DIW-Studie

Arme brauchen früher Pflege als Gutverdiener

Arbeiter werden im Durchschnitt etwa vier Jahre früher pflegebedürftig als Beamte. Wissenschaftler fordern Reformen, um die Ungleichgewichte zu reduzieren.

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Berlin. Ärmere Menschen haben nach einer Studie ein höheres Risiko, pflegebedürftig zu werden, als solche mit hohen Einkommen. Gleiches gilt für Arbeiter im Vergleich zu Beamten sowie für Menschen mit hohen Arbeitsbelastungen im Vergleich zu Personen mit niedrigen beruflichen Belastungen.

Das sind die Ergebnisse einer am Mittwoch in Berlin veröffentlichten Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin). Frühere Untersuchungen hatten gezeigt, dass Menschen mit niedrigen Einkommen zudem eine deutlich geringere Lebenserwartung als Besserverdienende haben.

Bei Frauen ist die Differenz geringer

„Nicht nur Einkommen und Lebenserwartung sind in Deutschland sozial ungleich verteilt, sondern auch das Pflegerisiko“, stellt Peter Haan, Leiter der Abteilung Staat am DIW Berlin, fest. Für die Analyse hat er mit DIW-Kollegen Daten des Sozio-oekonomischen Panels (SOEP) ausgewertet.

Ende 2020 wurden knapp 3,5 Millionen Menschen ambulant gepflegt. Dabei sind Männer, die direkt vor dem Renteneintritt weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens verdient haben, etwa sechs Jahre früher auf die häusliche Pflege angewiesen als Männer mit mehr als 150 Prozent des mittleren Einkommens. Bei Frauen beträgt die Differenz rund dreieinhalb Jahre.

Auch nach der beruflichen Stellung zeigen sich Unterschiede: Arbeiter werden durchschnittlich etwa vier Jahre früher pflegebedürftig als Beamte. Männer und Frauen mit hohen beruflichen Belastungen haben durchschnittlich 4,7 beziehungsweise 2,7 weniger Lebensjahre, in denen sie nicht auf die Pflege durch andere angewiesen sind, als Personen mit niedrigen Belastungen.

„Pflegebedürftigkeit hängt also nicht nur vom Alter ab und tritt auch nicht zufällig auf. Im Gegenteil: Die Pflegebedürftigkeit wird durch Gesellschaft, Einkommen und Arbeitswelt beeinflusst“, betonen die Wissenschaftler. Laut Studie sind sozialpolitische Reformen notwendig, um Ungleichheit im Pflegerisiko auszugleichen.

Arbeitsbelastungen sollten stärker in den Fokus rücken

Eine nachhaltige Politik sollte laut Studie bereits in der Erwerbsphase ansetzen und dort beispielsweise die Arbeitsbelastungen verringern, um das Pflegerisiko präventiv zu reduzieren. Kurzfristig sollten die Leistungen der gesetzlichen Pflegeversicherung ausgebaut und die Qualität und das Angebot in der Pflege erhöht werden. Alternativ könnten auch private Zuzahlungen stärker vom Einkommen abhängig gemacht werden.

Auch eine Bürgerversicherung, in der private und gesetzliche Pflegeversicherung zusammengebracht werden, könnte die Ungleichheit verringern, da das Pflegerisiko von Menschen mit privater Pflegeversicherung deutlich geringer ist als bei Menschen mit gesetzlicher Versicherung. (KNA)

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