Lance Armstrong

Rasante Talfahrt einer Radsportlegende

Von Lance Armstrong gab es nie zwei positive A- und B-Doping-Proben. "Die Tatsache, dass Athleten ohne positive A- und B-Probe im gleichen Maße beschuldigt werden wie Profis mit positivem Test, pervertiert das System", schreibt der frühere US-Radprofi Lance Armstrong in einer Erklärung. Seine Titel verliert er wohl trotzdem.

Von Pete Smith Veröffentlicht:

In seiner Erklärung kündigt Armstrong an, an dem von der US-Anti-Doping-Agentur USADA angestrengten Verfahren gegen ihn nicht teilnehmen zu wollen. Damit droht dem bis dato erfolgreichsten Radsportler aller Zeiten die Aberkennung seiner sämtlichen Titel seit dem 1. August 1998, darunter seine sieben Erfolge bei der Tour de France zwischen 1999 und 2005.

Armstrongs Einschätzung umreißt das zentrale Problem: Der US-Amerikaner ist niemals positiv getestet worden, zumindest haben das, wie vom Reglement vorgesehen, keine zwei Proben gleichzeitig bestätigt. Dennoch gibt es viele Indizien dafür, dass Armstrong seinem Erfolg tatsächlich mit unerlaubten Mitteln nachgeholfen hat.

Der erste positive Dopingbefund Armstrongs datiert aus dem Jahr 1999, als der damalige Fahrer des Radrennstalls US-Postal erstmals die Tour de France gewann. Ihm und anderen Fahrern wurde mittels eines neu eingeführten Tests damals die Einnahme eines Corticosteroids nachgewiesen, was jedoch folgenlos blieb.

Danach wurde Armstrongs Zusammenarbeit mit dem italienischen Arzt Michele Ferrari bekannt, der in der Radsportszene den Spitznamen "Dottore EPO" hatte und 2004 wegen Sportbetrugs zu einem Jahr Haft auf Bewährung verurteilt wurde.

Ebenfalls 2004 erschien das Enthüllungsbuch "L.A. Confidential - die Geheimnisse des Lance Armstrong" der Sportjournalisten David Walsh und Pierre Ballester, in dem frühere Teamkollegen sowie eine ehemalige Masseurin Armstrong des Dopings mit Erythropoetin (EPO) bezichtigten.

Nachträglich wurden in Urinproben aus dem Jahr 1999 EPO nachgewiesen

Vor sieben Jahren schließlich, am 24. August 2005, berichtete die französische Sportzeitung "L'Equipe" über die nachträgliche Analyse von sechs Urinproben aus dem Jahr 1999, die die Zeitung nach eigenen Angaben eindeutig Lance Armstrong zuordnen konnte, was der Leiter jenes Labors, welches die Proben seinerzeit analysiert hatte, bestätigte.

In den eingefrorenen B-Proben von 1999 fanden sich Spuren von EPO; die Substanz konnte zu dem Zeitpunkt, da die Proben genommen worden waren, noch nicht nachgewiesen werden. Armstrong bestritt die Anschuldigungen postwendend.

Der Welt-Radsport-Verband UCI stellte sich auf seine Seite, während die Welt-Doping-Agentur WADA den Analysen zwar vertraute, gegen Armstrong jedoch ohne zwei gültige Befunde nicht vorgehen konnte.

Am schwersten wiegen Vorwürfe einstiger Kollegen Armstrongs aus neuerer Zeit. Beispielsweise die Aussage von Floyd Landis, der 2006 die Tour de France gewann, dem der Tour-Sieg jedoch ein Jahr später wegen nachgewiesenen Dopings aberkannt wurde.

Im Mai 2010 gab Landis in mehreren Interviews zu, die meiste Zeit seiner Karriere gedopt zu haben - mit EPO, Testosteron, Wachstumshormonen und Insulin. Viele seiner Kollegen hätten es ihm gleich getan - auch Lance Armstrong.

Ein Jahr später brach dann Teamkollege Tyler Hamilton das Gesetz des Schweigens und räumte ebenfalls ein, Jahre lang gedopt zu haben. Auch sein Freund Lance Armstrong habe zwischen 1999 und 2001 auf EPO gesetzt: "Ich sah mehr als einmal, wie er es sich gespritzt hat", so Hamilton.

Sollten Armstrong nun wie von der USADA angekündigt alle sportlichen Titel aberkannt werden, müssten die Siege aus den Jahren 2000, 2001 und 2003 eigentlich dem ehemaligen deutschen Radprofi Jan Ullrich zuerkannt werden, da er in diesen Jahren jeweils Zweiter wurde.

Ullrich jedoch sind erst vor einem halben Jahr aufgrund seiner Verstrickungen in den Skandal um den spanischen Doping-Arzt Eufemiano Fuentes vom Internationalen Sportgerichtshof CAS alle Titel seit dem 1. Mai 2005 aberkannt worden. Auch Ullrich hat bis zuletzt geleugnet, jemals gedopt zu haben.

Lesen Sie dazu auch den Kommentar: Leugnen bis zum Schluss

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Kommentare
Dr. Horst Grünwoldt 28.08.201213:38 Uhr

Recht und Gerechtigkeit

Das wäre ja noch "schöner", wenn sog. Sportgerichte wie der CAS in Lausanne U-Haft und Freiheits-Strafen wie ordentliche Gerichte verhängen könnten! So würde jede zivile Gerichtsbarkeit außer Kraft gesetzt.
Die Eingriffe von Seiten der Sport-Verbände durch sog. Verpflichtungs-Erklärungen in die bürgerlichen Rechte der Athleten -wie sie beispielsweise im sog. "Anti-doping-Kampf" durch WADA/USAD und NADA vorgenommen werden, scheinen mir in vielen Fällen vor keinem ordentlichen Gericht bestand zu haben.
Auch Lance Armstrong, wie Jan Ullrich u.a., mögen durch Drogen-Händler und deren medizinische Handlanger manchmal dem obscuren "doping" auf dem Leim gegangen zu sein. Dennoch haben Sie niemals ihre wiederholten sportlichen Leistungen nachweisbar wg. "dopings", sondern alleine aufgrund ihrer individuellen Klasse erbracht. Wie wäre es sonst möglich, daß Alexander Winukurow "clean" getestet, noch Jahre nach seiner Verbannung aus dem Rennsport 2012 in London überlegener Olympiasieger werden konnte? (Die "doping"-Unken werden jetzt natürlich neue Verdächtigungen und Legenden spinnen über noch nicht nachweisbare "Wunderstoffe", um ihre "Spurensuche" weiter finanziert zu bekommen)
Deshalb sollte bei der Beurteilung der sog. "Doping-Sünder" in keinem einzigen Fall des Laborbefundes einer "verbotenen Substanz" in einer Athletenprobe der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit -wie in allen Lebenslagen- vergessen werden.
Das geschieht aber nach meiner Beobachtung am laufenden Band, und zwar häufig nur, um einen herausragenden Sportler nachträglich und infam vom Sockel zu stürzen.
Die glorreichen Athleten dürfen wegen des möglichen und leichtfertigen Arzneimittel-Mißbrauchs schon gar nicht als Betrüger tituliert werden! Schließlich haben Sie alleine das Risiko der negativen Nebenwirkungen auf Ihren Körper getragen, und damit niemanden sonst als ihr eigenens Konto belastet.
Dr. med. vet. Horst Grünwoldt aus Rostock

Dr. Florian Baier 27.08.201222:16 Uhr

... nicht zu vergessen die strafrechtliche Seite !

der Artikel bringt eine erstklassige Historie der Armstrong-Doping Thematik.
Präziser herausarbeiten könnte man noch den Unterschied zwischen srafrechtlicher (z.b. USA und Frankreich) versus lediglich sportgerichtlicher (z.b. Deutschland und Spanien) Verfolgung von Doping.
Strafrechtlich bedeutet Untersuchungshaft (so wie bei David Millar der als Einwohner seiner Wahlheimat Frankreich einige Tage in französischer U-Haft verbrachte und dann alles gestand) sowie drohende Meineidsklage (s. die Geständnisse der amerikanischen Teamkollegen Armstrongs). Nur durch die französischen Polizeieinsätze wurde das Doping bei der Tour de France im großen Stil aufgedeckt. Das Alles hatte mit den zögerlichen und langwierigen Sportgerichten nichts zu tun. Ähnliches wäre beim Giro oder der Vuelta deshalb nie möglich gewesen.
Und das drohende Strafrecht mit allen rechtsstaatlichen Konsequenzen war es auch, das L.Armstrong in die Knie gezwungen hat. Armstrong ist ein hochintelligenter Taktiker, der erst dann ein Feld aufgibt, wenn der Einsatz zu hoch wird. Und nicht etwa aus allgemeiner Erschöpfung oder Unmut.
Die Sportgerichte sind mehr oder weniger zahnlose Tiger, die maximal eine Sperre verhängen können, aber keine U-Haft und keine Freiheitsstrafe.
Frankreich hat durch die Polizeieinsätze bei der T.de.France den Anti-Dopingkampf überhaupt erst ins Rollen gebracht. Der Sport selbst hätte das nie geschafft. Siehe die völlig passive und nicht vorbildgerechte Haltung zum Thema Doping der absoluten Topathleten Armstrong und Ullrich. Soweit ich weiß hat sich auch der langjährige T.de.France-Chef Jean-Marie Leblanc nie besonders im AntiDopingkampf profiliert.

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