Physiker Stefan Hell
Nobelpreisträger im Dauerstress
Der Göttinger Physiker Stefan Hell stand kurz davor, seine Wissenschaftskarriere zu beenden- doch er raffte sich auf und hielt durch: Am 10. Dezember wird er nun mit dem Chemie-Nobelpreis ausgezeichnet.
Veröffentlicht:GÖTTINGEN. Stefan Hell hat harte Zeiten hinter sich. Vor 20 Jahren hätte er seine Wissenschaftlerkarriere fast beendet, weil niemand in Deutschland ihm eine Anstellung geben wollte. Zu abwegig erschien sein Forschungsvorhaben.
Der Physiker hat dann aber doch durchgehalten. Am Mittwoch bekommt er die höchste Auszeichnung, die einem Wissenschaftler zuteil werden kann: König Carl Gustav von Schweden wird ihm in Stockholm den Nobelpreis für Chemie überreichen.
Stefan Hell freut sich auf die Festveranstaltung, für die er sich eigens einen Frack gekauft hat: "Es handelt sich ja um eine sehr feierliche Zeremonie, und da ist klar vorgeschrieben, welche Förmlichkeiten einzuhalten sind."
Keine Zeit für Forschung
Was hat Stefan Hell erfunden?
Lichtmikroskopie revolutioniert: Mit seiner Erfindung der (Stimulated Emission Depletion)-Mikroskopie, die er 1999 experimentell realisierte, hat Stefan Hell (51) die Lichtmikroskopie revolutioniert. Herkömmliche Lichtmikroskope haben eine Auflösungsgrenze, die durch die Wellennatur des Lichts bedingt ist: Objekte, die weniger als 200 Nanometer voneinander entfernt sind, können nicht mehr getrennt wahrgenommen werden. Hell hat als Erster einen Weg gefunden, die von Ernst Abbe entdeckte Auflösungsgrenze von Lichtmikroskopen radikal zu unterlaufen - mit einem völlig neuen Konzept. Bei der von ihm erfundenen und zur Anwendungsreife entwickelten STED-Mikroskopie ist die Auflösung nicht länger durch die Lichtwellenlänge begrenzt. Dadurch ist es erstmals möglich, Strukturen in einer Zelle mit einer heute bis zu zehnmal besseren Detailschärfe im Vergleich zu herkömmlichen Fluoreszenzmikroskopen zu beobachten. (eb)
Für seine Forschungen bleibt dem 51-jährigen Wissenschaftler am Max-Planck-Institut für biophysikalische Chemie in Göttingen in diesen Wochen kaum noch Zeit.
Seitdem kann er sich vor Journalistenanfragen kaum retten.
"Das Medieninteresse war wirklich sehr groß. In dieser Intensität hätte ich das nicht erwartet", sagt er. Hell hat seitdem zahllose Interviews gegeben, Dreh- und Fototermine absolviert und unermüdlich seine Forschungen erläutert.
Nicht nur die Journalisten reißen sich um ihn, auch viele Universitäten, Forschungseinrichtungen und wissenschaftliche Vereinigungen in aller Welt laden den Nobelpreisträger zu Gastvorträgen und Kongressen ein.
Der Physiker kann längst nicht alle Termine wahrnehmen. Deshalb hat er bereits mehrfach sein Grußwort auf Videos aufzeichnen lassen müssen, die dann zu den jeweiligen Tagungen überspielt wurden.
Auch in der Nobel-Woche hat er ein volles Programm zu absolvieren. Am Montag hat er die so genannte "Nobel Lecture" in der großen Aula der Universität Stockholm gehalten und nach dem Vortrag an einem Essen in der Deutschen Botschaft teilgenommen.
Abends folgte das Nobelpreiskonzert mit dem Königlichen Philharmonischen Orchester im Konzerthaus Stockholm.
Am Dienstag besucht er unter anderem die deutsche Schule in Stockholm, später wird er noch weitere Schulen und Universitäten besuchen, unter anderem die Universitäten in Uppsala und Lund.
Liveübertragung in den Hörsaal
Am Mittwochnachmittag findet dann die feierliche Nobelpreis-Übergabe statt. Abends folgt das große Nobel-Bankett im Rathaus von Stockholm.
Das festliche Abendessen ist einer der Höhepunkte im Rahmen der jährlichen Verleihung der Nobelpreise und eines der wichtigsten gesellschaftlichen Ereignisse in Schweden.
Stefan Hell hat zu den Feierlichkeiten einen kleinen Kreis von Familienangehörigen, Wegbegleitern, Mitarbeitern und engen Freunden eingeladen.
Auch seine übrigen Kollegen am Max-Planck-Institut in Göttingen werden die Feierlichkeiten verfolgen: Sowohl seine Nobel-Vorlesung am Montag als auch die Nobelpreis-Zeremonie werden auf eine Großleinwand im Hörsaal übertragen.