Neue App zeigt
Wann und wie oft wir das Smartphone und Apps nutzen
Forscher der Universität Bonn wollen herausfinden, wie viel Zeit Smartphone-Besitzer online verbringen - und vor allem, welche Auswirkungen die permanente Erreichbarkeit im Alltag hat. Dazu haben sie eine spezielle App entwickelt.
Veröffentlicht:FRANKFURT/MAIN. Eben mal schnell geschaut, wie spät es ist, dann kurz die E-Mails gecheckt und auf Facebook geschaut, was es Neues gibt. Auf einer News-App noch Nachrichten gelesen und schon hat es gepiept, und das Smartphone zeigt mir eine neue WhatsApp Nachricht an.
Wir sind mittlerweile fast 24 Stunden online, immer erreichbar und auf dem "aktuellsten Stand". Doch was sind die Nebenwirkungen, andauernd vernetzt zu sein?
Ein Forscherteam der Uni Bonn hat eine App entwickelt, um die Smartphone-Nutzung objektiv zu messen. Wie oft wird das Gerät entriegelt? Wie viel telefonieren wir damit? Welche Apps werden genutzt? Wann gehen wir das erste Mal am Tag online?
"Die "Menthal-App" zeigt dem Nutzer, wie häufig er sein Gerät nutzt und soll so motivieren, den Gebrauch zu reduzieren", sagt Dr. Alexander Markowetz, Junior-Professor für Informatik an der Uni Bonn und Leiter der Menthal-App-Studie.
Bei der Studie werden jedoch keine persönlichen Inhalte aus E-Mails oder SMS aufgezeichnet, sondern nur, wie häufig das Smartphone und darauf verwendete Apps und ähnliches genutzt werden. "Die Daten liegen zudem alle auf Servern an der Uni Bonn", betont Markowetz den Datenschutz, "eine Weitergabe an Dritte ist ausgeschlossen."
Drei Stunden täglich am Handy
Etwa 200.000 Personen haben sich die App bereits heruntergeladen. Komplett ausgewertet wurde die Datenfülle noch nicht, so der Studienleiter. "Wir haben uns aber einmal 5000 Personen herausgegriffen, um einen vorläufigen Eindruck des Nutzungsverhaltens zu bekommen".
"Im Durchschnitt verbringen wir am Tag drei Stunden an unserem Smartphone - Ältere etwas weniger (ca. 1,5 Stunden), Jüngere etwas mehr (ca. 4,5 Stunden).
Dabei wird kaum telefoniert oder SMS geschrieben, sondern hauptsächlich Facebook und WhatsApp genutzt. 55-mal wird das Handy im Durchschnitt freigeschaltet, zwölf Prozent machen dies sogar häufiger als 96-mal, das sind alle zehn Minuten", so Markowetz.
Wie am Geldspielautomaten
"Die Handynutzung ist vertrödelte Zeit, aber das wäre spazieren gehen auch". Das tatsächliche Problem ist jedoch, dass der Arbeitsalltag fragmentiert wird. Wenn man 60-mal am Tag seine Arbeit unterbricht und aufs Smartphone schaut leidet unweigerlich die Produktivität. "Es ist wie eine selbst antrainierte Aufmerksamkeitsstörung", meint der Junior-Professor.
Allerdings sei schwer messbar, was dieses Verhalten mit uns macht, da es keine Kontrollgruppe ganz ohne Handynutzung gibt. Früher hatten wir sogenannte Mikropausen, etwa wenn wir auf den Bus gewartet haben. In dieser Zeit konnten wir in uns hineinhorchen.
Diese Mikropausen sind durch das ständige Mails-Checken abgeschafft worden. Aber wieso macht mich das ständige Mails-Checken, Facebook Anschauen oder Spiele Spielen glücklich, obwohl es absolut unproduktiv ist?
"Bei der ständigen Smartphone-Nutzung passiert dasselbe wie beim Geldspielautomaten: Es wird Dopamin ausgeschüttet, das uns dazu antreibt, immer wieder den E-Mail-Account abzurufen. Dabei handelt es sich nicht um eine rationale Entscheidung."
Ein erster Ansatz, dem Herr zu werden, kann eine "digitale Diät" sein. Das stecke aber noch in den Kinderschuhen, weiß Markowetz. Prominente wie die Amerikanerin Arianne Huffington berichten bereits, dass sie beispielsweise im Urlaub digital fasten und unter anderem kein Social Media nutzen, wie Huffington in einem Interview berichtet.
Andere schränken ihren Handygebrauch örtlich ein und verbannen das Smartphone etwa aus dem Schlafzimmer. Wie beim Junk-Food, heißt es auch bei Junk-Info, verzichten zu lernen. Darüber hinaus sollte auch bei guten Informationen, wie bei gutem Essen, Maß gehalten werden.
Eine weitere Möglichkeit wäre eine Kommunikations-Etikette. "Dabei sind Ansätze, wie nach 19 Uhr keine E-Mails und Anrufe mehr, wie sie einige große deutsche Unternehmen bereits eingeführt haben, nicht zielführend, da diese Maßnahmen die Fragmentierung des Arbeitsalltags nicht erfassen", meint Markowetz.
Er plädiert stattdessen dafür, Dringendes nicht mehr per E-Mail zu kommunizieren. Das würde die Menschen schon enorm entlasten, weil es dann ausreicht, wenn man seine E-Mails nur noch zwei Mal am Tag checkt.