Haft oder Berufsrecht

Annäherung im Korruptionsstreit

Notfalls kommt der Staatsanwalt: Zum Neujahr haben Politik und Kassen die Keule hervorgeholt. Sie drohen korrupten Ärzten mit Haft. Nach einem heftigen Schlagabtausch stehen die Zeichen jetzt auf Annäherung.

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Farblich abgestimmte Krawatte - samt Gesundheitspolitiker.

Farblich abgestimmte Krawatte - samt Gesundheitspolitiker.

© Christian Thiel / imago

BERLIN. In der Debatte um die Strafbarkeit von Korruption bei niedergelassenen Ärzten waren die vergangenen Tage vor allem von rauen Tönen geprägt. Jetzt deuten erste Zeichen auf eine Annäherung von Politik und Ärzten.

Zur Erinnerung: Der Unionsgesundheitspolitiker Jens Spahn hatte der Ärzteschaft vorgeworfen, zu wenig gegen Korruption zu unternehmen. Notfalls müsse die Politik "eine Strafnorm schaffen, damit der Staatsanwalt aktiv wird".

Der Präsident der Bundesärztekammer, Frank Ulrich Montgomery, hatte daraufhin seine Forderung erneuert, den Kammern weitergehende "Ermittlungs- und Sanktionsinstrumentarien" einzuräumen.

In der Politik scheint diese Forderung angekommen zu sein. "Es ist gut, wenn die Ärztekammern uns konkret sagen, wo es ihnen an Ermittlungs- und Durchsetzungskompetenz mangelt", sagte Spahn der "Ärzte Zeitung" am Freitag in Berlin.

Gleichzeitig nahm er die Länder in die Pflicht: "Hierbei geht es augenscheinlich vor allem um berufs- und damit landesrechtliche Befugnisse." Die Länder sollten die Kammern hier deutlich stärken, forderte Spahn.

Der CDU-Politiker schlug außerdem eine engere Zusammenarbeit von Kammern und staatlichen Ermittlungsbehörden vor: "Zumindest aber sollten die Kammern sich in Form der Amtshilfe der Staatsanwaltschaften und Polizeien der Länder bedienen können."

Pharmaindustrie plant Transparenzkodex

Medienberichten zufolge plant auch das Bundesgesundheitsministerium eine Verschärfung des sowohl des Berufsrechts als auch des Sozialgesetzbuchs.

Demnach erwägt das Ressort von Gesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) eine Erweiterung des Paragrafen 128 SGB V, in dem schon heute unzulässige Kooperationsformen deklariert sind. Das Problem bislang: Außer Verboten sind dort keine Bußgeld- oder Strafvorschriften vorgesehen.

Treffen die Berichte zu, will das Ministerium der Ärzteschaft allerdings keine eigenen Ermittlungsbefugnisse einräumen.

Die am Freitag in den Medien genannte Zahl von mehr als 500 Berufsordnungsverfahren wegen Korruption gegen niedergelassene und Klinikärzte hat die BÄK gegenüber der "Ärzte Zeitung" relativiert.

Einige Landesärztekammern hätten ihre Angaben dazu auf die letzten drei, andere auf die letzten fünf Jahre bezogen. Die Zahl könne also etwas höher liegen, hieß es bei der BÄK, sei aber angesichts von 440.000 Ärzten in Deutschland gering.

Hintergrund der meisten Fälle sei der "ratiopharm-Skandal" von vor vier Jahren, als gegen Hunderte Ärzte ermittelt wurde.

Derweil kündigte die Pharmaindustrie einen "Transparenzkodex" an. Damit wollen die Unternehmen des Verbands forschender Arzneihersteller, vfa, ihre Verbindungen zu Ärzten öffentlich machen.

"Die Patienten sollen erfahren, mit welchen Pharmaunternehmen ihre behandelnden Ärzte in welchem Umfang kooperieren", sagte vfa-Hauptgeschäftsführerin Birgit Fischer dem Nachrichtenmagazin "Focus".

Starten soll die Transparenzinitiative allerdings erst 2016. Dann sollen Honorare für Studien und Vorträge sowie Kostenübernahmen für Fortbildungen veröffentlicht werden. Kollegen in Praxis und Klinik müssen vor einer Veröffentlichung allerdings ihr Einverständnis geben. (nös/af)

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Kommentare
Olaf Grenzer 07.01.201315:19 Uhr

Wo bleibt die Keule für Politiker?

Es ist wirklich unglaublich, mit welcher Energie Politiker gegen Korruption bei anderen Berufsgruppen vorgehen. Da sollen sogar neue Gesetze auf den Weg gebracht werden. Wo bleibt eigentlich die schon längst fällige Verschärfung für Politiker? In der Regel wird sich an die Pöstchen geklammert, vertuscht und die Immunität vorgeschoben. Es ist kaum vorstellbar, dass bei den vielen Lobbyisten und der Nähe zur Wirtschaft und Industrie nicht genug in den eigenen Reihen zu tun wäre.

Dr. Thomas Georg Schätzler 05.01.201315:15 Uhr

Von der Wiege bis zur Bahre - Honorare, Honorare, Honorare?

• "Da gibt''s doch was von ratiopharm",
haben Hunderte von Kolleginnen und Kollegen bzw. die Generika-Firma ''ratiopharm'' selbst, die jetzt zum israelischen TEVA-Pharmaceuticals-Industries-Ltd.-Konzern gehört, offensichtlich grundsätzlich missverstanden. Daraufhin sind in vielen Fällen straf- und berufsrechtliche Ermittlungsverfahren eingeleitet worden. Die Frankfurter Allgemeine Zeitung FAZ berichtet u. a. deshalb aktuell von insgesamt 500 Berufsordnungsverfahren wegen Korruption gegen Niedergelassene und Klinikärzte innerhalb der letzten Jahre.

• Und was gibt''s von "unserer'' Bundesärztekammer (BÄK)?
Eine der dümmstmöglichen, relativierenden Erläuterungen. 500 Berufsordnungsverfahren wegen Korruption gegen Niedergelassene und Krankenhausärzte sei doch angesichts von ca. 440.000 Ärzten in Deutschland gering, wird erklärt. Aber die in der BÄK-Ärztestatistik zum 31.12.2011 auftauchende Gesamtzahl von 449.400 Kollegen schließt auch alle gar nicht mehr aktiven Mediziner i. R. bis zu ihrem Tode m i t ein.
Tatsächlich berufstätig und damit justiziabel sind nur 342.100 (76,1%) gewesen. Für die aktuelle, verschärfte Anti-Korruptionsdebatte relevant ist jedoch allein die Gruppe der f r e i b e r u f l i c h ambulant tätigen Ärzte: Insgesamt 142.900 (31,8%), als GKV-Vertragsärzte nur 121.700 (27,1%).
Im stationären Bereich arbeitende 169.800 Mediziner (37,8%) unterliegen letztlich weisungsgebunden einem Dienstverhältnis mit öffentlichen, gemeinnützigen, konfessionellen oder privaten Krankenhausträgern. Dort greifen alle strafrechtlichen und berufsrechtlichen Regelungen. Prominentes Beispiel: "Der wegen Bestechlichkeit verurteilte Essener Star-Chirurg Christoph Broelsch hat seine dreijährige Haftstrafe in der JVA Bielefeld-Senne angetreten."
http://www.derwesten.de/staedte/essen/gericht/star-chirurg-broelsch-arbeitet-als-schreiner-in-jva-id5175000.html

• Und was gibt''s vom CDU/CSU-Gesundheitspolitiker Jens Spahn?
Fieberhaft sucht er nach immer groteskeren, pauschalen Korruptionsvorwürfen. Im ARD-''Morgenmagazin'' vom 3.1.2013 behauptet er, es werde sicherlich "tausendfach" Miete dafür gezahlt, dass jemand Orthopädie- oder Zahntechnik in der Praxis ausstellen dürfe und dass er dann Patienten zugewiesen bekomme..."Dann sollten wir schärfere Gesetze machen". "Berufsrechtlich könnte man zum Beispiel Geldstrafen erheben oder im schlimmsten Fall die Approbation entziehen." Unter
http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/wirtschaftspolitik/gegen-kungelei-union-droht-korrupten-aerzten-mit-dem-strafrecht-12011165.html
legt Jens Spahn noch einen Zahn zu: "Es geht nicht darum, niedergelassene Ärzte unter Generalverdacht zu stellen". Aber es bestreite niemand, "dass es tausendfach in Deutschland direkt oder indirekt Zahlungen oder Geschenke etwa von Laboren oder Pharmafirmen an Ärzte gibt". Spahn weiter, wahrscheinlich müsste erst mal fünf bis zehn Ärzten die Berufserlaubnis entzogen werden, "bis bei allen die nötige Sensibilität einkehrt".

• Und was gibt’s von mir?
Ich persönlich warte nur noch auf den entrüsteten öffentlichen Vorwurf, Pathologen würden doch tatsächlich mit den örtlichen Bestattern kooperieren und absprechen, wer in welchen Sarg kommt?

Mf+kG, Dr. med. Thomas G. Schätzler, FAfAM Dortmund

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