Arzneimitteltherapie
Barmer: Medikationsplan für mehr Sicherheit in der Schwangerschaft!
Die Arzneimitteltherapie von Frauen im gebärfähigen Alter wird laut Barmer bislang nur unzureichend dokumentiert. Abhilfe könnte der bundeseinheitliche Medikationsplan schaffen.
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Bisher besteht ein Anspruch für Schwangere auf eine strukturierte Arzneimittelübersicht nur bei regelmäßiger Einnahme von drei und mehr Medikamenten – das möchte die Barmer ändern.
© Christin Klose / dpa Themendienst / picture alliance
Berlin. Frauen im gebärfähigen Alter, die dauerhaft Arzneimittel einnehmen, sollten laut Barmer Anspruch auf einen bundeseinheitlichen Medikationsplan haben. Die Arzneimitteltherapie junger Frauen werde noch immer unzureichend dokumentiert, kritisierte Barmer-Vorstandschef Professor Christoph Straub bei der Vorstellung des neuen Arzneimittelreports der Kasse am Donnerstag.
Das führe zu gefährlichen Informationslücken vor und zu Beginn der Schwangerschaft. Für Hausärzte, aber auch Gynäkologen sei es in diesen Fällen „schwer bis unmöglich“, sowohl die Patientinnen als auch das ungeborene Kind vor unnötigen gesundheitlichen Risiken zu schützen, warnte der Kassenmanager.
Für einen Rechtsanspruch müsse es unerheblich sein, ob die Frauen nur ein oder mehrere Arzneimittel einnähmen, sagte Straub. Bisher besteht ein Anspruch auf eine strukturierte Arzneimittelübersicht nur bei der regelmäßigen Einnahme von drei und mehr Medikamenten. Technische Möglichkeiten, die Medikation übersichtlich zu dokumentieren gebe es bereits, betonte Straub. Man müsse sie nur auch nutzen.
Nur Minderheit besitzt Medikationsplan
Laut Barmer nehmen etwa 30 Prozent der Frauen vor der Schwangerschaft regelmäßig Arzneimittel ein. Allerdings habe nur eine Minderheit 14 Prozent dieser Frauen angegeben, im Besitz eines Medikationsplans zu sein. Die Kasse verwies dazu auf eine begleitende Online-Umfrage zum Report. Dabei wurden knapp 1300 Versicherte befragt, die vergangenes Jahr ein Kind zur Welt brachten.
In der Schwangerschaft würden Medikamente häufig zu spät auf mögliche Schäden für das ungeborene Kind überprüft, stellte der Autor des Arzneimittelreports und Chefarzt am Klinikum Saarbrücken, Professor Daniel Grandt, fest. Der Schutz des ungeborenen Kindes müsse bereits vor der Schwangerschaft beginnen. Dazu sei die Gesamtmedikation der Frauen „grundsätzlich auf kindsschädigende Risiken“ zu überprüfen.
Teratogene im Blick
Nicht alle Wirkstoffe seien im selben Maße gefährlich, betonte Grandt. Es gebe aber Teratogene, die das Risiko für grobe Fehlbildungen des Embryos verzehnfachten. Dass nicht wenige dieser Präparate verordnet würden, belegten Daten aus dem aktuellen Report, sagte Grandt. Demnach erhielten im Jahr 2018 knapp 154 .000 Frauen im Alter zwischen 13 und 49 Jahren teratogene Arzneimittel.
Selbst während einer Schwangerschaft wurden die Präparate verordnet. 663 von 66 .500 bei der Barmer versicherten Frauen, die 2018 ein Kind zur Welt brachten, hätten im ersten Schwangerschaftsdrittel teratogene Arzneimittel verschrieben bekommen, berichtete Grandt. Rechne man die Zahl auf ganz Deutschland hoch, seien das jedes Jahr rund 7300 Frauen, bei denen es während der Schwangerschaft zu Schädigungen des ungeborenen Kindes kommen könne. Grandt wie Straub sprachen von einem „inakzeptabel hohen Wert“.
Hausärzte vor und nach Schwangerschaft „Hauptverordner“
Grandt wies daraufhin, dass Hausärzte vor und nach der Schwangerschaft „Hauptverordner“ und damit wichtigste Ansprechpartner in Sachen Arzneimitteltherapie seien. Während der Schwangerschaft übernehme dann der Gynäkologe diese Funktion. 88 Prozent der Schwangeren mit Arzneimitteltherapie hätten bei der Online-Befragung angegeben, die Unbedenklichkeit der Medikation nach Beginn der Schwangerschaft mit dem Facharzt besprochen zu haben.
In nur 31 Prozent sei der Hausarzt Ansprechpartner gewesen. „Adäquat beraten kann die Gynäkologin oder der Gynäkologe aber nur, wenn sie oder er die Medikation kennt“, warb Grandt für eine strukturierte Übersicht der Arzneimittel.