Gesundheitsversorgung

Krank im Libanon – viele Bürger können sich das nicht leisten

Krankwerden ist mit das Schlimmste, was Menschen im Libanon mit passieren kann. Im ehemaligen „Krankenhaus des Nahen Ostens“ liegt die Gesundheitsversorgung am Boden. Medikamente gibt es oft nur auf dem Schwarzmarkt.

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Der Arzt Mohammad Fahad untersucht den jungen Krebspatienten Georgio. Georgio ist neun Jahre alt und hat Leukämie.

Der Arzt Mohammad Fahad untersucht den jungen Krebspatienten Georgio. Georgio ist neun Jahre alt und hat Leukämie.

© Arne Immanuel Bänsch/dpa

Beirut. Licht fällt in ein Zimmer der Kinderkrebsstation in Beirut, während der zierliche Georgio im Schneidersitz auf seinem Krankenbett hockt. Er presst seine Lippen zusammen, versucht, leicht zu lächeln, als ein junger Arzt behutsam seinen Rücken abhorcht. Georgio ist neun Jahre alt und hat Leukämie. 19 Monate soll die Behandlung dauern, die seine Familie in große Sorgen stürzt.

Der Vater, Soldat bei den Sicherheitskräften, blickt aus dem Fenster. Mehr als zwei Jahre sind verstrichen, seitdem eine gewaltige Explosion im Beiruter Hafen große Teile der Mittelmeerstadt zerstört hat. Auch das älteste Krankenhaus des Landes, die orthodoxe St.-Georgs-Klinik, hatte damals schwere Schäden erlitten.

Tapeten kaschieren die Krise

Heute arbeiten Ärzte und Krankenschwestern in neu hergerichteten Räumen mit bunten Tapeten. Würde man nicht mit den Menschen sprechen, wäre von der Krise kaum etwas zu spüren.

„Es ist ein langer Kampf", sagt der Soldat George Kannani. „Aber nicht mit dem Krebs, sondern mit Krankenhäusern, Rechnungen und all den Medikamenten, wenn wir sie überhaupt finden mit meinem niedrigen Lohn."

Krank zu werden, das ist eine der größten Sorgen der Libanesen derzeit. Wer sich noch einen Klinikbesuch leisten kann, während das Land immer weiter in die Armut abrutscht, muss die Ärzte bei der Beschaffung der Medikamente oft unterstützen. So groß ist die Not. „Wir haben keine Wahl, als manchmal auf dem Schwarzmarkt zu suchen." Dort gebe es natürlich unterschiedliche Preise.

Banküberfälle, um an Geld für Medikamente zu kommen

Der Chefarzt der Krebsstation ist eine Legende. Peter Noun kämpft seit Jahren der politischen und sozialen Dauerkrise im Land zum Trotz für das Überleben der Kinder. Besonders große Sorgen bereitet ihm der Nachschub dringend benötigter Krebsmittel. „Ich habe ein Kind hier, das heute zur Chemotherapie muss, aber wir haben das Medikament noch nicht", erklärt der Arzt, der gelegentlich auch Aufrufe in den sozialen Medien beginnt, wenn ihm ein Mittel fehlt. Unterstützt wird die Station durch Spenden.

Die Ursachen sind nicht einfach zu durchschauen. Ein Grund liegt in der Finanzkrise – seitdem können Libanesen kaum Geld abheben. Das führte so weit, dass im Sommer mehrere Landsleute Banken überfielen, um Geld für Krankenhausbehandlungen zu bekommen.

Arzneifälschungen sind ein Problem

Oft reisen Angehörige in Nachbarländer. „Wir erhalten Medikamente aus Indien, Syrien und der Türkei, von denen einige möglicherweise gefälscht sind", erzählt Doktor Noun. Der Regierung ist das Problem bekannt. Es ist ein dunkler Novembernachmittag, als Gesundheitsminister Firass Abiad in einem tiefen Ledersessel seines Büros sitzt und die Probleme aufzählt.

„Es steht außer Frage, dass die gesamte Situation kritisch ist. Nicht nur im Gesundheitswesen", sagt der frühere Krankenhauschef, der noch während der Corona-Pandemie das Amt übernommen hatte. „Da wir sehr teure Medikamente subventioniert haben, hat sich ein großer Markt für den Schmuggel, das Horten und den Missbrauch dieser Medikamente eröffnet", sagt Abiad.

Libanon fehlt politische Führung

Eine Maßnahme sei daher die Einführung eines Systems gewesen, mit dem die Medikamente nach dem Import genau verfolgt werden sollen. Der politische Stillstand und die Tatsache, dass der Libanon trotz mehrfacher Wahlgänge immer noch keinen neuen Präsidenten hat, bereitet auch Abiad Sorgen. Korruption innerhalb der politischen Elite - ein Vorwurf, den viele Libanesen immer wieder anführen - nennt er nicht beim Namen.

Aber auch er wirkt frustriert. „Für mich fühlt sich die Arbeit manchmal so an, als ob man bei sehr hohem Wellengang mit auf dem Rücken gefesselten Händen ein Meer überqueren muss."

Früher zog das Land Patienten an

Das Land galt einst als „Krankenhaus des Nahen Ostens", wie sich viele Libanesen schmerzhaft an bessere Zeiten erinnern. Heute versinkt Beirut nach Sonnenuntergang in Dunkelheit, weil Strom nur für wenige Stunden verfügbar ist. Die wenigen erleuchteten Luxushochhäuser werden mit Generatoren betrieben, genau wie die Krankenhäuser, die nun mit hohen Dieselkosten kämpfen. Hoffnungsschimmer ist ein Rettungspaket des Internationalen Währungsfonds. Doch dafür werden drastische Reformen gefordert, die bisher nicht umgesetzt wurden.

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Peter Noun wird weiter kämpfen für seine jungen Krebspatienten. „Wir klopfen an jede Tür, damit unsere Patienten die richtige medizinische Behandlung erhalten", sagt der Chefarzt. Einst ein scharfer Kritiker der Regierung, ist er heute dankbar für jeden Versuch aus der Politik.

Für die Familien, die sich wie in einem Vollzeitjob um ihre kranken Kinder kümmern, ist es oft dramatischer - wie auch der Soldat Kannani beschreibt. „Wir können ohne Wasser, Essen oder Treibstoff auskommen. Aber bitte rettet unsere Kinder." (dpa)

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