Neuer Report enthüllt
Wie US-Psychologen der CIA beim Foltern halfen
Ein aktueller Report erhebt schwere Vorwürfe gegen den wichtigsten US-Psychologenverband: Ranghohe Mitglieder sollen Geheimdienste und Militärs bei Foltermethoden unterstützt haben.
Veröffentlicht:WASHINGTON. Die dunklen Schatten der Bush-Ära suchen nun auch den wichtigsten US-Psychologenverband heim: Ein aktueller Report wirft der American Psychological Association (APA) vor, nach den Anschlägen von 11. September gemeinsame Sache mit Geheimdiensten und Militärs gemacht zu haben, als es darum ging, "verschärfte Verhörmethoden" (harsh interrogations) wie Waterboarding und Schlafentzug zu rechtfertigen und psychologisch zu begleiten.
Offenbar sind führende Mitglieder der APA dafür bezahlt worden, den Folterpraktiken der CIA einen legitimen Anstrich zu verpassen, stellt die "New York Times" fest, die den Bericht zuerst veröffentlich hat.
Die APA hat sich inzwischen für ihre Zusammenarbeit mit Geheimdiensten und Militärs entschuldigt.
Folterspezialisten entwickeln Verhörprogramm
Darin wurden nicht nur eine Reihe brutaler Verhörmethoden beschrieben, es deutete sich auch an, dass US-Psychologen eine unrühmliche Rolle dabei spielten.
Die APA beauftragte schließlich das Anwaltsbüro Sidley Austin in Chicago mit dem Antikorruptionsexperten David Hoffman, um die Verwicklungen der Organisation und ihrer damaligen Führung mit Geheimdiensten und Militärs aufzuklären.
Zu diesem Zweck wurden rund 50.000 Dokumente ausgewertet und 148 Personen befragt. Der 542 Seiten lange Bericht ist nun auch auf der Homepage der APA zu lesen.
Wie die "New York Times" erläutert, entstand die Zusammenarbeit zwischen der APA und dem Geheimdienst, nachdem CIA-eigene Psychologen die "verschärften Verhörmethoden" kritisiert hatten.
Auslöser war die Anstellung des Air-Force-Psychologen James Mitchell ein Jahr nach den Anschlägen.
Er hatte zuvor US-Soldaten in einem Spezialprogramm mit simulierten Folterungen auf eine mögliche Gefangenschaft vorbereitet.
Ethische Richtlinien flexibler handhaben?
Dieser Mann sollte nun das ganz reale Verhörprogramm der CIA entwickeln und betreuen, er gilt zusammen mit seinem Luftwaffen-Kollegen Bruce Jessen als Architekt der brutalen Verhörmethoden.
Mitchells Rolle schien einigen Psychologen und Medizinern im Geheimdienst aber nicht zu gefallen.
So wurde intern die Frage aufgeworfen, ob es für Psychologen ethisch überhaupt vertretbar sei, sich an den Folterungen an Terrorverdächtigen zu beteiligen.
Der Verantwortlichen in der CIA waren offenbar der Auffassung, dass ethische Richtlinien, wie sie für den Umgang mit Patienten gelten, nicht auf Terrorverdächtige anzuwenden seien.
Um die Unruhe in den eigenen Reihen zu beenden, holte sich die CIA Rat von außen - und fand bei dem bekannten Psychologen Mel Gravitz Unterstützung.
Gravitz, der bereits als Berater auf der Gehaltsliste des Geheimdienstes stand und zuvor schon für die NSA gearbeitet hatte, stellte laut Report fest, dass sich Psychologen auch ihrer Nation verpflichtet fühlen müssten und ihre ethischen Richtlinien unter den gegeben Umständen etwas flexibler handhaben sollten - er hatte also schlicht keine Bedenken gegen die Beteiligung von Psychologen an den Verhören.
Besonders pikant ist dabei, dass Gravitz auch mit dem Ethik-Panel der APA zusammengearbeitet hat.
Funktionäre auf der CIA-Gehaltsliste
Zwei Ex-Präsidenten der APA waren ebenfalls als Berater für die CIA aktiv. Der eine, Joseph Matarozzo, erläuterte dem Berater-Komitee, dass er Schlafentzug nicht als Folter betrachte.
Laut New York Times bekam Matarozzo später Anteile jener Firma, die Mitchell und Jessen gegründet hatten, um der CIA ihre Verhörtechniken zu verhökern.
Dennoch gaben die Kritiker im Geheimdienst keine Ruhe, und so kam es 2004 zu einem vertraulichem Treffen zwischen APA und der CIA, das in die Gründung einer gemeinsamen Task Force mündete.
Diese sollte klären, ob die Beteiligung von Psychologen bei den Verhören ethisch vertretbar ist.
Wie der Report feststellt, wurde die Task Force jedoch vor allem mit Insidern besetzt, die für Sicherheitsbehörden arbeiteten, um dann ein Jahr später zum Schluss zu kommen, dass die Beteiligung von Psychologen bei den "verschärften Verhörmethoden" ethisch unbedenklich sei.
Statements mit Pentagon abgesprochen
Noch weiter ging die Zusammenarbeit des Psychologenverbandes mit dem Pentagon.
Führende Mitglieder der APA hätten sich den Militärs regelrecht angebiedert und dafür gesorgt, dass die Ethikrichtlinien des Verbands aufgeweicht wurden, um den Bedürfnissen von Militär und Geheimdiensten zu entsprechen, heißt es in dem Report.
Besonders in der Kritik steht der Ethik-Direktor der APA, Stephen Behnke. Er habe relevante öffentliche Statements der APA mit einem führenden Militärpsychologen abgesprochen.
Dafür bekam er vom Pentagon offenbar einen gut dotierten Vertrag, um Verhörspezialisten fürs Militär psychologisch auszubilden, was er der APA allerdings nicht mitteilte. Inzwischen wurde er vom Verband gefeuert.
Doch nicht nur persönliche Gründe spielten in diesem geheimen Netzwerk von APA-Funktionären, Militärs und Geheimdiensten eine Rolle.
So unterstützte die CIA die APA auch bei Kongressen: "Die CIA zahlte Zehntausende Dollar für die Organisation von Konferenzen und für die Reisekosten von Teilnehmern. Solche Konferenzen ermöglichten es der APA, ihre Bedeutung und Führung im Bereich der Psychologie kenntlich zu machen", heißt es im Hoffman-Report.
Enge Beziehungen zum Pentagon
Man habe die Beziehung zur CIA mit Blick auf weitere Unterstützung ausbauen wollen, schlussfolgern die Autoren des Berichts.
Dagegen gab es mit dem Pentagon schon seit Längerem enge Beziehungen.
Hier bestand das Interesse der APA laut Report vor allem darin, das Berufsbild aufzuwerten, indem man Psychologen als unentbehrlichen Teil militärischer Operationen darstellte.
Die APA-Verantwortlichen wollten also "das Wachstum ihrer Profession fördern, indem sie Militär- und Geheimdienstpsychologen unterstützten. Sie hatten nicht vor, ihre Arbeit in irgendeiner Weise zu behindern", heißt es im Bericht.
Hilfreich waren hierfür auch persönliche Beziehungen. So war ein APA-Mitglied, das die ethischen Richtlinien der Organisation mitentwickelte, mit einem Militärpsychologen verheiratet, der die Folterungen in Guantanamo offen befürwortete.
Solche Interessenkonflikte seien bewusst ignoriert worden, schreiben Hoffman und Mitarbeiter.
"Der Hoffman-Report offenbart ein zuvor unbekanntes und höchst problematisches Ausmaß an geheimen Absprachen … zwischen einer kleinen Gruppe von APA-Repräsentanten und Regierungsmitarbeitern", gibt die APA in einer Pressemitteilung zu.
"Unsere internen Kontrollmechanismen haben versagt. Es war nicht Absicht der Organisation, menschenunwürdige Verhörtechniken zu ermöglichen oder zu Menschenrechtsverletzungen beizutragen, aber dies könnte das Ergebnis gewesen sein."
"Verrat an ethischen und rechtlichen Prinzipien"
Als eine erste Konsequenz aus dem Report hat die APA ihre umstrittenen Empfehlungen der Task Force aus dem Jahr 2005 zurückgezogen.
Diese hatten es Psychologen erlaubt, sich an den "harsh interrogations" zu beteiligen.
Ein interner Untersuchungsausschuss empfahl der APA nun, weitreichende Konsequenzen aus den Vorfällen zu ziehen.
So solle klargestellt werden, dass sich ihre Mitglieder an militärischen oder geheimdienstlichen Verhören nicht mehr beteiligen, auch wird die Einrichtung einer Reihe von Kontrollgremien empfohlen, die ethische Richtlinien und finanzielle Verstrickungen der Organisation und ihrer Mitglieder besser überwachen.
So mancher im US-Gesundheitswesen traut den Selbstheilungskräften des Psychologenverbands aber nicht.
Die Vereinigung "Ärzte für Menschenrechte" (Physicans for Human Rights) fordert strafrechtliche Ermittlungen gegen die APA-Verantwortlichen und eine gründlichere Aufklärung ihrer Verstrickungen.
Die Verstrickungen der APA mit den Sicherheitsbehörden werden darin als einer der größten medizinischen Skandale in der US-Geschichte bezeichnet.
Wie es aussieht, wird die APA an diesem Skandal noch eine Weile zu knabbern haben.