Zehn Jahre nach dem Tsunami
Katastrophenhilfe mit Langzeitwirkung
Auch noch zehn Jahre nach dem verheerenden Tsunami im Indischen Ozean mit Hunderttausenden Toten leisten Mitarbeiter der Göttinger Universitätsmedizin in der indonesischen Provinz Banda Aceh nachhaltige Hilfe.
Veröffentlicht:GÖTTINGEN. "Wir sind auch dann noch da, wenn die Fernsehkameras wieder verschwunden sind." Dieses Versprechen gaben Mitarbeiter der Universität Göttingen vor zehn Jahren ihren Kollegen in der indonesischen Provinz Banda Aceh.
Am 26. Dezember 2004 hatte dort ein verheerender Tsunami mehr als 200.000 Menschen in den Tod gerissen, unter ihnen auch viele Studenten der Universität Syiah Kuala in der Provinzhauptstadt Aceh.
Die Göttinger Wissenschaftler waren gekommen, um sich ein Bild von den Zerstörungen zu machen und ein Hilfsprojekt für den Wiederaufbau der Hochschule zu starten.
Sie hielten ihr Versprechen: "Wir sind die einzigen, die immer noch vor Ort aktiv sind", sagt der Koordinator des deutsch-indonesischen Partnerschaftsprogramms, Professor Uwe Groß.
Medizinische Versorgung nachhaltig verbessert
Vor allem die medizinische Versorgung und Ausbildung habe sich dank der Göttinger Unterstützung nachhaltig verbessert.
Das besondere Engagement hängt vor allem damit zusammen, dass in Göttingen viele indonesische Studenten leben. Diese hatten die Hilfsaktion ins Rollen gebracht.
Die Universität Göttingen ermöglichte zunächst den Doktoranden aus Banda Aceh den Rückflug in ihre Heimat, damit sie dort nach ihren Angehörigen forschen konnten.
Später reisten drei Göttinger Wissenschaftler in die Katastrophenregion, um in Gesprächen mit Vertretern der dortigen Hochschule Konzepte für den Wiederaufbau zu entwickeln. Einer von ihnen war Uwe Groß.
Der Direktor der Abteilung Medizinische Mikrobiologie an der Universitätsmedizin Göttingen hatte vorher bereits verschiedene Projekte zur Verbesserung der medizinischen Versorgung in Afrika betreut.
Seine ersten Eindrücke aus der Region Aceh wird er nie vergessen: Der Tsunami hatte alles niedergewalzt, weit und breit war alles zerstört. Zahlreiche Hilfsorganisationen waren vor Ort, um beim Wiederaufbau zu helfen.
Viele dieser Projekte seien allerdings wenig nachhaltig gewesen, sagt Groß. So seien beispielsweise mehrere Kliniken gebaut worden, für die es keinen Bedarf gegeben habe. Heute stünden diese Krankenhäuser leer.
Das Krankenhaus - eine Erfolgsgeschichte
In dem Krankenhaus, das mit deutschen Mitteln gebaut wurde, herrsche dagegen reger Betrieb. "Das ist wirklich eine Erfolgsgeschichte", freut sich Groß.
Anders als andere Hilfsorganisationen, die einfach los legten, hörten die Göttinger den Menschen in der Katastrophenregion erst einmal zu und vereinbarten dann ein langfristiges Partnerschaftsprojekt mit der Universität.
"Wir haben gefragt, wo Hilfe gebraucht wird", berichtet Groß. Die Medizinische Fakultät wünschte sich vor allem Unterstützung in der Molekularbiologie, der Infektiologie und Tropenmedizin.
Da es sowohl an der nötigen Laborausstattung als auch an wissenschaftlichen Kenntnissen fehlte, initiierten die Göttinger Mediziner ein umfangreiches Weiterbildungsprogramm.
Seitdem bieten sie regelmäßig "Summerschools" in Banda Aceh an, die sich mit Krankheiten wie Tuberkulose, Malaria, Vogelgrippe und Toxoplasmose beschäftigen.
Außerdem organisieren sie Workshops und Austauschprogramme und schulen die Studenten und medizinischen Mitarbeiter in Infektionsdiagnostik, Molekularbiologe, Sonographie und Endoskopie.
Medizinische Ausbildung verbessern
Um die medizinische Ausbildung zu verbessern, entwickeln sie ferner E-Learning-Module für den studentischen Unterricht in Banda Aceh und unterstützen die Hochschule bei der Entwicklung eines neuen Studienganges in Molekularer Tropenmedizin.
Auch die Patienten in der Region profitieren von der Unterstützung aus Deutschland. Das neu gebaute 500-Betten-Krankenhaus in Banda Aceh, in dem insgesamt 1700 Mitarbeiter tätig sind, ist nicht nur mit moderner Technik und Laboren ausgestattet.
Die Göttinger Mediziner haben durch ihre Aus- und Weiterbildungsprogramme dafür gesorgt, dass die Mitarbeiter auch die nötige Qualifikation haben, um die High-Tech-Geräte bedienen zu können.
Außerdem halfen sie bei der Einrichtung einer Isolierungseinheit für Patienten, bei denen der Verdacht auf hoch ansteckende Krankheiten wie Vogelgrippe besteht.
Uwe Groß war erst kürzlich wieder in Aceh und hat dort auch die Klinik besucht. "Die Mitarbeiter sind hoch motiviert und hervorragend ausgebildet", berichtet er.
"Es ist wirklich begeisternd, was hier entstanden ist." Auch die Ärztekammer Niedersachsen ist beeindruckt: Anfang Dezember zeichnete sie den Göttinger Mikrobiologen für sein besonderes Engagement mit ihrer Ehrenplakette aus. (pid)