Früherkennungsuntersuchungen
Ausgelassene Vorsorgen: AOK rechnet mit mehr schweren Krebsverläufen
Die Krebsfrüherkennung hat in der Corona-Pandemie gelitten. Die Zahl der Vorsorgeuntersuchungen ist zum Teil stark gesunken, berichtet die AOK. Auch die Zahl der Krebsoperationen fiel ab.
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In der Pandemie haben weniger Frauen am Mammografie-Screening teilgenommen.
© Klaus-Dietmar Gabbert/picture alliance
Berlin. Bei den Krebsfrüherkennungsprogrammen gab es vor allem im Pandemiejahr 2020 regelrechte Einbrüche. Darauf haben der AOK-Bundesverband und das Wissenschaftliche Institut der AOK am Mittwoch verwiesen.
Schon vor der Pandemie habe es bei der Vorsorge „Luft nach oben“ gegeben, sagte der AOK-Vorstandsvorsitzende Martin Litsch bei der Vorstellung der Untersuchungsergebnisse. „Infolge der Pandemie sind mittel- und langfristig negative Auswirkungen durch das Nicht-Wahrnehmen von Früherkennungsuntersuchungen zu befürchten“, so Litsch.
Besonders starke Rückgänge verzeichnete die Früherkennung von Hautkrebs im Jahr 2020 mit 19,8 Prozent weniger Absolventen. Dieser Trend habe sich im ersten Quartal 2021 mit 20,8 Prozent fortgesetzt.
Auch Mammografie- und Prostatakrebs-Untersuchungen wurden 2020 weniger nachgefragt, und zwar jeweils um 8,1 Prozent. Die Darmkrebsvorsorge erlebte in der Jahresbilanz 2020 einen leichten Anstieg. Beziehe man alle diagnostischen Darmspiegelungen im ambulanten und stationären Bereich mit ein, ergebe sich ein Rückgang von 6,5 Prozent bezogen auf das Jahr 2019.
Mittelfristig größerer Anteil höherer Schweregrade
Die ausgebliebene Diagnostik dürfte Fernwirkung entfalten, schätzt der Geschäftsführer des Wissenschaftlichen Instituts (WIdO), Jürgen Klauber, die Konsequenzen ein. Eine weitere Untersuchung zeige auf, dass auch die Darm- und Brustkrebsoperationen zwischen März 2020 und Juli 2021 zurückgegangen sind, und zwar um 13 beziehungsweise vier Prozent.
„Mittelfristig könnte sich dies in einem größeren Anteil höherer Schweregrade bei den Erkrankungen zeigen“, sagte Klauber bei der Vorstellung der Ergebnisse. Der Medizinische Leiter im AOK-Bundesverband Dr. Gerhard Schillinger wies deshalb darauf hin, dass die Gefahr höherer Risiken bei ausgelassenen Vorsorgeuntersuchungen auf Gebärmutterhalskrebs evident sei.
Um 5,5 Prozent ist diese Früherkennung im Jahr 2020 gegenüber dem Vorjahr zurückgegangen. Die Neuerkrankungsrate liege bei 4300 im Jahr, die Zahl der erfassten fortgeschrittenen Krebs-Vorstufen liege allerdings dreimal höher, warnte Schillinger.
Krebsvorsorge ist schambesetzt
Immerhin weisen die WIdO-Daten auch aus, dass Mammografien seither nachgeholt wurden.
Rückgänge beim Hautkrebs -Screening könnten auch auf die verlängerte Taktung der Hausarzt-Check ups zurückgeführt werden. Bei den Zervix- und Prostata-Untersuchungen seien dagegen keine Nachholeffekte zu erkennen. Unter dem Strich sei allerdings erst ein Drittel der nicht wahrgenommenen Krebsvorsorge-Termine nachgeholt.
Einer repräsentativen Forsa-Umfrage im Auftrag des AOK-Bundesverbandes Ende September 2021 zufolge haben elf Prozent Frauen und Männer einen bereits angesetzten Termin zur Krebsvorsorge nicht wahrgenommen. 44 Prozent berichteten, den Termin nachholen zu wollen, aber noch keinen Termin vereinbart zu haben. Sechs Prozent wollen ihren Termin nicht nachholen.
Zwei Drittel der Befragten gab an, regelmäßig zu Vorsorgeuntersuchungen zu gehen. Knapp ein Viertel (23 Prozent) äußerte Desinteresse an dem Thema. 13 Prozent schoben vor, keine Zeit dafür zu finden, 23 Prozent fürchten Schmerzen durch die Untersuchungen. Vorsorgeuntersuchungen sind zudem schambesetzt. 21 Prozent finden es peinlich, darüber zu sprechen.
Der AOK-Bundesverband will nun mit einer Kampagne gegensteuern und zur Auseinandersetzung mit dem Thema anregen.