Kommentar
Bei Pflege besser nur auf Sicht fahren
Die soziale Pflegeversicherung steckt tief in den roten Zahlen. Im ersten Quartal schwankte das Defizit zwischen 250 bis fast 500 Millionen Euro – pro Monat! Allein bis Ende dieses Jahres könnte ein Minus von drei Milliarden Euro aufgelaufen sein.
Am Mittwoch hat Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) die Notbremse gezogen. Ab 2019 steigen die Beitragssätze für die Pflege um 0,3 Prozentpunkte. Eigentlich sollte man annehmen, dass Mammutprojekte wie die Pflegestärkungsgesetze mit soliden Prognosen über die Ausgabenentwicklung einhergehen. Das hat unter Spahns Amtsvorgänger Hermann Gröhe (CDU) offensichtlich nicht geklappt. Ministerium, aber auch der GKV-Spitzenverband, sind von der Ausgabenexplosion kalt erwischt worden.
Versprochen worden war den Versicherten, dass die Beitragssätze in der Pflegeversicherung – nach der Erhöhung Anfang 2017 – bis 2022 konstant bleiben. Dass Spahn angesichts dieser Erfahrungen sein erstes Gesetz unter dem Rubrum "Versichertenentlastung" präsentiert, wirkt da mutig.
Die Erfahrung mit den Pflegereformen lehren Demut im Umgang mit Ausgabenprognosen. Zuzugeben, dass man in der komplexen Gesundheits- und Pflegepolitik auf Sicht fährt, wäre ein Akt politischer Ehrlichkeit.
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