Großbritannien
Arzneien ohne Zulassung für unheilbar Kranke?
LONDON. In Großbritannien diskutieren Ärzte, Politiker und Patienten derzeit kontrovers über eine Gesetzesinitiative, die es ermöglichen soll, unheilbar kranken Patienten noch nicht zugelassene Arzneimittel zu verabreichen.
Das britische Parlament befasst sich derzeit mit einem entsprechenden Gesetzentwurf, welcher vom Londoner Gesundheitsministerium unterstützt wird.
Die Initiative folgt jahrelangen Ethikdebatten, bei denen es immer wieder auch um die Frage ging, ob in bestimmten Fällen eine Abkehr von der rein evidenz-basierten Medizin zulässig oder gar wünschenswert ist oder nicht.
Abstimmung wohl Mitte Dezember
Der britische Politiker und Mäzen Lord Saatchi, der Mitglied des britischen Oberhauses ist, brachte kürzlich eine entsprechende Gesetzesinitiative namens "Medical Innovation Bill" auf den parlamentarischen Weg.
Mit einer Abstimmung über den Gesetzentwurf im Londoner Unterhaus wird für Mitte Dezember gerechnet.
Die Gesetzesinitiative sieht vor, es Ärzten künftig zu erlauben, in bestimmten Fällen und nach Erfüllung bestimmter Auflagen bislang noch nicht zugelassene Arzneimittel an sterbenskranke Patienten zu verabreichen. Beispiel ist die Onkologie.
Aber auch andere Therapiebereiche könnten laut Lord Saatchi von der neuen Praxis profitieren. Für den Patienten bringe dies den Vorteil, schneller als bisher mit neuen und innovativen Arzneimitteln therapiert werden zu können.
Viele Ärzte bleiben skeptisch
Und: "Für den Arzt bringt es den Vorteil, neue Arzneimittel verabreichen zu können, ohne Angst haben zu müssen, verklagt zu werden, sollte bei der Therapie etwas schief gehen."
Freilich: die Initiative ist umstritten. Zahlreiche Ärzte bleiben skeptisch. "Die Gesetzesvorlage birgt die Gefahr, Patientenleben zu gefährden und Patienten zu Versuchskaninchen nicht ausreichend erprobter Medikamente zu degradieren", sagte Professor Michael Baum vom University College London.
Das Londoner Gesundheitsministerium hat indessen seine Unterstützung der Gesetzesinitiative angekündigt. Sie fördere den Therapiefortschritt. Patientenleben würden nicht gefährdet, da das Gesetz zahlreiche Sicherheitsbestimmungen enthalte.
So müsse ein Arzt, bevor er entsprechende Arzneimittel verabreicht, stets die Meinung von ein oder zwei Kollegen einholen.
Gesundheitspolitische Beobachter in London rechnen damit, dass die Vorlage von Lord Saatchi, dessen Frau vor einigen Jahren an Krebs gestorben ist, eine 75-prozentige Erfolgschance hat, bereits im März 2015 in Kraft zu treten. (ast)