Psychologie

Marschmusik – Je lauter, desto bedrohlicher

Sportler nutzen Musik, um sich auf Wettkämpfe einzustimmen. Kriegsherren missbrauchen sie, um aufgeputschte Truppen in den Kampf zu schicken.

Von Pete Smith Veröffentlicht:
Marschmusik – Je lauter, desto bedrohlicher

© lumen-digital - stock.adobe.com

So wie uns sanfte Musik zu beruhigen, zu trösten und einzuschläfern vermag, bringt uns rhythmische Musik in Stimmung, heizt uns ein oder stachelt uns auf.

Viele Spitzensportler nutzen diesen leistungssteigernden Effekt, während totalitäre Herrscher das Volk mit martialischen Klängen auf putschen.

Und immer wieder kommt es auch vor, dass Musik als Instrument der Demütigung, Demoralisierung oder gar Folter missbraucht wird.

Deep Purple und Justin Bieber

Welche Musik sportlich betrachtet den besten Effekt hat, hängt von den persönlichen Vorlieben ab. Schwimmstar Paul Biedermann beispielsweise steht auf Hardrock von Rammstein, Diskus-Olympiasieger Robert Harting mag die englische Rockband Deep Purple, Siebenkämpferin Carolin Schäfer bringt sich mit deutschem Hip-Hop von Sido oder Kay One in Wallung.

Fußball-Weltmeister Jérôme Boateng beschallt sich vor Spielen gern mit R'n'B oder House, wogegen seine Nationalmannschaftskollegen Toni Kroos auf Deutsch-Pop von Pur und Mario Götze auf Musik von Teenie-Schwarm Justin Bieber abfahren.

Der Musikstreamingdienst Spotify hat jüngst eine Liste der beliebtesten Laufsongs zusammengestellt, wonach Beyoncé beim Joggen am häufigsten gehört wird.

Musik löst Emotionen aus und schweißt Gruppen zusammen. Diesen Effekt haben sich im Laufe der Jahrhunderte immer wieder auch Kriegsherren zunutze gemacht, um ihre Soldaten auf eine Schlacht einzustimmen. Allein der stampfende Rhythmus römischer Legionen, begleitet von Trommeln und Fanfaren, soll Gegnern das Fürchten gelehrt haben, berichten Chronisten, ein Effekt, auf den im Zweiten Weltkrieg auch Diktatoren wie Hitler und Stalin vertrauten, indem sie ihre Soldaten im Gleichschritt, orchestriert von Marschmusik, in den Krieg hetzten. Schlachtmusik folgt einfachen Gleichungen: Je lauter, desto mehr Gänsehaut, je tiefer, desto bedrohlicher.

Vertraute Klänge lösen ein Wohlgefühl aus, sie hemmen die Aktivität der Amygdala und regen den Nucleus accumbens an, eine Schaltzentrale unseres Belohnungssystems. Diesen Effekt machen sich unter anderen Betreiber von Kaufhäusern zunutze, wenn sie ihre Kunden mit Hintergrundmusik einschmeicheln.

Wichtig ist, dass jene die gespielten Stücke kennen und mögen und unbewusst konsumieren, denn nur so werden die Kunden in Kauflaune versetzt. Muzak nennt sich die allgegenwärtige Kaufhaus- und Fahrstuhlmusik, deren Grundsatz "Nie mehr als 70 Beats pro Minute" eine Wohlfühlatmosphäre garantiert.

Fremdartige Musik und dissonante Töne dagegen rufen unangenehme Gefühle hervor und aktivieren das Angstzentrum unseres Gehirns. Diese Erkenntnis findet seit Jahrzehnten Widerhall in der psychologischen Kriegsführung.

Während des Vietnamkriegs beschallten Soldaten der US-Army ihre Gegner per Lautsprecher mit dröhnender Musik; ob sich die Vietcong dadurch demoralisieren ließen, darf aus heutiger Sicht bezweifelt werden.

Dennoch wiederholten die GI ihr Manöver im Irakkrieg 2004: Um die islamischen Rebellen in der Stadt Falludscha zu demütigen, setzte man sie westlicher Rockmusik aus, vor allem AC/DC, mit welchem Erfolg wurde nicht bekannt.

Musik als Folterinstrument

Im Gefangenenlager Guantanamo auf Kuba gingen Verhörspezialisten der CIA noch einen Schritt weiter: Hier setzte man Musik als Folterinstrument ein. Ehemalige Häftlinge berichteten, dass sie in ohrenbetäubender Lautstärke Rock, Pop, Country und sogar Kinderlieder anhören mussten – bis zu acht Stunden am Tag.

Ganz oben auf der "Hitliste" standen Songs, die den Triumph der Amerikaner besangen, "We are the Champions" von Queen oder "Born in the U.S.A." von Bruce Springsteen. Gespielt wurden aber auch anzügliche Popsongs von Britney Spears und Christina Aguilera, mit denen die muslimischen Gefangenen sexuell gedemütigt werden sollten.

Auf die zermürbende Wirkung musikalischer Dauerbeschallung vertrauen im Übrigen nicht nur Militärs, sondern auch manche Unternehmen. So bespielte man den Vorplatz des Hamburger Hauptbahnhofs Jahre lang mit klassischer Musik – vor allem um die Drogenabhängigen zu vertreiben.

Da die Szene verschwand, wechselte man das Programm: von Klassik auf eher chillige Klänge, die das Wohlgefühl der Reisenden steigern sollen. Die Hamburger Hochbahn, so war neulich zu lesen, will mit ihrer Musik vor allem das "subjektive Sicherheitsempfinden" ihrer Gäste stärken; zudem sollen Menschen "ohne Fahrtabsicht" von längeren Aufenthalten an Haltestellen abgehalten werden.

Lesen Sie dazu auch: Klang-Therapie: Musik - ein Fest für Endorphine

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