Affenversuche spalten Bremer

Professor Andreas Kreiter kämpft unverdrossen weiter dafür, seine Tierversuche fortsetzen zu dürfen. Tierversuchsgegner werden in ihm vermutlich immer ein Feindbild sehen. Da kann er machen, was er will.

Christian BenekerVon Christian Beneker Veröffentlicht:
Ein Makake im Laborstall der Universität Bremen. Fotos von den Tierversuchen dürfen nicht gemacht werden.

Ein Makake im Laborstall der Universität Bremen. Fotos von den Tierversuchen dürfen nicht gemacht werden.

© Uni Bremen

BREMEN. Leiden die Versuchstiere, oder leiden sie nicht? Vor allem um diese Frage dreht sich ein Streit um die Makakenversuche des Bremer Neurobiologen Professor Andreas Kreiter.

Der Biologe will wissen, was im Hirn geschieht, wenn ein Tier seine Aufmerksamkeit einer Sache zuwendet. Gehirnzellen bekommen typischerweise elektrische Signale von tausenden anderer Hirnzellen, die sich auf viele, ganz unterschiedliche Informationen beziehen, so Kreiter.

Kreiter implantiert Mikroelektroden ins Makakengehirn

"Aber wie können Nervenzellen gerade die Signale jener kleinen Gruppe selektiv verarbeiten, die Informationen über den Gegenstand der Aufmerksamkeit bereitstellt, während viele andere Zellen ebenfalls Signale schicken, die aber ignoriert werden?"

Die Auswahl bestimmter Zellen geschehe durch Übereinstimmung von oszillatorischen Schwingungen der Nervenzellen untereinander. "Sender- und Empfängerzelle synchronisieren sich auf der gleichen Frequenz." Um diese Annahme zu prüfen, implantiert Kreiter Makaken Mikroelektroden ins Gehirn, die die elektrischen Schwingungen messen.

Kann die Versuche vorerst fortsetzen: Neurobiologe Professor Andreas Kreiter.

Kann die Versuche vorerst fortsetzen: Neurobiologe Professor Andreas Kreiter.

© Uni Bremen

Er sieht zukünftige Anwendungsmöglichkeiten neurowissenschaftlicher Forschungsergebnisse, die an Makaken gewonnen wurden, etwa bei der Therapie von Epilepsie-Patienten oder in der Neuroprothetik. Für den Deutschen Tierschutzbund, allen voran seinen Präsidenten, den Bremer Wolfgang Apel, sind Kreiters Experimente "abscheuliche Tierquälerei".

"Die Tiere werden darauf trainiert, aus ihrem Haltungsraum in den Affenstuhl, eine Plexiglasbox mit Kopföffnung, zu klettern, den Kopf durch die Öffnung zu stecken und zu erlauben, dass Kopfbewegungen während der Messungen verhindert werden", so Kreiter.

Bremen hat Genehmigung aus ethischen Gründen nicht verlängert - Kreiter klagte

Dabei verbinden sie die Belohnung (Apfelsaft) mit der zu erbringenden Leistung, "die es zum Beispiel erfordert, ruhig und konzentriert immer dann eine Taste zu drücken, wenn eine sich verändernde Form auf dem Bildschirm wieder ihre am Anfang des Durchgangs gezeigte Ausgangsform annimmt."

Kreiter arbeitet derzeit mit gerichtlicher Versuchsgenehmigung, weil Bremen die Genehmigung aus ethischen Gründen nicht verlängert hat. Kreiter klagte. Das Bremer Oberverwaltungsgericht hat ihm in einer ersten Entscheidung Recht gegeben. Das Verfahren läuft aber weiter.

Der Streit um die Versuche ist auch zum Streit um Bilder und Begriffe geworden. Manchem Tierschützer schmerzt offenbar der Kopf, wenn er die Affen in der Versuchsapparatur sieht. Der Nutzen der Experimente sei die "Qual" der Tiere nicht wert. Tierschützer sprechen von "Dursten" und "Fixieren" bei den Experimenten und der "Tötung" der Tiere. Kurz: Die Tiere litten.

Wenn die Affen keine Lust mehr haben, dann hören sie einfach auf oder schlafen ein.

Mehrfach wurde Wolfgang Apel in Labor und Ställe eingeladen, damit er sich einen direkten Eindruck vom Wohlergehen der Tiere verschaffen könne, berichtet Kreiter. Gekommen sei er nicht.

Kreiter sagt, durstige Tiere würden ebenso wenig bei den Experimenten mitmachen, wie Tiere mit Schmerzen. Die Sitzposition in der Box entspreche der Schlafposition der Tiere, der Körper könne sich frei bewegen, und wenn die Affen keine Lust mehr haben, "dann hören sie einfach auf oder schlafen ein."

Für ihn werden die Köpfe nicht in einer Apparatur fixiert oder angeschraubt, sondern "während der Messung werden Kopfbewegungen verhindert". Wo Tierschützer vom Töten der 6000 Euro teuren Tiere aus dem Göttinger Primatenzentrum sprechen, spricht Kreiter von "Einschläfern".

Bei sorgfältigem Umgang leiden die Tiere nicht

"Aber im Labor leben die Tiere weitaus länger als normalerweise in der freien Wildbahn", versichert der Forscher. "Wir unterscheiden Mensch und Tier und sind der Überzeugung, dass man Tiere bei sorgfältigem Umgang wie in vielen anderen Bereichen der Gesellschaft auch für biomedizinische Forschung nutzen darf." Kurz: Die Tiere litten nicht.

Allerdings: Das Fotografieren der Tiere erlaubt die Uni nicht mehr und stellt dafür eigene Bilder zur Verfügung. "Wir hatten schon viele Gäste bei Versuchen und in der Tierhaltung", sagte Kreiter. Der Aufwand für Fotos indessen wäre für Fotografen und Tiere viel zu groß.

Und der Nutzen? Kürzlich konnten Bremer Physiker aus Kreiters ermittelten Daten errechnen, was das Versuchstier auf dem Bildschirm gesehen hat. Das ist erstaunlich genug. Revolutionär für die Anwendung beim Menschen könnte aber sein, dass die Daten nicht von den Mikroelektroden im Hirn, sondern von Elektroden-Matten stammen, die lediglich auf die Hirnrinde der Affen aufgelegt wurden.

Die neuen hoch auflösenden Elektroden-Matten sind geeigneter, so Kreiter

"Es war nicht bekannt, dass so gewonnene Daten so viel detaillierte Information enthalten, die zum Beispiel für den Einsatz von Neuroprothetik dringend nötig sind", sagt Kreiter. "Außerdem funktioniert die neue Messmethode jetzt über einen langen Zeitraum stabil."

Das war früher nicht so, da sich konventionelle Mikro-Elektroden wegen der hohen Beweglichkeit des Gehirns leichter verschoben. Die neuen hoch auflösenden Matten seien geeigneter.

Das Bundesforschungsministerium fördert nun ein neues Projekt Kreiters mit 1,2 Millionen Euro. Im Rahmen des Projektes kooperiert der Biologe mit Mikro-Systemtechnikern, die spezielle sehr kleine Elektroden-Matten mit entwickeln, mit Physikern - und mit fünf Makaken.

Wolfgang Apel ließ mitteilen, er wolle sich nicht äußern, so lange das Bremer Oberverwaltungsgericht nicht endgültig entschieden hat.

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