Seehofer startet die nächste Reform
Lahnstein war ein Kostendämpfungs-Diktat. Mit den Petersberger Gesprächen soll ein Reformprozess im Konsens mit allen Beteiligten eingeleitet werden.
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Auf dem Petersberg, damals Gästehaus der Bundesregierung, führt Seehofer den Dialog mit Akteuren im Gesundheitswesen.
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Bonn, im Januar 1995. Schlosshotel Petersberg: Wo Konrad Adenauer Ende der 40er Jahre als Vorsitzender des Parlamentarischen Rats bei den westlichen Siegermächten zum Rapport erscheinen musste, lädt Bundesgesundheitsminister Horst Seehofer ab Januar 1995 die Organisationen der Ärzte, Krankenkassen, Pharma-Industrie und Apotheker zum Dialog: um eine weitere strukturelle Gesundheitsreform vorzubereiten.
Hatte Seehofer zusammen mit dem SPD-Sozialexperten Rudolf Dreßler zweieinhalb Jahre zuvor hinter verschlossenen Türen in einem Hotel in Lahnstein ein Kostendämpfungspaket mit rigorosen Budgetierungen vor allem für Ärzte und Arzneimittelversorgung vereinbart, so sollte nun auf dem Petersberg ein Dialog starten.
Inhaltlich ging Seehofer von der Voraussetzung aus, dass staatliche Reglementierung, auch in Form vorgegebener Budgets auf die Dauer in eine Interventionsspirale münden müsste.
Zwar hatte er den harten Sparkurs der Ärzte vor allem bei den Arzneiversordnungen stets mitgetragen - dennoch wuchs bei ihm die Sorge, dass die starren Budgets auch zur Rationierung führen könnten.
Gesetze kamen zweieinhalb Jahre später
Als Alternative dazu setzte Seehofer auf mehr Vertragsfreiheiten der Krankenkassen, der KBV und der KVen. Am 27. Januar 1995 schrieb die "Ärzte Zeitung":
"Zukünftig soll es eine Deregulierung des Gesundheitswesens und einen freien Wettbewerb der Krankenkassen geben... Die auf dem Petersberg stattfindenden Gespräche haben den Zweck, die Beteiligten im Gesundheitswesen mit dem Wettbewerbsmodell vertraut zu machen. Ärzteschaft und Kassen haben Zustimmung angedeutet."
Die neuen Freiheiten für die Kassen könnten bedeuten: Die AOK könnte das von ihr favorisierte Hausarzt-Modell umsetzen.
Der BKK-Bundesverband würde die Legitimation bekommen, ein Versorgungsmodell mit kombinierten Budgets für Hausärzte zu realisieren; Hausärzte würden dabei auch - soweit möglich - ökonomische Verantwortung für veranlasste Leistungen erhalten, wenn sich Versicherte vom Hausarzt steuern lassen.
Auch die Finanzierungsgrundlagen der GKV - die Belastungen durch Verschiebebahnhöfe und die Einnahmenschwäche aufgrund der Lohnabhängigkeit der Beiträge - sollte auf den Tisch kommen.
Was im Januar 1995 hoffnungsvoll auf dem Petersberg begann, mündete zweieinhalb Jahre später in die Neuordnungsgesetze. (HL)