Zukunft von GKV und PKV

BÄK bastelt eigene Krankenversicherung

PKV und GKV oder Bürgerversicherung: Über die Zukunft der Krankenversicherung wird viel spekuliert - jetzt hat die Bundesärztekammer ein eigenes Modell präsentiert. Einige der Ideen kennt man aus den Programmen von SPD und Grüne.

Von Sunna Gieseke Veröffentlicht:
Kassen- oder Privatpatient - die Wege sollen in eine und nicht in entgegengesetzte Richtungen führen.

Kassen- oder Privatpatient - die Wege sollen in eine und nicht in entgegengesetzte Richtungen führen.

© imagebroker/imago

BERLIN. Elemente aus Bürgerversicherungsmodellen, gleichzeitig das duale System erhalten - die Bundesärztekammer (BÄK) wirbt für einen dritten Weg im deutschen Gesundheitssystem.

Das geht aus dem BÄK-Papier "Anforderungen zur Weiterentwicklung des dualen Krankenversicherungssystems in Deutschland" hervor, das der "Ärzte Zeitung" vorliegt.

"Wir wollen die Qualität im Gesundheitswesen erhalten, ohne den Irrweg der Bürgerversicherung zu gehen", sagte BÄK-Chef Professor Frank Ulrich Montgomery in Berlin.

Gesundheitsbeitrag von monatlich bis zu 170 Euro

Das Konzept der BÄK sieht vor, die Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung auf eine breitere Basis zu stellen. Dieses Element kennt zum Beispiel auch das Konzept der Grünen-Bürgerversicherung.

"Der derzeitige Versichertenanteil wird zu einem festen, einkommensunabhängigen Gesundheitsbeitrag weiterentwickelt, der vom Versicherten an seine Krankenkasse gezahlt wird", so Montgomery.

Die Beitragsbemessungsgrundlage solle sich dann auf sämtliche Einkommensarten eines Haushalts und nicht nur allein auf das sozialversicherungspflichtige Einkommen erstrecken.

Die Höhe des Gesundheitsbeitrags würde aufgrund aktueller Zahlen bei etwa 135 Euro bis 170 Euro durchschnittlich über alle Krankenkassen monatlich liegen, heißt es in dem Papier. "Die Kassen müssen jedoch ihre Beitragsautonomie zurückerhalten", forderte Montgomery.

Die Höhe des Beitragssatzes sei für Arbeitgeber mit 7,3 Prozent bereits heute festgeschriebenen - daran sollte festgehalten werden. Der Gesundheitsbeitrag solle auf eine Belastungsgrenze von einem maximalen beitragspflichtigen Anteil von neun Prozent des gesamten Haushaltseinkommens beschränkt werden.

Auf diese Weise solle eine zu hohe Belastung von beitragspflichtigen Versicherten mit niedrigen Einkommen verhindert werden, betonte der BÄK-Chef.

Zum Vergleich: Heute liegt die Belastungsgrenze bei insgesamt 10,2 Prozent des sozialversicherungspflichtigen Einkommens (8,2 Prozent Beitragssatz plus zwei Prozent Belastungsquote).

Gesundheits-Sparkonto für jedes Kind

Die BÄK wirbt zudem für mehr Generationengerechtigkeit im GKV-System: Für alle in Deutschland geborenen Kinder solle ein Gesundheits-Sparkonto aus Steuermitteln eingerichtet werden.

"Das Gesundheits-Sparkonto federt als kapitalgedecktes Ansparprogramm die finanziellen Folgen der zukünftigen demografischen Entwicklung ab", betonte Montgomery.

Für jedes Kind sollten bis zum 18. Lebensjahr pro Monat 100 Euro angespart werden. Mit diesem Element in der GKV würden "starre Grenzen zwischen GKV und PKV gelöst", so Montgomery.

Auch mit der kostenlosen Familienmitversicherung in der GKV soll nach Auffassung der BÄK bald Schluss sein: Erwerbsfähige Erwachsene sollen beitragspflichtig werden. Einzige Ausnahme sollen Personen sein, die sich in Elternzeit befinden oder Familienangehörige pflegen.

Die Ausgaben der Kinder bis zur GKV-Altersgrenze sollen über einen Bundeszuschuss finanziert werden.Die BÄK fordert zudem die Reduktion des Gesundheitsfonds. In ihren Konzept heißt es: "Aus der Kombination eines transparenten pauschalen Gesundheitsbeitrags, der autonom festgelegt wird, und der Zuweisung von Geldern - basierend auf der Versichertenstruktur - erhalten die Krankenkassen die benötigte Gestaltungsfreiheit zurück, die durch die derzeitige Verstaatlichung der GKV-Finanzierung und der damit verbundenen Entmündigung der Krankenkassen und der Versicherten nicht gegeben ist."

Mindestkriterien für Versorgungsleistung in PKV

Auch die PKV soll teilweise umgekrempelt werden: Hier soll ein ausreichender individueller Versichertenschutz durch Mindestkriterien für Versorgungsleistungen festgelegt werden.

"Dieser muss so gestaltet werden, dass er einen transparenten Vergleich zwischen den PKV-Tarifen und den Leistungen der GKV den Versicherten ermöglicht", heißt es in dem BÄK-Papier.

Die PKV sei im Gegensatz zur GKV sei "zukunftsorientiert" aufgestellt.

Das BÄK-Papier soll auf dem 116. Deutschen Ärztetag Ende Mai in Hannover diskutiert werden.

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Kommentare
Dr. Thomas Georg Schätzler 18.04.201320:40 Uhr

Danke für die Steilvorlage,

Frau Kollegin Bauer! "Schuster, bleib bei Deinen Leisten", möchte man der BÄK zurufen. Aber Bundesärztekammer-Chef und Kollege, Professor Frank Ulrich Montgomery, möchte sich in Berlin eher als Dichter und Denker profilieren. Seinen "dritten Weg im deutschen Gesundheitssystem" kann man jedoch nicht anders als ein Sammelsurium in sich widersprüchlicher und widerstreitender Reformideen bezeichnen.

Wer tönt, "den Irrweg der Bürgerversicherung zu gehen" n i c h t zu wollen, muss doch wenigstens zur Kenntnis nehmen, dass für 89,1 Prozent unserer 83 Millionen Bundesbürger bereits eine klassische Bürgerversicherung in Form der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) existiert. Aber das zu begreifen, gelingt ja nicht mal der eigentlich zuständigen Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV): Diese träumt, realpolitisch seit Jahrzehnten überholt, immer noch gegen alle Vernunft vom unerfüllbaren Einzelleistungs- und Kostenerstattungsmodell für Vertragsärzte und favorisiert dafür u. a. ein Gesundheitspauschalen-Modell.

Wenn zugleich die BÄK-Elite von "einem festen, einkommensunabhängigen Gesundheitsbeitrag" träumt, ist das nichts anderes, als die von Schwarz-Gelb bereits zu Grabe getragene, unsägliche "Kopfpauschale", die den früheren Bundesgesundheitsminister Dr. med. Philipp Rösler Amt und Würde gekostet hatte. Sie wäre nichts anderes als eine verfassungswidrige gigantische Umverteilung von unten nach oben: Dafür würden allerdings die genannten Versicherungsbeiträge von 135-170 Euro monatlich niemals reichen. Es sei denn, die BÄK wollte sich den unrealistischen Kalkulations-Szenarien defizitärer öffentlicher Großprojekte annähern. 250 € für Alle mit Einkommen von 1.000 bis 20.000 € mtl. war damals die Ansage: Mit der Konsequenz, dass Geringverdiener 25 % und Großverdiener nur noch 2,5 % (10.000 €) oder 1,25 % Krankenkassenbeitrag hätten zahlen müssen.

Einzig realistisch scheint die BÄK-Forderung, die Krankenversicherungs- Beitragsbemessungsgrundlage (BBG) solle sich auf a l l e Einkommensarten und n i c h t allein auf SV-Brutto erstrecken. Damit würde man auf die in Deutschland immer niedrigere Lohnquote und Mehreinkünfte aus Kapitalinvestitionen und Vermögen reagieren. Aber das ist nicht zu Ende gedacht: Die Forderung nach einer "Kopfpauschale" hebt zugleich jegliche BBG auf. Mit der entscheidenden Folge, dass ausschließlich Großverdiener maximal privilegiert und kleine bis mittlere Einkommen bzw. geringe Kapitaleinkünfte maximal diskriminiert und mit Abgaben belastet werden. Damit ginge die real existierende Kluft zwischen Arm und Reich in Deutschland noch weiter auf als bisher.

Wie allerdings durch ein "Gesundheits-Sparkonto für jedes Kind" die "starre Grenzen zwischen GKV und PKV gelöst" (O-Ton Montgomery) werden können, bleibt ebenso rätselhaft wie die Äußerung, die PKV sei im Gegensatz zur GKV "zukunftsorientiert" aufgestellt. Vor dem Hintergrund, dass das System der privaten Krankenversicherungen auch nichts anderes ist, als eine volatile Umlagekasse mit ständig steigenden Versicherungsbeiträgen als "Kopfpauschalen" von der Wiege bis zur Bahre, erschließt sich weder Innovations- noch Zukunftsfähigkeit.

Jetzt werden sich viele fragen, was denn die K e r n k o m p e t e n z und die wesentlichen Geschäftsfelder der BÄK neben Aus- und Weiterbildung, beruflichen Leitlinien, medizinischer Ethik und Arztrecht sein könnten? Welche zentralen Aufgaben bei der BÄK auf Erledigung harren? Ganz einfach: Die G O Ä! Dass deren Neuregelung und Zukunftsorientierung seit fast drei Jahrzehnten auf Eis liegt, d a v o n möchte die BÄK nur allzu gerne ablenken. Die Reform der Gebührenordnung für Ärzte verkommt zur Fata Morgana:
• Ihre Systematik ist auf dem Stand vom 16.4.1987 (BGBl.I,S.1218).
• Der GOÄ-Punktwert wurde in 30 Jahren (1983-2013) um 14 % gesteigert.
• Kalkulatorischer Punktwert 10 (1.1.1983), 11 (1.7.1988) und 11,4 Pfennige (1.1.1996). K e i n e Erhöhung seit der Euro-Umstellung (1.1.2002). Jä

Dr. Birgit Bauer 18.04.201311:51 Uhr

Entmündigung der KK ??

Wieso sorgt sich eigentlich die BÄK um das Wohl der KK `s.
Gibt es nicht genug zu tun um die Arbeitsbedingungen der Ärzteschaft egal ob stationär oder ambulant wieder einigermaßen verträglich zu gestalten ?
Da hätte die BÄK wahrlich genun zu tun!
M.f.G.B.Bauer

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