Studie
Alkoholprobleme sind im Nordosten am größten
In Mecklenburg-Vorpommern und Bremen diagnostizieren Ärzte am häufigsten eine Alkoholabhängigkeit. Stark betroffen ist die Generation der Babyboomer, so eine aktuelle Analyse der Krankenkasse Barmer.
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Die Häufigkeit der Diagnose Alkoholsucht fällt regional sehr unterschiedlich aus. Das zeigt eine Studie des wissenschaftlichen Instituts der Barmer.
© Uwe Anspach / dpa
Berlin. Wo in Deutschland schauen die Menschen am tiefsten ins Glas? Eine aktuelle Studie des Instituts für Gesundheitssystemforschung (bifg) der Krankenkasse Barmer offenbart nun: Im Nordosten der Republik sind die Alkoholprobleme am größten.
Laut Kassenanalyse gibt es in Mecklenburg-Vorpommern und Bremen über 50 Prozent mehr alkoholkranke Menschen als im Bundesschnitt. Ärztinnen und Ärzte in den genannten Bundesländern diagnostizierten im vergangenen Jahr in Mecklenburg-Vorpommern bei 21 und in Bremen sogar bei 22 je 1000 Personen eine Alkoholabhängigkeit (siehe nachfolgende Grafik).
Der Bundesschnitt lag bei 14 je 1000. Die geringsten Prävalenzen verzeichnete Rheinland-Pfalz mit elf je 1000 Personen. In Nordrhein-Westfalen, Hessen und Baden-Württemberg sind es zwölf, in Sachsen 19 je 1000 Einwohner.
Die Barmer zeigte sich ob der Zahlen alarmiert. „Die massiven regionalen Unterschiede bei der Alkoholabhängigkeit sind rein medizinisch nicht erklärbar. Hier dürften auch sozio-demografische Faktoren eine Rolle spielen“, kommentierte Dr. Ursula Marschall, leitende Medizinerin bei der Krankenkasse, die Zahlen.
Deutlich mehr Männer als Frauen betroffen
Wie aus der Barmer-Auswertung weiter hervorgeht, waren im vergangenen Jahr in Deutschland insgesamt 820.000 Männer und 329.000 Frauen erwiesenermaßen alkoholabhängig. Dabei seien vor allem Menschen in der zweiten Lebenshälfte betroffen gewesen, teilte die Kasse diese Woche in Berlin mit. So waren unter den 55- bis 60-jährigen Männern zuletzt rund 131.000 alkoholabhängig und knapp 51.000 Frauen in derselben Altersgruppe (siehe nachfolgende Grafik).
„Alkoholismus manifestiert sich in der Regel über viele Jahre und kommt vor allem in der Generation der Babyboomer der 50er- und 60er-Jahre vor“, sagte Barmer-Expertin Marschall. Außer individuellen Gründen und Schicksalsschlägen könne wohl auch die Sozialisation eine Rolle spielen, so ihre Vermutung. „Alkohol hatte damals einen anderen Stellenwert, insbesondere in Zeiten des Wirtschaftswunders.“ Heute stünden die Risiken viel stärker im Vordergrund gesellschaftlicher Debatten.
Minimaler Rückgang in Corona-Zeiten
Gleichwohl sei die Zahl der Menschen mit der Diagnose Alkoholabhängigkeit in den vergangenen fünf Jahren von 1,09 auf 1,15 Millionen Betroffene gestiegen, so Marschall. In den Jahren 2019 auf 2020 sei ein minimaler Rückgang zu verzeichnen gewesen.
Dieser lasse sich mutmaßlich auf die Corona-Pandemie zurückführen und die Tatsache, dass weniger Menschen ärztliche Hilfe beansprucht hätten. Dadurch seien einige Fälle auch unentdeckt geblieben. (hom)