B(r)otschafter

Was die feine Nase des Brotsommeliers alles riecht

Noten von Karamell, Kaffee, Popcorn: Sommeliers sind vor allem bei Wein bekannt. Es gibt sie auch für Brot: Als „B(r)otschafter“ kennen sie sich bei Kruste und Krume aus – und bieten Brot-Proben an.

Von Birgit Reichert Veröffentlicht:
Stefan Keller, Bäckermeister und Brotsommelier, riecht an einem frischen Brot.

Stefan Keller, Bäckermeister und Brotsommelier, riecht an einem frischen Brot.

© Andreas Arnold / dpa

Bingen/Gomaringen. Für Stefan Keller ist Brot nicht nur braun und lecker. Er sieht bei Kruste und Krume direkt ein Farbspiel zwischen kastanienbraun und goldgelb. Er riecht Aromen von Karamell, Kaffee bis Popcorn und schmeckt Walnuss- und Mokkanoten heraus. „Brot ist ja viel mehr als einfach nur ein Grundnahrungsmittel“, sagt er. „Wenn man sich darauf einlässt, stellt man fest, wie vielfältig die Unterschiede zwischen Broten sind.“ Keller muss es wissen: Er ist Brotsommelier und häufig mit Brot-Verkostungen im Land unterwegs.

480 Stunden Weiterbildung

Mit seiner Expertise zählt der Bäckermeister aus Frei-Laubersheim in Rheinland-Pfalz (Kreis Bad Kreuznach) zu einem überschaubaren Kreis. Bislang gebe es in Deutschland 88 Brotsommeliers, drei in Österreich sowie jeweils einen in Südtirol und in der Schweiz, sagt der Direktor der Akademie Deutsches Bäckerhandwerk, Bernd Kütscher, in Weinheim an der Bergstraße. Er hat die 480 Stunden umfassende Weiterbildung erfunden, die seit 2015 angeboten wird. In Rheinland-Pfalz gibt es bisher drei „geprüfte Brotsommeliers“.

Die Nachfrage nach den Kursen sei groß - und wachse weiter: „In der Regel wartet man eineinhalb bis zwei Jahre auf einen freien Platz im Kurs“, sagt Kütscher. „Brot ist ein Kulturgut, das zunehmend wieder an Bedeutung gewinnt.“ Die Corona-Krise habe den Trend zu regionalen Produkten noch verstärkt. „Dazu kommt das Thema Nachhaltigkeit und Klimawandel. Ein gut gebackenes Brot vom regionalen Bäcker ist für mich die beste Antwort auf die Herausforderungen unserer Zeit.“

88 Brotsommeliers gibt es in Deutschland. Die Weiterbildung ist begehrt: Die Wartezeit für einen Kurs beträgt eineinhalb bis zwei Jahre.

Keller (57) war gleich im ersten Kurs 2015 mit dabei: Dort lernte er alles zur Geschichte des Brotes und Sorten – plus wie man Brot sehen, riechen, ertasten, schmecken und in der eigenen „Weinheimer Brotsprache“ beschreiben kann. „Als Brotsommelier ist man Brotexperte und sollte gut Bescheid wissen.“ Zudem sei man „Brotbotschafter“, um das Wissen zu vermitteln. Das tut der Lebensmitteltechniker, der in Weinheim die Prüfungskommission für neue Sommeliers leitet, in diversen Kursen und Proben bei Bäckereien und Verbänden. Beim Brot seien die Deutschen eben Weltmeister: „Wir haben die meisten Brotsorten“, sagt Keller. Rund 3200 Brotspezialitäten sind es nach Angaben des Deutschen Brotinstituts in Berlin.

Unesco-Kulturerbe

Und: Die deutsche Brotkultur sei seit 2014 als immaterielles Unesco-Kulturerbe anerkannt. „Das zu schützen und auch weiter zu tragen, das wollen die Brotsommelier auch“, sagt Keller, der aus einer Bäckerfamilie stammt und in Bingen bei einem Backzutatenhersteller arbeitet.

Der heutige Markt mit Backwaren sei bunt: Vor allem Discounter mit Backstationen seien in den vergangenen Jahren stark ins Geschäft gekommen. „Dieser Trend wird sich fortsetzen“, sagt der Sommelier. Auf der anderen Seite sieht er einen Trend zu qualitativ hochwertigen Broten – und zu einer neuen, jüngeren hippen Bäckergeneration wie die „Wildbakers“ in Baden-Württemberg.

Unter diesem rockigen Label machen Bäckermeister Johannes Hirth aus Bad Friedrichshall (Landkreis Heilbronn) und Jörg Schmid aus Gomaringen (Landkreis Tübingen), auch ein Brotsommelier, mit coolen Backideen und Produkten auf sich aufmerksam. Keller meint: „Gutes Brot ist die günstigste Form von Luxus.“ Das mittlere Segment – also mittelmäßige Backwaren für teuer Geld – werde über kurz oder lang verschwinden.

„Wenn man ein Brot sieht, kann man sagen, es ist rund oder es ist lang“, sagt Keller, gebürtig aus Idar-Oberstein. „Man kann aber auch sagen, es ist urig, es ist bauchig oder knautzig.“

Worte zu suchen und zu finden, das mache den Teilnehmern bei Brot-Verkostungen immer mega Spaß. „Man entdeckt das Brot quasi gemeinsam neu.“ Und dann gebe es noch das „Foodpairing“ – wo es darum geht, welches Brot zu welchem Wein, Käse oder Bier passe.

Man denke immer, Baguette und Rotwein würden so gut zusammenpassen, sagt Keller. Aber: „Der Rotwein dominiert das Baguette.“ Besser sei „ein Ölsaatenbrot, wo Nuss- und Röstnoten drin sind. Das ergänzt sich mit den Fruchtnoten des Weines und wird dann gemeinsam zu einem Mehr.“

Und die populäre Annahme, Brot mache doch dick. „Das ist falsch. Nicht Brot macht dick, sondern das, was drauf ist. Oder die Menge.“ (dpa)

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