DDR-Apothekenmuseum
"Igitt, hier stinkt‘s"
Pillen, Säfte und Salben im Retro-Look - die Medikamente im Cottbuser Apothekenmuseum sind heute vom Markt so gut wie verschwunden. In der DDR waren sie weit bekannt.
Veröffentlicht:COTTBUS. Die Tür öffnet sich, ein strenger Geruch steigt in die Nase. Arzneimittel - Chemie - Zahnarztpraxis. "So roch es früher in DDR-Apotheken", sagt Sabine Bernert. Das Brandenburgische Apothekenmuseum in Cottbus sammelt DDR-Medikamente.
Der Geruch spaltet, weiß Mitarbeiterin Bernert von Besucherführungen. Museumsleiterin Annette Schiffner sagt das auch: "Ältere Besucher, die in der DDR lebten, sagen: Ah, mein altes Fußspray oder "so hat's früher in meiner Apotheke gerochen".
Und die Jungen? "Igitt, hier stinkt's".
"Bitte klingeln und warten!"
Nach Retro sieht es in dem Zimmer im ersten Stock eines Hinterhauses aus. Holzmöbel im 1960er-Look, hinter den Glasscheiben sind Hunderte Verpackungen mit Tabletten, Salben und Säften zu sehen. Den Raum im Museum gibt es laut Schiffner seit 2005.
An der Wand hängt ein beleuchtetes Schild. "Dienstbereitschaft. Bitte klingeln und warten!"
Das kleine Museum ist stolz darauf, die rund 750 Medikamente in einer originalen Apotheken-Inneneinrichtung aus DDR-Zeiten zu präsentieren. "Wir wollen zeigen, dass die Arbeit von Apothekern eine hochwertige und fachlich sehr fundierte war", sagt Schiffner.
Sie schmunzelt, als sie eine Pillenverpackung in die Hand nimmt: "Ich weiß bei einigen Medikamenten sogar noch die Preise auswendig." Sie lernte selbst in einer Ost-Apotheke ihr Handwerk.
Gezeigt wird auch eine vergilbte Zeitschrift "Durch Volksgesundheit zur Leistungssteigerung". In dieser Ausgabe geht es um "Die Sexualität im Blickfeld des Arztes". In einer Vitrine ist zu erfahren, dass Darmregulierungs-Perlen und Mistel-Perlen "zur Hebung des allgemeinen Wohlbefindens" gedacht waren.
Was ist das Typische an DDR-Apotheken? Der Direktor des Instituts für Pharmazie-Geschichte an der Universität Marburg, Christoph Friedrich, nennt ein Phänomen: "Anders als in der BRD gab es pro Präparat und Wirkstoff jeweils nur einen Hersteller."
Requisiten für den Film
Konnte der nicht liefern, sei es immer wieder zu Versorgungslücken gekommen - vor allem zum Ende der DDR hin. Die Berliner Mauer fiel vor 25 Jahren, gerade erst ist in Deutschland dieses Ereignis im großen Stil gefeiert worden.
1990 kam es dann zur Wiedervereinigung. "Dafür zeigten die Apotheker sehr viel Eigeninitiative, überlegten sich Alternativen und stellten selbst Arzneimittel im Defekturmaßstabe her", so Friedrich. Das bedeutet, dass sie in größeren Mengen produziert wurden.
Auf ein Ausstellungsstück ist Museumsleiterin Schiffner besonders stolz - es ist ein Mittel gegen Depressionen in einer rot-weißen Verpackung. Das habe eine besondere Geschichte, sagt sie.
"Es lag schon in den Händen von Schauspielerin Martina Gedeck - im Film "Das Leben der Anderen". Das Werk über ein Paar in der DDR wurde 2007 mit einem Oscar ausgezeichnet.
Neben Cottbus gibt es weitere Apothekenmuseen in Deutschland, die DDR-Medikamente sammeln. Dazu zählt zum Beispiel das nach eigenen Angaben größte Apothekenmuseum Deutschlands in Heidelberg.
Es habe etwa 600 DDR-Präparate, ausgestellt sei rund ein Dutzend. "Was wir nicht haben, sind Möbel aus DDR-Apotheken, dafür haben wir aber viele Unterlagen", sagt Sammlungskuratorin Claudia Sachße.
DDR hatte 26 Privatapotheken
Bis auf 26 Privatapotheken seien in der DDR alle staatlich gewesen, berichtet Wissenschaftler Friedrich. Heute sei das Sortiment bis auf wenige Ausnahmen vom Markt verschwunden. Und was sonst noch typisch war in DDR-Apotheken? "Lange Schlangen." (dpa)