BSG

Bei AMD müssen Kassen die Kosten zahlen

GKV-Patienten haben Anspruch auf Erstattung aller Kosten bei einer intravitrealen Injektion mit Lucentis®. Die Umgehungstricks mancher Kassen über den Off-Label-Use von Avastin® hat das Bundessozialgericht nun endgültig als rechtswidrig eingestuft.

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KASSEL. Die gesetzlichen Krankenkassen müssen das Augen-Medikament Lucentis® (Ranibizumab) voll bezahlen. Das hat das Bundessozialgericht (BSG) in Kassel entschieden.

Bis Ende September müssen sie danach auch eine Privatabrechnung akzeptieren. Zudem können die Krankenkassen nicht darauf bestehen, dass Ärzte eine nur für den Einmalgebrauch zugelassene Flasche auf mehrere Behandlungen aufteilen.

Die beklagte Knappschafts-Krankenkasse bezifferte die so entstehenden Mehrkosten für alle gesetzlichen Kassen auf 1,5 Milliarden Euro pro Jahr.

Das Novartis-Medikament wird gegen die altersbedingte feuchte Makuladegeneration (AMD) eingesetzt und ist entsprechend zugelassen. Seit weit über zehn Jahren wird aber auch das Arzneimittel Avastin des Herstellers Roche verwendet.

Es ist allerdings nur gegen Krebs, nicht aber zur Behandlung der AMD zugelassen. Trotzdem haben Krankenkassen Behandlungen mit Avastin® in der Regel akzeptiert und bezahlt oder sogar aktiv darauf hingewirkt.

Der Grund: Avastin® kostet nur ein Bruchteil von Lucentis®, dessen Preis anfänglich rund 1500 Euro für eine Dosis betrug.

Alternativ entwickelte sich eine Praxis, den von den Zulassungsbehörden vorgegebenen Inhalt eines Ein Fläschchen Lucentis® entgegen den Hersteller-Empfehlungen auf mehrere Dosen aufzuteilen (Auseinzelung).

Ein "Systemversagen"

Das BSG entschied nun zunächst, dass gesetzlich Versicherte Anspruch auf Behandlung mit Lucentis® haben. Das war umstritten, weil es bislang für die Augenärzte keine Abrechnungsmöglichkeit für die Injektion des Medikaments im Einheitlichen Bewertzungsmaßstab gab.

Wie nun das BSG betonte, habe der Gemeinsame Bundesausschuss aber längst klargestellt, dass es sich nicht um eine neue Behandlungsmethode handelt. Daher habe der Bewertungsausschuss eine Gebührenziffer festsetzen müssen.

Dass dies nicht geschehen sei, sei ein "Systemversagen", so dass die Patienten Anspruch auf Kostenerstattung haben. Entsprechende Gebührenziffern wird es erstmals ab Oktober 2014 geben. Bis dahin müssen die Kassen auch eine Privatbehandlung bezahlen.

Sollten sie die Rechnung für überhöht halten, dürfen sie dies nicht ohne Weiteres auf die Versicherten abwälzen. Stattdessen müssen sie den Patenten anbieten, sie bei einer "Klage auf Abrechnungsminderung" zu unterstützen, so das BSG.

Bislang und auch künftig dürfen die Krankenkassen zudem nicht verlangen, dass ein Fläschchen Lucentis® auf mehrere Behandlungen aufgeteilt wird. Hierfür sei das Medikament nicht zugelassen, betonten die Kasseler Richter.

Eine solche Aufteilung sei mit Risiken verbunden, etwa durch Verunreinigungen. Darauf müssten sich die Patienten nicht einlassen.

Nach dem Kasseler Urteil muss die Kasse die Behandlung eines inzwischen verstorbenen Mannes aus dem Rheinland voll bezahlen. Von den Gesamtkosten in Höhe von 5770 Euro hatte sie bislang nur 3292 Euro übernommen. Nun muss sie der Witwe auch die restlichen 2478 Euro erstatten. (mwo)

Az.: B 1 KR 11/13 R

Lesen Sie dazu auch den Kommentar: Op gelungen, Patient tot

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