TV-Kritik
Von Attacke bei Spahn keine Spur
Zwei-Klassen-Medizin in deutschen Arztpraxen? Bei "Hart aber fair" versuchte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn vor allem, niemandem auf die Füße zu treten.
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KBV-Chef Dr. Andreas Gassen, Gesundheitsminister Jens Spahn, Journalistin Anette Dowideit, Professor Gerd Glaeske und Internist Dr. Christoph Lanzendörfer am Montag in der ARD-Talkshow ‚Hart aber fair‘ (v.l.).
© Thomas Bartilla/Geisler-Fotopress/dpa
Dauerbrenner Wartezeit auf einen Arzttermin: Jeder hat dazu seine Kasuistik vom Kassenpatienten, der drei oder mehr Monate braucht, um zu einer Konsultation zum Facharzt vorgelassen zu werden, während der Privatpatient meist binnen weniger Tage zum Zuge kommt.
Dagegen hilft auch keine Evidenz aus einer Reihe von repräsentativen Versichertenumfragen der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, die das Problem unterschiedlicher Wartezeiten für Kassen- und Privatpatienten eher relativieren.
Spahn blieb sibyllinisch
Wer sich von Jens Spahn, seit einer Woche Bundesgesundheitsminister, in der Runde bei Frank Plasberg am Montagabend klare Worte und ein Programm für konkrete Taten erhofft hatte, wurde enttäuscht.
Einerseits "ein Aufregerthema – ja, aber viele Ärzte machen keinen Unterschied zwischen Kasse und privat. Wir dürfen nicht alle Ärzte über einen Kamm scheren."
Auf eine Systemdiskussion GKV/PKV wollte sich Spahn schon gar nicht einlassen – mit dem Koalitionsvertrag ist für ihn das Thema Bürgerversicherung in den nächsten vier Jahren begraben – statt dessen ist "konkrete Versorgungsverbesserung wichtig".
Aber für jemanden, der seit immerhin 16 Jahren im Bundestag sitzt und sich in dieser Zeit ganz überwiegend als Fachpolitiker für Gesundheitspolitik profiliert hat, blieb der Minister ausgesprochen sibyllinisch.
Natürlich gebe es Vergütungsunterschiede zwischen GKV und PKV, man müsse Anreize setzen in der vertragsärztlichen Versorgung und weitere Ausnahmen von der Budgetierung überlegen – für Spahn eine "Dauerbaustelle", die gefahrengeneigt ist.
Denn unbegrenzte Leistung in festen Euro zu bezahlen, setze Anreize, dass mehr gemacht wird, als medizinisch notwendig ist.
"Wo kein Arzt ist, hilft auch kein Geld mehr"
Bei Unterversorgung könnten Leistungs- und Mengenbegrenzungen schon jetzt aufgehoben werden. Und dann die fundamentale Erkenntnis: "Wo kein Arzt ist, hilft auch kein Geld mehr" – etwa in ländlichen, strukturschwachen Gebieten.
De facto verdienten Hausärzte auf dem Land sogar überdurchschnittlich viel Honorar – allerdings um den Preis eines hohen Arbeitseinsatzes.
Aber dort Patienten zu versorgen, könne man Ärzte nicht zwingen, sondern nur bessere Voraussetzungen schaffen: ein verträgliches Maß an Bereitschaftsdiensten, Teamarbeit, Arbeitsmöglichkeiten für den Partner, eine kulturelle Infrastruktur.
Vorsichtig versuchte KBV-Chef Dr. Andreas Gassen Spahn (und das Publikum) darauf einzustimmen, dass die Zukunft womöglich nicht besser werde. Allein die Zahl der Behandlungsfälle sei in den letzten zehn Jahren um zehn Prozent gestiegen.
Aber die Zahl der Studienplätze sei zwischen 1990 und heute von 15 000 auf 10 600 abgebaut worden, während die Zahl angestellter Ärzte in der ambulanten Medizin, die nicht mehr 50 oder 60, sondern maximal 40 Stunden arbeiten, stark steige. Spahn, der auch für den Masterplan Medizinstudium 2020 mit zuständig ist, blieb eine Antwort – einstweilen – schuldig.