Hilfe für muslimische Frauen
Serap Çileli von Peri e.V.: „Wir lassen uns nicht entmutigen“
Peri e.V. setzt sich vor allem für die Rechte muslimischer Frauen ein. Jede Form von Ungleichbehandlung und Unterdrückung wollen Vereinsgründerin Serap Çileli und ihre Mitstreiterinnen bekämpfen.
Veröffentlicht:Erbach. Wenn Serap Çileli ihren Arbeitsalltag als Vorsitzende des Vereins „peri“ beschreibt, dann könnte leicht der Eindruck entstehen, sie berichte aus einem weit entfernten Land: Es geht um Frauen, die in Sorge vor einer Zwangsheirat leben, es geht um Demütigung, Verachtung, körperliche Misshandlungen und eine Wertewelt, in der selbst Ehrenmorde nicht ausgeschlossen sind – und das alles mitten in Deutschland.
Seit vielen Jahren setzt sich die Publizistin Çileli für muslimische Frauen mit Migrationshintergrund ein, die Opfer eines immer noch patriarchalischen Rollenverständnisses geworden sind, fremdbestimmt und oft nicht in der Lage, ihrem sozialen Umfeld zu entkommen.
Serap Çileli, die einst selbst Betroffene einer Zwangsheirat war, hat vor 14 Jahren nach vielen leidvollen Erfahrungen beschlossen, selbst die Initiative zu ergreifen: Sie gründet einen Verein und nennt ihn peri – das bedeutet „gute Fee“. Sie will diesen Namen aber nicht auf sich selbst beziehen, sondern auf die Arbeit ihrer Mitstreiterinnen und Mitstreiter insgesamt. Vision des Vereins ist, dass jeder Mensch die freie Wahl haben muss – sowohl mit Blick auf seinen Lebensentwurf als auch auf seinen Lebenspartner.
Leidvolle eigene Erfahrung
Çileli weiß aus eigener Erfahrung, dass der mit dem Begriff „Zwangsheirat“ umschriebene Status oft nur ansatzweise das Leid betroffener Frauen erahnen lässt. Ihre Eltern lebten seit Ende der 1960er Jahre in Deutschland, blieben aber völlig in ihren türkisch-orthodoxen Wertvorstellungen gefangen.
Die Tochter Serap, 1966 geboren und seit ihrem achten Lebensjahr mit ihren fünf Geschwistern bei ihren Eltern in Deutschland, wurde im Alter von 12 Jahren zunächst zu einer Verlobung mit einem ungeliebten Mann gezwungen. Es folgt ein Selbstmordversuch, die Zwangsverheiratung mit einem anderen Mann in der türkischen Provinz, die Scheidung und schließlich die Flucht aus dem Elternhaus, um der erneuten Zwangsheirat und den Morddrohungen des Vaters zu entgehen.
Die patriarchalischen Denkmuster und damit verbundene Handlungen seien von Überzeugungen geprägt, die mit der Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland und den Menschenrechten unvereinbar seien, sagt Çileli, „aber ich weiß, dass es einen Weg hinaus aus diesem System patriarchaler Gewalt gibt“.
Sie beginnt ein Buch zu schreiben und macht alle ihre negativen Erlebnisse zum Thema. „Es war eine Art Schreibtherapie“ erinnert sich die Publizistin. Immer mehr Frauen mit der gleichen Lebensgeschichte nahmen danach Kontakt mit ihr auf und baten um Hilfe. „Am Ende stand die Idee, mit Hilfe eines Vereins die Probleme in dieser von Angst und Unterdrückung geprägten Lebenswelt anzugehen, Hilfe anzubieten und Öffentlichkeit herzustellen“, sagt sie rückblickend.
Inzwischen hat peri viele professionelle ehrenamtliche Mitarbeiter, die kreativ bemüht sind, Lösungen im Einzelfall zu entwickeln. Dazu gehört auch die Hilfe für junge, oft schwule Männer, die einer Wertewelt ausgesetzt sind, in der Homosexualität verachtet und mit Gewalt bestraft wird. „Wir sind mehr als 80 Mitglieder aus unterschiedlichen Berufen: Ärzte, Gynäkologen, Pädagogen, Erzieherinnen“, sagt Çileli, das sei ein gutes Fundament für diese herausfordernde Arbeit.Bei volljährigen Frauen, die um Hilfe bitten, wird eine individuelle Gefahrenanalyse erstellt und ein Fluchtplan entwickelt, berichtet sie. Peri ist bundesweit vernetzt, die Hilfesuchenden werden vor Ort abgeholt und in der Regel in ein Frauenhaus gebracht. In Einzelfällen sei auch der Aufenthalt in einer Patenfamilie möglich.
Politische Entscheidungsträger kommentieren ihre Arbeit mit großer Wertschätzung, berichtet Çileli, „aber wenn es dann ernst wird, haben wir bisher wenig Unterstützung bekommen“. Der Kampf für ein dringend benötigtes kulturspezifisches und anonymes Schutzhaus des Vereins entwickelte sich viel schwerer als zunächst erwartet. Verhandlungen mit dem Land Hessen und dem Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben sind vorerst auf Eis gelegt, nachdem der Kauf des Hauses bereits akribisch geplant worden war.
Es kann die eigene Nachbarin sein
Serap Çileli ist als Reaktion auf ihre Arbeit immer wieder bedroht worden und stand zeitweise unter Polizeischutz. Sie hat 2005 das Bundesverdienstkreuz erhalten und ist im Laufe der Jahre immer wieder mit Preisen ausgezeichnet worden. Springer Medizin würdigte peri im vergangenen Jahr für besondere Verdienste mit dem Springer Charity Award.
„Wir lassen uns nicht entmutigen“, sagt Serap Çileli – und warnt davor, die Bedeutung ihrer Arbeit als eher untergeordnetes gesellschaftliches Problem zu unterschätzen: „Es wäre naiv zu glauben, dass diese gedemütigten Frauen und Männer mit all ihren schlimmen Erfahrungen weit weg von unserem eigenen sozialen Umfeld leben“, sagt sie: „Nicht selten wohnen diese Menschen im Haus nebenan.“