und sie zumindest ein paar ihrer Dinge wie etwa den Schlüssel von zu Hause aus der Pension holen können.
„Gott sei Dank sind die Patientendaten nicht verloren“ erzählt Friedl, denn die sichert er jeden Abend auf einem Datenträger und nimmt diesen mit nach Hause. Die Softwarefirma hat am Morgen telefonisch versichert, dass die Daten vom Vortag und zurück so wieder hergestellt werden können.
Versicherung konnte nicht abgeschlossen werden
Wie es jetzt weitergehen soll, weiß Friedl noch nicht so recht. Versichert ist die Praxis nicht gegen den Schaden. Eine Praxis, die nah an einem Fluss liegt, kann nicht gegen Hochwasserschäden versichert werden, erklärt Friedl. „Bei der KV habe ich schon angerufen und gesagt, dass wir unsere Patienten nicht mehr versorgen können“, meint Friedl. Von zwei Praxen weiß der Hausarzt, dass diese ebenfalls nicht öffnen können und vom Hochwasser zerstört wurden. Und es werden Tage beziehungsweise Wochen vergehen, schätzt Friedl, bis alle Keller leergepumpt werden können. Das könne nur sukzessive geschehen, denn das stinkende Schlick-Ölgemisch könne nur mit schweren Spezialgeräten hochgepumpt werden.
Die Landesärztekammer überlegt bereits, wie sie betroffene Ärztinnen und Ärzte unterstützen kann. „Wir versuchen derzeit, uns erst einmal einen Überblick darüber zu verschaffen, wie viele Ärztinnen und Ärzte von der verheerenden Flutkatastrophe betroffen sind. Derzeit ist das aufgrund der prekären Lage in den betroffenen Gebieten noch gar nicht wirklich möglich, weil in den Unwetter-Regionen zum Teil ja auch die Kommunikationsmöglichkeiten weggebrochen sind. Sobald wir wissen, welche Hilfen gebraucht werden, werden wir überlegen, welche Unterstützung wir anbieten können“, erklärt Dr. Günther Matheis, Präsident der Ärztekammer Rheinland-Pfalz gegenüber der „Ärzte Zeitung“. „Darüber hinaus möchte ich den vielen Einsatzkräften danken, die gerade alles versuchen, den Menschen zu helfen, die auf Rettung warten“, so Matheis weiter.