Positionspapier des Kassenverbands
AOK: Mehr Kompetenzen und wirtschaftliche Verantwortung für Therapieberufe
Der AOK-Bundesverband möchte die Autonomie der Therapieberufe in der Versorgung ausweiten. Der Preis dafür: „vollumfängliche“ wirtschaftliche Verantwortung von Physiotherapeuten und Co.
Veröffentlicht:Berlin. Der AOK-Bundesverband will eine Fortentwicklung der ambulanten Heilmittelversorgung anstoßen. Das am Montag veröffentlichte Positionspapier der AOK-Familie dürfte bei den Therapeuten nur in Teilen ein positives Echo finden. Der Zeitpunkt ist kein Zufall: Am Mittwoch hat der Spitzenverband der Heilmittelverbände zum „Therapiegipfel“ eingeladen. Thema: „Die Zukunft der Therapie im Wahljahr 2025“.
In seinem Papier formuliert der Kassenverband ein Stoppschild: Allein um eine bessere Vergütung für die Therapeuten könne es nicht gehen. Seit 2015 hätten sich die Ausgaben für die Heilmittelversorgung in der GKV von sechs auf zwölf Milliarden Euro im vergangenen Jahr verdoppelt. Weitere Ausgabensteigerungen „ohne erkennbaren Mehrwert für die Heilmittelversorgung“ lehne man daher „grundsätzlich“ ab, heißt es in dem Papier. Stattdessen müssten „Qualität, Nachhaltigkeit und Effizienz“ der Reformschritte in den Mittelpunkt gestellt werden.
Ausbildungsreformen nachholen: Seit Jahren haben Bundesregierungen unterschiedlicher Couleur neue Berufsgesetze angekündigt. Für Ergotherapeuten stammt das Berufsgesetz aus dem Jahr 1976, für Logopäden aus dem Jahr 1980. Für die Physiotherapeuten hat Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach bislang nur den Entwurf für ein neues Berufsgesetz vorgelegt, das alte datiert auf 1994 zurück. Der AOK-BV spricht sich dafür aus, Zertifikatsleistungen in die Ausbildung zu integrieren – bisher müssen Absolventen viele kostenintensiven Weiterbildungen machen, um bestimmte Leistungen erbringen und abrechnen zu dürfen.
Teilakademisierung vorantreiben: Als „unabdingbar“ wird ein Nebeneinander von fachschulischer Ausbildung und Teilakademisierung bezeichnet – diese ist im Entwurf des neuen Berufsgesetzes für Physiotherapeuten angelegt. Durch die Verstetigung der akademischen Ausbildungsoption könnten „wissenschaftliche Strukturen entstehen, die Forschung und Ausbildung international anschlussfähig machen“, heißt es. In der Mehrzahl der Nachbarländer sind die Ausbildungsgänge durchgehend akademisiert.
Schulgeldfreiheit verankern: Dies sei wichtig für die Attraktivität der Ausbildung. Finanziert werden sollte dies allerdings über Steuern, da es sich um eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe handele.
Mehr Autonomie für Therapieentscheidungen: Angesichts fehlender Ausbildungsreformen sei es nach wie vor geboten, dass die Indikation von einem Arzt oder einer Ärztin gestellt wird. Schrittweise sollten die Therapieberufe aber mehr Raum für eigene Therapieentscheidungen erhalten. Die Blankoverordnung, die im April in der Ergotherapie und Anfang November in der Physiotherapie gestartet ist, sei dafür der richtige Weg. Dagegen wird der Direktzugang von Patienten zu den Therapeuten vor dem Hintergrund der unterschiedlichen Ausbildungsstandards als „wenig sinnvoll“ bezeichnet.
Wirtschaftliche Verantwortung: Mehr Teilhabe an der Therapie müsse auch mit der Übernahme der wirtschaftlichen Verantwortung der Heilmittelerbringer einhergehen. Sie müssten „vollumfänglich“ in die wirtschaftliche Verantwortung eingebunden werden durch eine entsprechende Regelung im SGB V.
Etablierung von Heilmittelversorgungszentren: Die Therapeuten sollten künftig auch in Primärversorgungszentren oder in sogenannte Heilmittelversorgungszentren eingebunden werden. Dort könne dann eine Spezialisierung beispielsweise auf neurologische oder geriatrische Erkrankungsbilder stattfinden.
Mit der AOK rechnen nach deren Angaben bundesweit 71.000 Heilmittelpraxen ab, im Jahr 2015 waren es noch 66.000. Die Zahl der dort behandelten Patienten stieg im gleichen Zeitraum von 4,9 auf 5,1 Millionen. (fst)