Kommunikation

„Wenn Corona erst vorbei ist ...“ – Geflügelte Worte in der Krise

In diesem Jahr gibt es Aussagen und Fragen, von denen wir nie gedacht hätten, dass sie uns so oft über die Lippen kommen: Corona-Sätze wie „Bleiben Sie gesund “ oder „Sind Sie das Ende der Schlange?“.

Von Marco Krefting Gregor Tholl Veröffentlicht:
Die Standardfrage derzeit: „Hast du deine Maske dabei?“

Die Standardfrage derzeit: „Hast du deine Maske dabei?“

© Hauke-Christian Dittrich/dpa

Berlin. Das Coronavirus ist 2020 das Gesprächsthema schlechthin, auch wenn sich manche Familien und Freundeskreise schwören, das Thema bei Treffen außen vor zu lassen. Es klappt kaum. Corona ist das neue Wetter. Das heißt: Nein, es ist nicht das neue Wetter. Denn das Thema Wetter ist ja für seine weitgehende Unverfänglichkeit bekannt – und Corona ist das keineswegs.

Man sollte etwa lieber erstmal ausloten, ob das Gegenüber womöglich Verschwörungstheorien anhängt. Das könnte selbst bei alten, engen Freunden oder Verwandten anstrengend und unangenehm werden.

Eine Beispielsammlung

Neben Wörtern, die plötzlich zum allgemeinen Sprachgebrauch gehören (Lockdown, Shutdown, Superspreader) gibt es typische Sätze, die vor 2020 eigentlich niemand gesagt hätte – eine Beispielsammlung „in diesen Zeiten“, „aufgrund der aktuellen Situation“:

  • Familie & Freunde: „Wir haben schon Schlimmeres überstanden“, sagte der Opa. Und Oma ergänzte: „Also, auf mich müsst ihr keine Rücksicht nehmen.“ Eltern jammerten: „Homeschooling nervt.“ Und manch einer gab sich erstaunt: „Dass man alles so anhalten könnte, das hätt‘ ich nie für möglich gehalten.“ Umweltbewusste staunen: „Wie viel Müll wir produzieren, wenn wir den ganzen Tag zu Hause sind.“ Frühe Masken-Fans verkündeten: „Ich will andere nicht gefährden.“ Beim Einkaufen lautet noch immer die Standardfrage: „Hast du deine Maske dabei?“ Und immer wieder hört man vor Geschäften, wenn der Laden gerade voll ist: „Sind Sie das Ende der Schlange?“
  • Schimpfen: Als es um die Kontaktbeschränkungen ging, hatten manche Zweifel: „Das hätte man auch nicht gedacht, dass man sowas mal mitmachen würde.“ Und wenn einige vor der zweiten Welle warnten, kam rasch der Einwand: „Das grenzt jetzt aber auch schon etwas an Panik.“ Auch Überdruss äußerte sich in vielen Sätzen: „Ich kann Corona nicht mehr hören“ oder „Für mich reicht’s jetzt langsam auch mal.“ Im Zuge der Lockerungen kam dann aber auch schnell Lockdown-Nostalgie auf: „Ich mochte die Ruhe.“ Oder: „Ach, war das schön in der Hoch-Zeit von Corona, als nicht zehn Minuten der „Tagesthemen“ mit Fußball zugemüllt waren.“
  • Arbeitsplatz: Auch im Job hielt das Virus Einzug. Sprachpingel erwähnten gerne, dass man „Homeoffice“ in England nicht kenne – dort heißt ja das Innenministerium so. Anweisungen aus der Chefetage zur Wiederbesiedlung von Großraumbüros kamen stets mit dem Hinweis „natürlich immer unter Berücksichtigung der Corona-Regeln“. Und präventiv wurde schon an die Gesundheit der Mitarbeiter gedacht und dass in diesen Zeiten manche mit der neuen Lockerheit ein Problem haben könnten: „Wem das alles nicht geheuer ist, bitte rechtzeitig Bescheid geben“. Zur Grußfloskel in E-Mails wurde: „Bleiben Sie gesund.“ Eine der meistgehörten „neuen“ Fragen im dienstlichen Kontext kennen alle, die auf Videokonferenzen umgestiegen sind: „Könnt ihr mich hören?“. Und auch nach Wochen im Corona-Arbeitsmodus hört man immer wieder - ein inzwischen leicht genervtes - „Du musst das Mikro anmachen!“.
  • Freizeit: Wer nach Feierabend mit Freunden oder Verwandten telefonierte, stellte vor allem in der Phase der akuten Corona-Beschränkungen fest: Es gibt nicht viel zu erzählen. Außer Corona und was man daraus macht, fehlten ein bisschen die Themen. Alles andere als wegweisende Aussagen waren etwa „Irgendwie passiert im Moment ja auch nichts.“ Oder es ging um neue Hobbys. So fachsimpelte mancher über die neue Leidenschaft fürs Grüne und für Pflanzen: „Wir sind so froh, dass wir den Garten haben!“ Und sicher schien: „Clubs werden das Letzte sein, was wieder aufmacht.“
  • Essen: „Ich backe viel mehr als früher“ oder „Selbst gemacht ist ja meistens viel leckerer als im Restaurant“ wurden beleibte, äh, beliebte Aussagen. Endlich, so die Selbstauskunft, nahmen sich viele Zeit für Hefeteig, fünfschichtige Torten oder andere stundenlange Zubereitungen. Überhaupt war Essen nach Corona und Wetter das Hauptthema - wohl auch, weil hier trotz Zuhausebleibens jeder mitreden konnte. Nach den Lockerungen seufzten viele: „Ich habe am meisten das Essengehen vermisst“.
  • Verkehr: Dass das vermehrte Arbeiten zu Hause auch Folgen für die Mobilität hat, merken einige nicht nur an ein paar Kilogramm mehr (die auch durch den Kochtrend begründet sind). Aus Sorge vor einer Infektion verkündete der eine oder andere: „U-Bahn-Fahren muss für mich jetzt nicht unbedingt sein.“ Wobei das Verkehrsmittel auch durch Bus oder Bahn ersetzt werden kann. Hingegen boomte das Zweirad – alleine und mit Abstand gut zum Sporttreiben zu gebrauchen. „Wir waren viel mehr mit dem Fahrrad in der Natur, ist ja auch deutlich entspannter als Shoppen zu gehen in der Freizeit.“
  • Reisen: Folgt man den Gesprächen, vermissen viele Leute Fernreisen. Allen Klimaschützern zum Trotz lechzen sie nach Sonne, Strand und Meer oder Dschungel-Feeling. Viele planen 2020 stattdessen einen Inlandsurlaub nach dem Motto: „Auch die Rhön ist schön“, „Rügen ist das neue Mallorca“ oder „Wir fahren in die Schweiz, also die Fränkische“ (oder Sächsische et cetera). Während einige schwärmen und träumen, andere maulen und trauern, wird die ausfallende größere Reise zu einer Art Running Gag: „Und wo machst du dieses Jahr Urlaub, höhö?“.

Und nicht nur in diesem Zusammenhang hört man mittlerweile immer häufiger einen Satz, der von Resignation und Hoffnung gleichermaßen zeugt: „Wenn Corona vorbei ist ...“

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