Bevölkerungsstudie
Oma ist das beste Verhütungsmittel
Eine Oma im Haus, die umringt ist von vielen kleinen Kindern: Diese Bilderbuch-Romantik entspricht oft nicht der Wirklichkeit. Eine aktuelle Studie sagt aus: In Haushalten mit einer Großmutter gibt es weniger Kinder.
Veröffentlicht:WIEN. Frauen bekommen im Durchschnitt weniger Kinder, wenn ihre Mütter oder Schwiegermütter im selben Haushalt leben. Das hat eine Studie ergeben, die sich vor allem auf Daten aus Entwicklungsländern stützt. Ob die Großmütter die direkte Ursache für die geringere Kinderzahl sind, steht jedoch nicht fest.
Martin Fieder von der Universität Wien und zwei Kolleginnen hatten Daten von 2,5 Millionen verheirateten Frauen aus 14 Staaten analysiert. Sie präsentieren das Ergebnis im Fachmagazin "Royal Society Open Science".
Betreuung erleichtert Entscheidung
Ergebnis: Die meisten Frauen leben nur mit ihrem Ehemann und ihren Kindern zusammen (Pakistan: 57,67 Prozent, USA: 97,11 Prozent). Nur im Irak lebt eine Mehrheit (53,15 Prozent) mit der Schwiegermutter im selben Haushalt. In allen untersuchten Ländern ist die Kinderzahl im Schnitt geringer, wenn eine Oma im selben Haushalt lebt.
Allerdings ist die Kinderanzahl am geringsten, wenn die Frau mit der eigenen Mutter zusammenlebt und nicht mit ihrer Schwiegermutter. Nur in Brasilien und Sambia ist es umgekehrt.
Martin Bujard vom Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung (BiB) in Wiesbaden verweist dagegen auf Studien, nach denen die Nähe von Großeltern in der Regel zu mehr Kindern führt. "Wenn eine gute Kinderbetreuung in Aussicht steht, fällt die Entscheidung für ein weiteres Kind leichter."
Er vermutet, dass in der aktuellen Studie zum einen Frauen statistisch erfasst wurden, die noch nicht aus dem elterlichen Haushalt ausgezogen waren.
Zum anderen könnte Armut eine wichtige Rolle spielen: Wenn die wirtschaftliche Situation einer Familie so schlecht ist, dass sie sich keinen eigenen Haushalt leisten kann, dann könnte dieser negative Effekt auf die Geburtenrate schwerer wiegen als die Möglichkeit der Kinderbetreuung.
Oma erhöht die Überlebenschance
Menschenkinder sind besonders lange von ihren Eltern, vor allem der Mutter, abhängig. "Es herrscht daher weitgehend Übereinstimmung, dass Hilfe für die Mutter ihre Fortpflanzungsleistung und das Überleben ihrer Kinder erhöht", schreibt das Team um Fieder.
Viele Anthropologen sehen die Hilfe von Großmüttern für ihre Töchter oder Schwiegertöchter als evolutionären Grund dafür an, dass sie auch nach dem Ende ihrer Fruchtbarkeit noch lange leben. Zahlreiche Studien zeigen, dass die aktive Hilfe von Großmüttern die Überlebenschancen ihrer Enkelkinder erhöht.
Die Wiener Anthropologen wollten nun wissen, ob sich die Nähe der Großmutter auf die Geburtenrate auswirkt. Sie nutzten dazu die weltweite Bevölkerungsdatenbank IPUMS International und werteten daraus Daten zu Frauen von 15 bis 34 Jahren aus: die Anzahl ihrer Kinder und ob sie mit ihrer Mutter oder Schwiegermutter in einem Haushalt leben. Auch der Bildungsabschluss der Frauen und ihrer Ehemänner oder ob sie Arbeit haben, wurde berücksichtigt.
Kommt es auf die Region an?
Die Forscher bieten verschiedene Erklärungsansätze für ihre Ergebnisse an: So könnte in Regionen mit einer Lebensmittelknappheit die Mutter oder Schwiegermutter als eine Person angesehen werden, die zusätzlich satt zu bekommen ist.
Womöglich leben Frauen, die mit Verwandten unter einem Dach leben müssen, ohnehin in ärmeren Verhältnissen als andere Frauen. Auch das Alter spielt eine Rolle: Je jünger die Frau ist, desto häufiger wohnt sie nach der Geburt ihrer Kinder noch mit ihrer Mutter oder Schwiegermutter zusammen.
Bei besonders jungen Großmüttern könnte auch die Fortpflanzungskonkurrenz von Belang sein. Wenn sie selbst noch Kinder bekommen können, möchten sie nach Vermutungen der Forscher möglicherweise eher ihr eigenes Kind großziehen als die Kinder ihrer Tochter oder Schwiegertochter.
Daten aus Deutschland standen den Autoren nicht zur Verfügung. Die Forscher schließen jedoch nicht aus, dass es in einigen Industrieländern eine andere Tendenz als in Entwicklungsländern gibt. So erwähnen sie auch Studien für Japan und Großbritannien, die einen positiven Effekt auf die Geburtenrate zeigen. (dpa)