Wolle und Antikörper
Mit Alpakas gegen Corona
Am Max-Planck-Institut für Multidisziplinäre Naturwissenschaften interessieren sich Forscher für das sehr spezielle Immunsystem von Alpakas – auch wegen ihrer COVID-19-Forschung. Für die institutseigene Herde stand im Juni der jährliche „Friseurtermin“ an.
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Alpakawolle ist wesentlich wärmer als Schafwolle. Daher müssen die Tiere vor jedem Sommer zum „Friseur“.
© Heidi Niemann, pid
Göttingen. Kürzlich hatten die Alpakas am Göttinger Max-Planck-Institut für Multidisziplinäre Naturwissenschaften ihren jährlichen „Friseurtermin“. Kurz vor dem prognostizierten Hitze-Wochenende befreite ein Schurspezialist die Alpakas von ihrer dicken Wolle und verpasste ihnen einen sommertauglichen Kurzhaarschnitt. Alpakas sind ursprünglich in den Anden beheimatet und gehören zur Familie der Kamele. Kommerzielle Züchter schätzen sie vor allem wegen ihrer Wolle: Diese ist wesentlich wärmer und leichter als Schafwolle.
Die Max-Planck-Forscher halten die Alpakas hingegen wegen einer anderen Eigenschaft: Ihr Immunsystem produziert Antikörper, die kleiner, leichter und weniger komplex sind als „klassische“ Antikörper. Mit Hilfe von molekularbiologischen Verfahren lassen sich diese einfachen Antikörper weiter zu sogenannten „Nanobodies“ verkleinern.
Alpaka Nanobodies gegen Corona
Nanobodies haben den Vorteil, dass sie sich mikrobiologisch in großer Menge produzieren lassen. Das macht sie nicht nur für die Grundlagenforschung interessant, sondern auch für die Medizin. Im vergangenen Jahr hat ein Forscherteam unter der Leitung von Professor Dirk Görlich, Direktor am Institut für Multidisziplinäre Naturwissenschaften, beispielsweise Nanobodies zu einem Wirkstoff weiterentwickelt, der sowohl den Ur-Typ von SARS-CoV-2 als auch dessen Alpha-, Beta-, Gamma- und Delta-Varianten ausschalten kann.
Die Alpakas werden für diese Forschungen nur ab und zu mit dem Antigen geimpft, das gerade im Visier der Forscher ist. Wenn ihr Immunsystem dagegen die entsprechenden Antikörper bildet, wird den Tieren eine Blutprobe entnommen. Daraus isolieren die Forscher dann die Baupläne der Antikörper, die das entsprechende Antigen erkennen.
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Alpakas leben auf dem Gelände des Göttinger Max-Planck-Instituts für Multidisziplinäre Naturwissenschaften.
In den vergangenen Jahren haben die Wissenschaftler ihre Forschungen ausgeweitet, und auch die Alpaka-Herde hat sich vergrößert. Inzwischen leben 22 Tiere auf dem Institutsgelände am Göttinger Faßberg – viel Arbeit also für den auf Alpakas spezialisierten Scherer Peter Pfeiffer.
Jährlicher kommt das Vlies ab
Alpakas gelten als ruhige und friedliche Tiere, dies zeigte sich auch beim „Friseurtermin“: Ohne Widerstand zu leisten, ließen sich Xenia, Asta, Olga und Co. auf den Spezialtisch hieven und an den Hinter- und Vorderbeinen festbinden. Die Tiere müssen jedes Jahr geschoren werden, sonst würde es ihnen im Sommer zu heiß werden. Alpakawolle ist wesentlich wärmer und leichter als Schafwolle.

Frisch geschoren steht die Alpaka-Herde vom Göttinger Max-Planck-Institut für Multidisziplinäre Naturwissenschaften in der Sonne.
© Heidi Niemann, pid
Schurspezialist Pfeiffer geht immer in der gleichen Reihenfolge vor: Erst kommt die Seitenpartie dran, dort befindet sich die hochwertigste Wolle. Danach werden Bauch, Rücken und Hinterbeine geschoren. Entlang des langen Halses geht es mit dem Rasierer zum Kopf. Anschließend wiederholt Pfeiffer die Prozedur auf der anderen Seite. Zum Schluss kommt die Feinarbeit. Mit einer Schere bringt er die lockige Frisur auf dem Kopf in die richtige Fasson, kürzt die Schwanzhaare ein und macht ein wenig „Nagelpflege“.
Als alles vorbei ist, sind die Alpakas wohl gleich doppelt erleichtert: Sie müssen nun nicht mehr so schwitzen, und sind um bis zu vier Kilo leichter geworden.