Betreuung Geflüchteter
„ROSA - Rolling Safespace“: Hier kommt die Hilfe per Truck
Seit März 2022 macht der Truck der deutschen Initiative „ROSA - Rolling Safespace“ vor griechischen Flüchtlingscamps Halt, um Mädchen und Frauen einen geschützten Ort und gynäkologische Beratung zu bieten. An Bord sind immer eine Hebamme und eine Ärztin. Doch es geht längst nicht nur um medizinische Fragen.
Veröffentlicht:Athen. Seitdem vor den Toren Europas ein Krieg tobt und tausende Menschen vor Putins Bomben fliehen mussten, ist das Schicksal von Geflüchteten aus anderen Krisenregionen dieser Welt fast ein bisschen in Vergessenheit geraten. Dabei spielen sich in den großen Flüchtlingscamps in Griechenland – mitten in Europa – nach wie vor dramatische Szenen ab. Das Team der deutschen Initiative „ROSA e.V. – Rolling Safespace“ kann davon ein Lied singen.
Die erste ehrenamtliche Crew begann ihren Einsatz auf der griechischen Halbinsel Attika unter denkbar schwierigen Bedingungen Anfang März 2022, als die Aufmerksamkeit der Weltöffentlichkeit auf die Ukraine gerichtet war. „Mit Fördergeldern hatten wir es von Anfang an schwer, da wir als deutsche NGO, die im EU-Ausland tätig ist, in viele Fördertöpfe auch nicht hineinpassen“, blickt Leonie Maier zurück, die das Projekt mit fünf weiteren Freundinnen und Freunden ins Leben gerufen hat. Zudem herrschte in Griechenland im März eine außergewöhnliche Kältewelle. Eis und Schnee erschwerten den Start an den abgelegenen Lagern Ritsona, Oinofyta und Malakasa.
Los ging´s mit einem geliehenen Truck
Den Truck hatte sich das Team damals noch übergangsweise von der Initiative „No Nation Truck“ geliehen. In den Camps leben insgesamt etwa 3.500 Menschen, viele schon seit Jahren, da sich Asylverfahren lange hinziehen.
Allen Widrigkeiten zum Trotz kam das Projekt aber im wahrsten Sinne des Wortes ins Rollen und hat sich mittlerweile zu einer wichtigen Anlaufstelle für hunderte Mädchen und Frauen entwickelt. Mehrmals pro Woche macht der Lkw vor den Camps Halt und hat inzwischen eine richtige „Stammkundschaft“.
Viele Frauen kommen regelmäßig zur medizinischen Beratung, zu Workshops über frauenspezifische Themen wie Schwangerschaft, zu Sportangeboten oder einfach zum gemeinsamen Beisammensein mit Kinderbetreuung. Seit August ist das mobile, rein weibliche Team mit einem eigenen Laster unterwegs, der dank Spenden angeschafft werden konnte. An Bord sind in wechselnder Besetzung immer eine Ärztin, eine Hebamme und eine Übersetzerin sowie weitere Helferinnen.
„Alle sind traumatisiert“
„Der Zuspruch zeigt, wie groß der Bedarf ist und dass es hier bislang eine riesige Lücke in der Versorgung gab“, betont Leonie Maier. Die Lebensbedingungen in den Camps seien nämlich menschenunwürdig, schildert sie: Zu voll, zu wenig Essen, hygienisch fragwürdig und ohne sichere Rückzugsräume. Viele haben bereits sexuelle Übergriffe und Gewalt erlebt. In den Camps selbst sind zwar Hilfsorganisationen wie das Rote Kreuz aktiv. Doch vor allem nicht registrierte, sogenannte „illegale“ Geflüchtete haben es bei der medizinischen Versorgung im öffentlichen Gesundheitswesen häufig schwer.
„Zudem sind in den Camps oft männliche Ärzte. Viele Frauen trauen sich nicht zum Allgemeinmediziner, um über Genitalien zu sprechen“, weiß die Hebamme Charlotte Lieglein, die bereits zwei Mal für mehrere Wochen als Freiwillige im ROSA-Laster unterwegs war. „Als registrierte NGO dürfen wir selbst nicht behandeln, sind aber eine wichtige Schnittstelle: Wir kooperieren eng mit Ärzte ohne Grenzen, füllen Formulare aus, führen Anamnesegespräche und können akute Fälle weitervermitteln.“
Lieglein hat Frauen beraten, die Opfer von Genitalverstümmelung geworden sind, auch diffuse Bauchschmerzen oder Pilzinfektionen im Intimbereich seien häufig. Doch nicht immer sind es akute medizinische Probleme, die im Laster zur Sprache kommen. „Oft geht es auch einfach darum, Stress herauszunehmen, weil in der Szenerie von Kriegsgewirr und Flucht vieles total untergeht und nicht thematisiert werden kann“, schildert sie. „Alle dort sind traumatisiert.“ Dies zeige sich häufig erst nach mehreren Gesprächen, wenn Vertrauen gewonnen ist und die Frauen beginnen, sich zu öffnen. Darum geht die Arbeit von ROSA vor den Toren der Camps weit über das hinaus, was die akute Notfallversorgung drinnen leisten kann. Dennoch gebe es in all dem Wahnsinn auch oft schöne Momente, erzählt Lieglein: „Oft lagen wir uns ohne Sprache in den Armen und haben diese unendliche Solidarität unter Frauen gespürt, die es auch wirklich nur unter Frauen geben kann.“
Verschärfte Security erschwert Arbeit
Erschwert wird die Arbeit der Ehrenamtlichen durch immer strengere Sicherheitsmaßnahmen in den Camps, schildert Gründerin Leonie Maier: „Vielerorts sichern inzwischen Drehkreuze den Zugang, nicht registrierte Geflüchtete kommen so entweder nicht mehr raus – also auch nicht mehr zu unserem Lkw – oder nicht wieder hinein und landen auf der Straße.“ ROSA ist gekommen, um zu bleiben, solange die Initiative gebraucht wird. Und das Team denkt noch größer. „In Zukunft möchten wir mit noch mehr Trucks unterwegs sein und ein ähnliches Modell auch in Deutschland starten. Denn viele Geflüchtete landen auch hier in Auffanglagern, wo sie oft lange festsitzen. Der ganze Zyklus geht dann von vorne los“, berichtet Leonie Maier. Angesichts der vielen Krisen und Konflikte weltweit sieht es leider nicht danach aus, als würde sich das in absehbarer Zeit ändern.
Ehrenamtliche gesucht!
Auch für 2023 sucht „ROSA – Rolling Safespace“ Hebammen und Ärztinnen, die sich eine ehrenamtliche Tätigkeit in Griechenland vorstellen können, idealerweise vier Wochen oder länger. Interessierte wenden sich an crewing@rollingsafespace.org. Weitere Infos: https://www.rolling-safespace.org.