Geschicklichkeit

Schulen Videospiele die Hände von Chirurgen?

Die Generation von Chirurgen, die mit Videospielen aufgewachsen ist, ist dadurch möglicherweise gegenüber älteren Kollegen im Vorteil, behaupten kanadische Forscher. Vor allem bei minimalinvasiven Eingriffen haben computeraffine Operateure offenbar die Nase vorn.

Von Dr. Elke Oberhofer Veröffentlicht:
Manuelle Geschicklichkeit und Fingerfertigkeit sind für die Arbeit eines Chirurgen essenziell.

Manuelle Geschicklichkeit und Fingerfertigkeit sind für die Arbeit eines Chirurgen essenziell.

© Alex / stock.adobe.com

TORONTO. Im November vergangenen Jahres schlug Professor Roger Kneebone, Dozent am Imperial College in London, Alarm: Der Chirurg beklagte in einer Radiosendung, dass die manuellen Fähigkeiten seiner Studenten in den letzten vier, fünf Jahren deutlich abgenommen hätten.

Kneebone führt dies darauf zurück, dass immer mehr Studenten schon im Kindesalter viel Zeit an diversen Bildschirmen verbracht hätten.

Durch den damit verbundenen Mangel an haptischen Erfahrungen fehle es ihnen an Geschicklichkeit, was sich im chirurgischen Alltag in vielen Dingen bemerkbar mache: beim Knotenknüpfen, beim Schneiden und, ganz allgemein, beim „Zusammensetzen von Dingen“. Solche grundlegenden Fähigkeiten, die Studenten in früheren Zeiten automatisch mitgebracht hätten, müssten heute von Anfang Zwanzigjährigen oft erst mühsam erlernt werden.

Komplexität der Chirurgie hat zugenommen

Im Journal der Canadian Medical Association (CMAJ) bricht nun Wendy Glauser eine Lanze für die „Generation Smartphone“: „Die Wissenschaft“, so die Medizinjournalistin, „unterstützt die These der sich verschlechternden chirurgischen Fähigkeiten nicht“ (Can Medical Ass J 2018; online 5. Dezember).

So hätten der kanadische Facharzt für Chirurgie Dr. Teodor Grantcharov von der Universität Toronto und sein Team in mehreren Studien belegt, dass es für Operateure sogar von Vorteil sein könne, wenn sie geübte Videospieler seien: „Für viele Chirurgen ist es eine ganz neue Herausforderung, auf einen Computerbildschirm zu schauen, während man eine Arbeit ausführt“, wird Grantcharov zitiert.

Genau das müsse man aber beherrschen, wenn man minimalinvasiv operiere. Tatsächlich waren in einer simulierten Testaufgabe mit 50 Medizinstudenten – es ging darum, eine stenosierte Nierenarterie zu rekanalisieren – diejenigen im Vorteil, die mindestens zehn Stunden wöchentlich Computerspiele spielten.

In dieselbe Kerbe schlägt Dr. Shady Ashamalla, Spezialist für minimalinvasive Chirurgie am Odette Cancer Centre in Toronto. In seinen Augen hat die Komplexität der Chirurgie in den letzten Jahren aufgrund der technischen Innovationen deutlich zugenommen.

Um erfolgreich laparoskopisch operieren zu können, erläuterte Ashamalla, sei eben nicht nur manuelles Geschick erforderlich, sondern auch die Fähigkeit, „Formen und Dimensionen von einem Bildschirm auf die Realität zu übertragen“.

Echte Kompetenz erwerben

Auch das Team um Zaid Alsafi von der University College London Medical School hat die Erfahrung gemacht, dass sich Computerspiele positiv auf die Geschicklichkeit auswirken: In ihrer Studie waren Spielzeiten von mehr als fünf Stunden wöchentlich mit einem höheren Maß an manueller Geschicklichkeit assoziiert.

Umgekehrt konnte das Team nachweisen, dass Teilnehmer, die weniger spielten, nicht etwa bessere handwerkliche Fähigkeiten hatten (Clin Radiol 2017, 72:9;795.e1-795.e5).

Ungeachtet dessen, was die Studenten mitbringen, ist man im Clinical Simulation Centre der Queens University davon überzeugt, dass es in der Facharztausbildung nicht darum gehen kann, die angehenden Chirurgen im Lauf der Jahre verschiedene Stationen eines Lehrplans durchlaufen zu lassen.

Laut Dr. Dan Howes, dem Direktor des Simulationszentrums, muss die Ausbildung gewährleisten, dass die Studenten dabei echte Kompetenz erwerben.

Die Universität Queens hat dazu bereits einen kompetenzbasierten Lehrplan eingeführt. „Abgesehen davon“, so Howard, „gehört zum Beruf des Chirurgen viel mehr dazu als technisch fit zu sein.“

Viel wichtiger sei es, in schwierigen Situationen die richtigen Entscheidungen zu treffen, zum Beispiel einen geplanten Ablauf an eine unerwartete Situation anzupassen.

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