Paul-Ehrlich-Preis

Warum die "TNF-Mafia" eine Auszeichnung verdient

Zwei TNF-Forschern ist jetzt bei einem Festakt in der Frankfurter Paulskirche der renommierte Paul Ehrlich- und Ludwig Darmstaedter-Preis verliehen worden: dem US-Amerikaner Professor Anthony Cerami aus Tarrytown und dem Israeli Professor David Wallach aus Rehovot. Ihre Forschungsleistung gipfelt in der Entwicklung von Arzneien, etwa gegen rheumatoide Arthritis und Psoriasis.

Peter LeinerVon Peter Leiner Veröffentlicht:
Von links nach rechts: Nachwuchspreisträger Professor Tim J. Schulz sowie die beiden Preisträger Professor David Wallach und Professor Anthony Cerami

Von links nach rechts: Nachwuchspreisträger Professor Tim J. Schulz sowie die beiden Preisträger Professor David Wallach und Professor Anthony Cerami

© Uwe Dettmar, Goethe-Universi

FRANKFURT/MAIN. "Wir sind außerordentlich zufrieden mit der Wahl der Preisträger", betonte Professor Thomas Boehm während einer Pressekonferenz vor der Verleihung des Paul Ehrlich- und Ludwig Darmstaedter-Preises.

Boehm ist Direktor am Max-Planck-Institut für Immunbiologie und Epigenetik in Freiburg und neuer Vorsitzender des Stiftungsrates. Er hat das Amt von Professor Harald zur Hausen angetreten, der dem Stiftungsrat jedoch weiterhin angehört.

Die beiden diesjährigen Preisträger hatten, ohne es zu wissen, viele Jahre dasselbe Molekül im Visier.

Wallach forschte damals wie heute am Weizmann Institute of Science in Rehovot in Israel, Cerami zunächst vor allem an der Rockefeller-Universität in New York und dann am Feinstein-Institut für medizinische Forschung, dem Nachfolgeinstitut des von ihm gegründeten Picower Institute for Medical Research.

Heute gehört er zum Management des von ihm gegründeten Unternehmens Araim Pharmaceuticals in Tarrytown.

"Die ‚TNF-Mafia‘ hat sich durchgesetzt"

Cerami, der in den 1970er-Jahren von Parasitosen ausgehend den Tumor-Nekrose-Faktor (TNF) erforschte, bezeichnete das Zytokin zunächst als Cachectin, weil es zum Beispiel bei mit Trypanosomen infizierten Rindern zu extremer Kachexie führt.

Wallach, der die TNF-Rezeptoren entdeckt hat, wählte den Namen Zytotoxin, weil die einzige Funktion des Zytokins, die man damals kannte, die Tötung von Zellen war. 1985 stellte sich dann heraus, dass TNF/Zytotoxin und Cachectin identisch sind.

Bei der Namensgebung habe sich "die TNF-Mafia" letztlich durchgesetzt, so Professor Charles Dinarello augenzwinkernd während des Festaktes. Dinarello ist Mitglied des Stiftungsrates und Paul-Ehrlich-Laureat von 2010. Heute wird "TNF" als Bezeichnung für ein Zytokin gewählt, das Entzündungen hervorruft.

Nach Angaben von Boehm haben Wallach und Cerami, dem auch der Test auf HbA1c zu verdanken ist, während ihrer Grundlagenforschung festgestellt, dass TNF nicht nur Zellen in den Tod treiben kann, sondern offensichtlich auch ein wichtiger Botenstoff im Immunsystem ist.

Mithilfe von TNF könne ein lokales Ereignis im Körper zu einer systemischen Reaktion führen. Die überschießende Synthese des Zytokins habe dann aber mit der ursprünglichen Warnwirkung nichts mehr zu tun.

Die Preisträger haben schließlich erkannt, dass man von der Hemmung der überschießenden Zytokinsynthese einen klinischen Nutzen haben könnte. "Das haben unsere beiden Laureaten in beeindruckender Weise vorhergesehen", so Boehm.

Sie hätten mitgeholfen, dass heute Patienten mit unterschiedlichen Autoimmunkrankheiten von entsprechenden Hemmstoffen profitierten. Inzwischen stehen Fusionsproteine und monoklonale Antikörper zur Therapie etwa bei rheumatoider Arthritis, Psoriasis und Spondyloarthritis sowie chronisch-entzündlicher Darmerkrankung zur Verfügung. Die ersten beiden zugelassenen Präparate waren Infliximab und Etanercept 1999/2000.

Mehr als Arbeit im Elfenbeinturm

Die Arbeiten der beiden TNF-Forscher seien ein gutes Beispiel dafür wie "Forschung im Elfenbeinturm" ganz überraschend eine klinische Anwendung zum Wohle vieler Tausender Patienten liefern könne, sagte Boehm.

Man könne an diesem Beispiel gut erkennen, wie bedeutsam es ist, Grundlagenforschung langfristig, dauerhaft und ohne schnelle Erwartung zu fördern. Boehm: "Diese Entdeckung, die hier gemacht worden ist, wäre ohne konstante ausdauernde Förderung nicht in diese klinische ‚Wunderwaffe‘ umgewandelt worden. Wir sind sehr froh, dass wir die beiden Wissenschaftler auswählen konnten."

Seit 2006 verleiht die Paul-Ehrlich-Stiftung auch einen Nachwuchspreis, der inzwischen mit 60.000 Euro dotiert ist. In diesem Jahr wurde damit der Biochemiker Professor Tim J. Schulz vom Deutschen Institut für Ernährungsforschung in Potsdam-Rehbrücke ausgezeichnet.

Mit dem Preis wird Schulz für seine medizinische und ernährungsphysiologische Grundlagenforschung zu braunem und weißem Fett geehrt. Der Forscher erhalte den Preis "im Prinzip nicht nur für eine herausragende Arbeit, sondern für eine Reihe von besonderen Entdeckungen auf dem Gebiet des Energiestoffwechsels", so Professor Florian Greten in seiner Laudatio.

Greten ist Wissenschaftlicher Direktor des Georg-Speyer-Hauses in Frankfurt am Main, dessen erster Direktor Paul Ehrlich war. Die Entdeckungen von Schulz hätten zum einen eine hohe Relevanz für das Verständnis der komplexen Vorgänge beim Altern und der Folgen von Übergewicht.

Zum anderen deckten sie interessante neue Therapiestrategien in diesen Zusammenhängen auf. So habe Schulz gezeigt, dass ein Antidiabetikum die Knochenheilung verbessert, indem es in die vermehrte Bildung von Fettzellen im Knochen eingreift.

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