Hausärzteverband Nordrhein

Beim Primärarzt-Modell ernten Hausärzte Schweigen in der Politik

Kein klares Bekenntnis zum Primärarztsystem von den Parteien in Nordrhein-Westfalen: Was können Hausärzte von der Landtagswahl erwarten?

Ilse SchlingensiepenVon Ilse Schlingensiepen Veröffentlicht:
Bessere Steuerungsmöglichkeiten von Patienten durch den Hausarzt – das fordert der Hausärzteverband Nordrhein. © Anton Sokolov/Fotolia

Bessere Steuerungsmöglichkeiten von Patienten durch den Hausarzt – das fordert der Hausärzteverband Nordrhein. © Anton Sokolov/Fotolia

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KÖLN. Im Vorfeld der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen am 14. Mai erwartet der Hausärzteverband Nordrhein von den politischen Parteien vor allem eins: Unterstützung beim Einsatz für ein Primärarztsystem.

"Nur über ein Primärarztsystem bleibt die Gesundheitsversorgung human, wohnortnah und bezahlbar", sagte der Verbandsvorsitzende Dr. Dirk Mecking jüngst beim Hausärztetag in Köln. "Die Weichenstellung in Richtung Primärversorgungssystem muss ohne Wenn und Aber erfolgen", forderte er.

Die bisherigen Erfahrungen mit der hausarztzentrierten Versorgung (HzV) in Baden-Württemberg demonstrierten die Vorteile eines solchen Systems. "Die Versorgungsziele dienen der Qualitätssicherung der medizinischen Versorgung der Bevölkerung und bieten solide wirtschaftliche Rahmenbedingungen für die teilnehmenden Hausärzte." Im Kollektivvertragssystem würden dagegen "Begehrlichkeiten ohne Versorgungsziele" immer wieder zu Mangelverwaltung und Regressen führten, so Mecking.

Eigenständige Gebührenordnung

Zu einem Primärarztsystem gehört für ihn auch eine eigenständige Gebührenordnung für Hausärzte. Das Versicherungssystem – ob Bürgerversicherung, duale Krankenversicherung oder ein System mit Basis- und Zusatzversicherungen – spielt dagegen keine Rolle.

Die Chancen für eine Umsetzung der Verbandsforderungen stehen eigentlich nicht schlecht, findet Mecking. "Da alle Parteien in ihren Programmen den Hausarzt in den Mittelpunkt stellen, sollte dies in der nächsten Legislatur, egal ob in Bund oder Land, unterstützt und auch umgesetzt werden können."

Die eingeladenen Politiker von CDU, FDP, Grünen, Linken, Piratenpartei und SPD wurden nicht müde, die große Bedeutung der Hausärzte zu unterstreichen, ein klares Bekenntnis zum Primärarztsystem war allerdings von keinem zu hören.

"Ein schönes Steuerungsmodell"

Immerhin gab es ein dickes Lob für die HzV – überraschenderweise von der FDP. "Damit haben wir ein schönes Steuerungsmodell", sagte Susanne Schneider, die gesundheitspolitische Sprecherin der NRW-FDP. Zudem bringe ein gutes Hausarztsystem definitiv Einsparungen für das Gesundheitssystem. Schneider plädierte dafür, an allen Universitäten des Landes Lehrstühle für Allgemeinmedizin einzurichten und an den Hochschulen andere Auswahlsysteme für Medizin-Studierende zu etablieren.

Nach Ansicht von Landesgesundheitsministerin Barbara Steffens (Grüne) bringt der Masterplan 2020 wenig, um dem Nachwuchsmangel gerade im hausärztlichen Bereich vorzubeugen. Sie hält ein Pflichtquartal oder -tertial in der Allgemeinmedizin für notwendig. Für die ungesicherte Finanzierung der Umsetzung hat Steffens kein Verständnis. "Der Masterplan ist kein effizientes Instrument, auf das man sich als Gesundheitspolitiker verlassen kann."

Von einer Landarztquote hält Steffens nicht viel. Mehr verspricht sich die Ministerin davon, Studierenden früh die Möglichkeit zu geben, die Realität in den Hausarztpraxen kennenzulernen.

Auch für den Hausarzt Dr. Axel Kottmann, Vorstand des Gesundheitspolitischen Arbeitskreises der CDU-NRW, ist der Masterplan "ein zahnloser Tiger". Für ihn liegt eine wichtige Aufgabe in der nächsten Legislaturperiode darin, endlich an allen medizinischen Fakultäten einen Lehrstuhl für Allgemeinmedizin einzurichten. Kottmann ist Lehrbeauftragter für Allgemeinmedizin an der Universität Köln, wo es nach wie vor keinen eigenen Lehrstuhl gibt. Das Fach sei extrem schlecht ausgestattet, kritisierte er. "Ich muss sagen: Das hat Methode."

Um mehr junge Ärzte für die Hausarzttätigkeit zu gewinnen, müsse auch Schluss sein mit der "interkollegialen Geringschätzung". Kottmann versprach, dass sich die CDU eines wichtigen Themas annehmen werde, wenn sie an die Macht kommt: "Wir werden die Regresse in der jetzigen Form ganz abschaffen."

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Kommentare
Jürgen Schmidt 16.05.201708:23 Uhr

Jedes Ding hat zwei Seiten

@Kollege Karlheinz Bayer

Danke Herr Kollege!
Die meisten, die vom Primärarztsystem reden, wissen wenig oder nichts, von der möglichen Instrumentalisierung des Gedankengutes.
Wer als Politiker vom „geringsten Mittelverbrauch“ und zugleich der „größten Problemlösungskraft“ hört, und die These verinnerlicht, „Patientenprobleme auf der adäquaten Versorgungsebene zu lösen“ , legt sich bald seine eigene gesundheitspolitische Theorie und Sparpolitik zurecht.
Ich halte den betreffenden Berufsverbänden, die diesen Diskurs ausgelöst haben, zu Gute, dass sie Status- und Einkommensprobleme hatten – als diese Thesen auch auf den Fluren der Gesundheitsministerien klinkenputzend verbreitet wurden und in die Arbeitspapiere der Arbeitsgemeinschaft Leitender Medizinalbeamter der Länder, der Denkfabrik der Gesundheitsministerkonferenz Einzug hielten.
Die Ergebnisse erinnerten an den „Barfußarzt“ und die BÄK hatte alle Mühe gegen zu halten Ob ihr das, z.B mit der Aufwertung der Weiterbildung der Allgemeinärzte, dauerhaft gelungen ist, mag man sich - sine ira et studio - anhand der Ergebnisse fragen.

Einkommensprobleme gibt es ortsbezogen noch immer. Aber deshalb darf der politische Verstand nicht abgeschaltet werden

Karlheinz Bayer 12.05.201713:06 Uhr

... und das ist gut so!


In meiner Dreifachposition als Wähler und als Arzt und als Patient frage ich mich immer, ob die Partei, welche am meisten an unserem Berufsstand herumgemurkst hat, auch die Partei ist, welche für das Primärarztmodell ist. Gut, in der Vergangenheit hat dann diese Partei Landtagswahlen um Landtagswahlen verloren, zuletzt im Saarland und in Schleswig. Und wenn diese Partei sich jetzt zurückhält damit, Hausärztemodelle ins Programm zu nehmen, dann vielleicht auch deswegen, weil die Erkennnis reift, daß es auch in dieser Partei Mitglieder gibt, die keine Haus- sondern Fachärzte sind, und Patienten, die keinen Hausarzt, sondern einen Facharzt wollen.
Genauso wie es übrigens Hausärzte gibt, die nicht im Hausarztmodell sind, sogar solche, die nicht einmal im Hausärzteverband sein wollen.
Nun ja, das ist Demokratie, und das ist gut so.

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