Arbeitsmedizinische Versorgung? Im Saarland nur virtuell
Im Saarland wird "der vom Gesetzgeber gewollte Arbeitsschutz nicht sichergestellt". Zu diesem Fazit kommt der Landesrechnungshof. Zur Misere tragen fehlende klare Verantwortlichkeiten bei.
Veröffentlicht:
Betriebsarzt bei der Kontrolle eines Arbeitsplatzes: Immer mehr niedergelassene Haus- und Fachärzte versuchen derzeit, mit Präventionsangeboten in Betrieben zu punkten.
© klaro
SAARBRÜCKEN. Die Beschwerden über die betriebs- und arbeitsmedizinische Versorgungslage im Landesdienst sind nicht neu. Schon in den Jahren 1997 und 2004 forderten die Rechnungsprüfer das zuständige Innenministerium auf, die Betreuung neu zu organisieren.
Das Vertragsverhältnis mit dem beauftragten Unternehmen wurde jedoch jeweils fortgesetzt, allerdings mit modifizierten Abrechnungsmodalitäten. Laut Rechnungshof hat sich die Situation aber noch weiter verschlechtert. So seien beispielsweise interne Verwaltungstätigkeiten als Einsatzzeiten gewertet und Rechnungen "mehr oder weniger ungeprüft beglichen" worden. Bei verschiedenen Dienststellen seien "zeitweise überhaupt keine Einsatzzeiten vor Ort erbracht" worden.
Nach diesen Vorhaltungen hat das Ministerium den Vertrag zum Jahresende gekündigt. Noch nicht entschieden ist, ob das Land das Outsourcing der betriebs- und arbeitsmedizinischen Versorgung generell beenden und die Leistungen künftig selbst erbringen will, hieß es auf Anfrage der "Ärzte Zeitung".
Hinter dem Konflikt verbergen sich auch weitere Probleme. Dies beginnt bei den verteilten Zuständigkeiten. So versteht sich das Zentrum für Arbeits- und Umweltmedizin, das als Stabsstelle beim Landesamt für Umwelt- und Arbeitsschutz und damit beim Ministerium für Umwelt und Verbraucherschutz angesiedelt ist, als Ansprechpartner in allen Fragen des medizinischen Arbeitsschutzes. Ob es auch zur Kontrolle herangezogen wird, scheint unklar. Generell soll laut Innenministerium der Vollzug des Arbeitssicherungsgesetzes in der Landesverwaltung durch die Unfallkasse und in der Privatwirtschaft durch die Berufsgenossenschaften überwacht werden.
Eine weitere offene Baustelle ist die Definition der Mindesteinsatzzeiten. Der Rechnungshof vertritt die Auffassung, darunter seien im Wesentlichen nur die "im Betrieb, also grundsätzlich vor Ort" erbrachten Leistungen zu verstehen. Andererseits konnten laut Betreuungsvertrag 25 Prozent der Gesamteinsatzzeit in den Zentren des beauftragten Unternehmens geleistet und pauschal abgegolten werden. Vorsorgeuntersuchungen sind in den Gesamtzeiten eingeschlossen.
Experten verweisen auf extreme Unterschiede im Engagement und der Wertschätzung der Arbeitgeber für gesundheitliche Prävention - , ob es sich nun um öffentliche Verwaltung oder freie Wirtschaft handelt. Von "sinnloser Geldverschwendung" bis zu "langfristig lohnende Investition" reiche die Skala der (Vor-)Urteile. Die Arbeitskammer des Saarlandes, der alle Arbeitnehmer an der Saar angehören, hat in ihrem Jahresbericht auf widersprüchliche Wahrnehmungen hingewiesen. So kümmere sich nur ein knappes Drittel der Großunternehmen systematisch um den Erhalt der Gesundheit. Andere Untersuchungen zeigten, dass betriebliche Gesundheitsförderung die Fehlzeiten signifikant verringert. Der Bericht des Rechnungshofs ist nachzulesen im Jahresbericht 2009, Kapitel V, Textnummer 23; www.rechnungshof.saarland.de