COVID-19-Pandemie

Kinderärzte gegen regelmäßige Corona-Selbsttests bei Schülern

Schnelltests sollen helfen, die Pandemie unter Kontrolle zu bringen und erneute Schulschließungen zu vermeiden. Vom Vorschlag, auch Schüler ein- bis zweimal die Woche zu testen, halten Ärzte aber wenig.

Von Thomas Hommel Veröffentlicht:
Eine Schülerin träufelt in einem Klassenraum eine Lösung nach einem selbst durchgeführten Corona-Test auf einen SARS-CoV-2-Antigentest. Pädiater lehnen regelmäßige Schnelltests allerdings ab.

Eine Schülerin träufelt in einem Klassenraum eine Lösung nach einem selbst durchgeführten Corona-Test auf einen SARS-CoV-2-Antigentest. Pädiater lehnen regelmäßige Schnelltests allerdings ab.

© Ronny Hartmann/dpa

Berlin. Corona-Schnell- und Selbsttests in Schulen und Kindertagesstätten sollen die Einrichtungen vor erneuten Schließungen bewahren. Über die konkrete Anwendung der Tests in den Einrichtungen ist jetzt allerdings Streit ausgebrochen. Anlass ist ein Papier aus dem Bundesgesundheitsministerium (BMG), das Überlegungen zur „Erweiterung der nationalen Teststrategie“ enthält. Das dreiseitige Papier liegt der „Ärzte Zeitung“ vor.

In dem Papier geht es auch um die Schnelltests zum Eigengebrauch – das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte hatte vergangene Woche die ersten drei Produkte dieser Art zugelassen. „Im Sinne eines präventiven Lebenswelten-Ansatzes“ sei es „sinnvoll“, auch Schülern „durch einen Selbsttest ein- oder zweimal die Woche zusätzliche Sicherheit zu geben“, schreibt das BMG.

Nicht gerechtfertigter Schritt

Kinder- und Jugendärzte halten wenig von dem Vorschlag. „Ausgehend von allgemein anerkannten wissenschaftlichen Grundsätzen der Screening- und Infektionsdiagnostik erscheint es angesichts fehlender Daten zur Validität von Antigenschnelltests gerade bei asymptomatischen Kindern zum jetzigen Zeitpunkt weder gerechtfertigt noch angemessen, diese Tests flächendeckend in Schulen und Kitas einzusetzen“, heißt es in einem Positionspapier der Deutschen Gesellschaft für Pädiatrische Infektiologie, der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin, dem Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte sowie der Deutschen Gesellschaft für Krankenhaushygiene.

Bei Anwendung der Schnelltests sei zu erwarten, dass die Zahl falsch negativer und falsch positiver Ergebnisse „inakzeptabel“ hoch sein und dies „weit mehr Schaden als Nutzen“ anrichte, warnen die Verbände in ihrem Papier.

Darüber hinaus bestehe die Gefahr, dass negative Testergebnisse das Befolgen bewährter Hygieneregeln in den Schulen erheblich schmälere. Dies aber könne angesichts einer erwartungsgemäß hohen Rate falsch negativer Testergebnisse „gravierende Auswirkungen“ haben. Müssten Schüler nach einem Positivtest in Quarantäne und erweise sich der Test anschließend als falsch, habe dies große psychologische Auswirkungen. Im Übrigen sei bis heute nicht nachgewiesen, dass Infektionsausbrüche, die von infizierten Schülern ausgehen, ein relevanter „Motor“ der Pandemie seien. Auch das Robert Koch-Institut habe diese Einschätzung bestätigt.

Bei Anwendung der Schnelltests ist zu erwarten, dass die Zahl falsch negativer und falsch positiver Ergebnisse inakzeptabel hoch ist und dies weit mehr Schaden als Nutzen anrichtet.

Positionspapier von DGPI, DGKJ, DGKH und BVKJ zu Schnelltestungen in Schulen und Kitas

Zielführender sei daher „eine sehr regelmäßige, zum Beispiel zweitägliche Testung“ des pädagogischen und weiteren Personals in den Einrichtungen, schlagen die Verbände vor. Das gelte gleichermaßen in Schule wie Hort, aber auch auf Schul- sowie Bring- und Abholwegen. Eine breit angelegte Teststrategie müsse der Bevölkerung zudem „frühzeitig und umfassend“ vermittelt werden, um Schaden zu verhindern.

Johna fordert „gutes Konzept“

Eine dezidierte Teststrategie verlangte auch die Vorsitzende der Klinikärztegewerkschaft Marburger Bund, Dr. Susanne Johna. Zusätzliche Tests seien „sinnvoll“ – positive Befunde müssten aber „sofort“ mit einer Kontrolle durch einen PCR-Test abgesichert werden, sagte Johna dem „Deutschlandfunk“ am Dienstag. Sinnvoll sei es auch, vermehrt in den Schulen zu testen. In Krankenhäusern werde bereits auch asymptomatisches Personal öfter getestet. Es brauche aber ein „gutes Konzept“, gute Schulung und Aufklärung.

An diesem Mittwoch treffen Bund und Länder erneut zusammen, um das weitere Vorgehen in der Pandemie zu beraten. Aus mehreren Ländern kommen Rufe nach Lockerungen, andere warnen indes vor allzu schnellen Öffnungen. Die Zahl der Neuinfektionen steigt derzeit wieder leicht an – die Sieben-Tage-Inzidenz verharrt bei gut über 60. Angestrebt wird ein Wert von 35 je 100.000 Einwohner binnen sieben Tage.

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Kommentare
Dr. Peter Schimmelpfennig 03.03.202108:06 Uhr

Als "Ärztezeitung" mit medizinischer Kompetenz (!) sollten Sie die Angabe "Inzidenz" in diesem Fall hinterfragen, ist dieser Begriff doch nur sinnvoll für die Anzahl der Neuerkrankungen pro 100000 Einwohner definiert. Nun kann ein positives Testergebnis für Menschen, die nie Krankheitssymptome entwickeln (und das ist ja scheinbar die Mehrheit der Testpositiven) nicht für die Angabe der Inzidenz sinnvoll verwendet werden. Entweder man berücksichtigt bei der Angabe der Inzidenz zusätzlich Krankheitsfaktoren (also positives Testergebnis und zugleich Atemwegssymptome) oder man müsste eine neue Begrifflichkeit (es ist ja auch ein Novum) einführen.
Es bleibt falsch, auch wenn es überall so verwendet wird.

Dr. Hans-Jürgen Kühle 02.03.202120:46 Uhr

Es ist gut, sich früh zu üben!
Für die befürchteten negativen Wirkungen gibt es noch weniger Belege als für den Nutzen!
Warum muss dem Lernen von Testen so zwischen die Beine gegrätscht werden?
Und wenn es noch so viele Verbände sind, deren Funktionsträger etwas veröffentlichen, so muss es dennoch nicht sinnvoll sein. Ich kann mit den Bedenkenträgern nicht mitgehen und würde mich über eine wissenschaaftliche Begleitung der Teststrategie an den Schulen freuen!

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