Immer beliebter
Online-Spiele bringen Altenheim-Bewohner auf Trab
Vorsicht, Suchtgefahr: Online-Spiele können eine große Gefährdung für Kinder sein. Doch es gibt auch Spiele, die sehr viel Positives bewirken - etwa für Senioren im Heim.
Veröffentlicht:DARMSTADT. Kliniken und Altenheime werden zunehmend zum Abnehmer von Online-Spielen.
Bei diesen Serious Games steht ein Lern- oder Trainingseffekt im Vordergrund. Ärzte und Informatiker arbeiten bei der Entwicklung eng zusammen. Allerdings fehlen bisher noch Wirksamkeitsstudien.
Die Forschungsgruppe Serious Games der Technischen Universität (TU) Darmstadt arbeitet seit 2008 an Spielkonzepten, bei denen nicht nur die Unterhaltung im Vordergrund steht. Im Altenheim Emilstraße in Darmstadt sind diese Online-Spiele ein Renner.
Etwa zehn Prozent der 160 Bewohner machen regelmäßig mit, die älteste Teilnehmerin ist 84 Jahre alt. Die Spiele erfordern Konzentration, Kraft und Koordination, etwa wenn es darum geht, mit den Füßen einen Ball auf einem Bildschirm zu steuern.
Der Ball muss, wie beim Billiard, in ein Loch. Durch das Hin- und Herwippen werden Fuß- und Beinmuskulatur trainiert. "Wir nutzen die Spiele zur Sturzprophylaxe", sagt Einrichtungsleiter Manfred Held.
Spielen hilft dicken Kindern beim Abnehmen
An den Darmstädter Kinderkliniken wurde ein Projekt gestartet, bei dem Oberarzt Dr. Sebastian Becker eng mit den Spieleentwicklern der TU zusammenarbeitet. Ziel ist, stark übergewichtigen Kindern beim Abnehmen zu helfen.
"Klar, die Kinder könnten auch in den Sportverein gehen", sagt Becker. Doch es handele sich bei seiner Patientengruppe um Kinder, die die meiste Zeit des Tages vor dem Computer oder dem Fernseher verbringen. Es gehe deshalb darum, die Zeit vor dem PC möglichst sinnvoll zu nutzen.
"Taubenflug" heißt das Spiel auf dem Ergometer, bei dem die Kinder, wenn sie kräftig in die Pedale treten, die Vögel über Hindernisse lotsen müssen.
Geplant ist auch, ein digitales Tagebuch einzuführen, um die Kinder bei der Ernährungstherapie zu unterstützen.
Wie die Serious Games bei den Kindern ankommen, muss sich erst noch zeigen. Die Erfahrungen in den Altenheimen sind hingegen positiv.
"Die Senioren knacken ein Schwierigkeitslevel nach dem andern", sagt der Spieleentwickler Sandro Hardy von der TU.
Spielerische Elemente eigneten sich hervorragend, um die Leute dauerhaft bei der Stange zu halten. Am besten klappe es, wenn in der Gruppe trainiert wird. "Der Ehrgeiz entwickelt sich dann oft von allein", so Hardy.
Erst Skepsis, dann Begeisterung
Dem stimmt Jürgen Richter, Vorsitzender der Liga der Freien Wohlfahrtspflege in Hessen zu. Projekte in Pflegeheimen der Arbeiterwohlfahrt hätten gezeigt, dass die lebendige Interaktion in der Gruppe die Kommunikation fördere und das Selbstvertrauen.
Die Skepsis weiche meist schnell der Begeisterung. Er sieht darin auch eine Möglichkeit, das Personal zu entlasten.
Je nach Projekt sind die Serious-Games-Programme ab etwa 10.000 Euro aufwärts zu haben. Um die Kostenträger von den Vorteilen der digitalen Spiele überzeugen zu können, fehlt es derzeit noch an Wirksamkeitsstudien.
"Der Energieverbrauch ist beim realen Sporttreiben intensiver", sagt etwa Josef Wiemeyer vom Institut für Sportwissenschaft der TU Darmstadt. Im koordinativen Bereich könne man mit Spielen hingegen einiges verbessern.
Belege, wie nachhaltig die Wirkung der digitalen Trainingsprogramme ist, gebe es nicht. "Wir brauchen Langzeitstudien mit hohen Fallzahlen", fordert der Kinderarzt Sebastian Becker.