Corona

Neuköllns Amtsarzt: Gezielte Corona-Impfberatung für Migranten

Massenimpfung ist gut. Individuelle Beratung ist noch besser. So sieht es Amtsarzt Nicolai Savaskan in Berlin-Neukölln. Er will mit Streetwork und Sozialarbeit mehr Migranten fürs Impfen in der Pandemie gewinnen.

Von Ulrike von Leszczynski Veröffentlicht:
Neuköllns Amtsarzt Nicolai Savaskan.

© Jörg Carstensen / dpa

Berlin. Nach der ersten Berliner Schwerpunktimpfung in der Corona-Pandemie hat Neuköllns Amtsarzt Nicolai Savaskan mehr Sozialarbeit zur Impfberatung von Migranten gefordert. „Die Massenimpfung in Neukölln war ein guter Aufschlag“, sagte er. Türkisch- oder arabischstämmige Berliner hätten sich damit allerdings deutlich weniger erreichen lassen als Menschen mit Englisch oder Spanisch als Muttersprache.

Deshalb müsse nun eine Feinjustierung in sozialen Brennpunkten folgen. „Flugblätter allein reichen da nicht“, betonte er. Beratung und Impfangebote müsse es kleinteiliger und individueller geben, zum Beispiel über das Quartiersmanagement.

Bei der Impfkampagne in Neukölln wurden am Wochenende rund 2200 Menschen gegen das Coronavirus geimpft – rund 1000 mehr als ursprünglich geplant. Berechtigt waren rund 10 .000 Menschen aus Kiezen mit hohen Ansteckungszahlen.

„Wir haben vor allem die Menschen erreicht, die schon gut informiert waren“, sagte Savaskan. Das sei gut, denn sie seien nun wie Schutzschilde in ihren Wohnquartieren. Doch es sei nur rund ein Fünftel aller Eingeladenen.

Fünf Minuten Aufklärung zu wenig

Um mehr Menschen mit türkischen und arabischen Wurzeln zum Impfen zu motivieren, sei mehr Zeit bei der Beratung nötig – möglichst in ihrer Muttersprache. Diese Bevölkerungsgruppe konsumiere mitunter wenig deutsche Medien. Fünf Minuten vor der Impfung reichten nicht, um Vertrauen zu gewinnen, sagte Savaskan.

Wir haben vor allem die Menschen erreicht, die schon gut informiert waren.

Nicolai Savaskan, Amtsarzt in Berlin-Neukölln

So hätten sich zum Beispiel bei einem schnell organisierten Impfangebot in Unterkünften für Geflüchtete in Neukölln am Ende nur rund fünf Prozent der Bewohner impfen lassen. Dort seien unter anderem Impfmythen über Unfruchtbarkeit kursiert. Es habe auch Misstrauen gegenüber den angebotenen Vektor-Impfstoffen gegeben. „Wir bekommen dann zum Beispiel zu hören: ‚BioNTech ist wohl nur für Deutsche‘“, sagte Savaskan. Bisher setzen er und sein Team in der Pandemie in Neukölln ganz bewusst Akzente, die auf Quartiere mit hohem Migrantenanteil zugeschnitten sind. Sie haben „Parkrunden“ eingeführt, bei denen ein Arzt vom Gesundheitsamt und ein Streetworker Jugendliche an ihren Treffpunkten besuchen. Sie verteilen FFP2-Masken, beraten über Impfstoffe und sinnvolle Hygiene-Maßnahmen.

In Einkaufszentren laufen Filme, in denen Neuköllner Hausärzte übers Impfen sprechen. Dazu gibt es mobile Beratungen auf Neuköllner Wochenmärkten – begleitet von einem interkulturellen Team, das bis zu 13 Fremdsprachen bietet. Auch ein Arzt des Gesundheitsamtes sitzt in einem Anhänger und berät. Tests sind sofort möglich.

Amtsärzte dürfen nicht impfen

Savaskan fände es nur folgerichtig, wenn Ärzte des Gesundheitsamts nach all dieser Vorarbeit auch impfen dürften – zum Beispiel über das Quartiersmanagement. „Aber darauf hat das Land die Hand gelegt“, kritisierte der Amtsarzt. „Wir dürfen die schärfste Waffe im Kampf gegen diese Pandemie selbst nicht nutzen.“ Die Gesundheitsverwaltung lässt diese Kritik bisher nicht gelten. Die Gesundheitsämter hätten mit der Kontaktnachverfolgung schon genug zu tun, heißt es dort.

Um die Pandemie zu beenden, müssen nach Einschätzung des Robert Koch-Instituts rund 80 Prozent der Bevölkerung geimpft sein oder eine Infektion durchgemacht haben. Für diese Größenordnung müssten auch skeptische oder schlechter informierte Menschen aus allen Bevölkerungsgruppen erreicht werden, betonte Savaskan. (dpa)

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