Nationale Impfkonferenz

Berliner Masernwelle als Weckruf

Der Masernausbruch in Berlin klingt ab - ein Grund zur Entwarnung ist das trotzdem nicht. Denn das Grundproblem - die Impfmüdigkeit - besteht weiter. Das war eines der Hauptthemen bei der Nationalen Impfkonferenz.

Veröffentlicht:
Die schlechte Durchimpfungsrate führte zum schwersten Masern-Ausbruch in Berlin, den es je in der Hauptstadt gegeben hat.

Die schlechte Durchimpfungsrate führte zum schwersten Masern-Ausbruch in Berlin, den es je in der Hauptstadt gegeben hat.

© Mauricio Jordan / iStock

BERLIN. Mit zuletzt 1298 Erkrankten ist die aktuelle Masernwelle in Berlin die schlimmste, die es bislang in der Hauptstadt gab. Darauf verwies Berlins Gesundheitssenator Mario Czaja (CDU) bei der Nationalen Impfkonferenz, die seit Donnerstag in Berlin tagt.

Neues Ziel: Elimination bis 2020

Unter dem Motto "Impfen schützt alle - Masern-Elimination ist machbar" diskutiert die Nationale Impfkonferenz seit Donnerstag in Berlin den Nationalen Aktionsplan 2015-2020.

Er zielt darauf, dass Masern und Röteln bis 2020 vollständig eliminiert sind.

Vertreter von Ärzten, Krankenkassen, Wissenschaft und Politik haben dazu auf 42 Seiten Ziele festgelegt: deutschlandweit sollen 95 Prozent der Schulanfänger die zweite Masern- und Röteln-Impfung erhalten haben. Laut RKI waren 2013 nur 92,6 Prozent erreicht.

Doch erst ab einer Impfrate von 95 Prozent wird davon ausgegangen, dass die sogenannte Herdenimmunität greift.

Nach Schätzungen der WHO starben 2013 rund 146.000 Kinder weltweit an Masern. Die Zahl der Todesfälle sank seit 2000 um 75 Prozent. (ami)

"Wir haben einen Ausbruch in Berlin erlebt, den wir so bisher nicht kannten", sagte Czaja. Der Ausbruch zeige, wo das Problem liege: Vor allem Jugendlichen und jungen Erwachsenen fehlt der Impfschutz. Bei ihnen ergebe sich selten Gelegenheit zum Impfen.

Die Masernwelle in Berlin traf in hohem Maße auch Asylsuchende. Zwölf Prozent der Erkrankten waren Asylbewerber. "Es wäre nicht zu einem solchen Ausbruch gekommen, wenn der Durchimpfungsgrad der einheimischen Bevölkerung höher gewesen wäre."

In Berlin sind zwar 96 Prozent der Säuglinge im 15. Lebensmonat gegen Masern geimpft, aber nur 90,8 Prozent der Schulanfänger haben die Zweitimpfung erhalten.

Impflücken bestehen nicht bei den bildungsfernen, sozial schwachen Schichten und auch nicht nur bei Familien mit Migrationshintergrund, sondern vor allem in Akademikerhaushalten.

Sensibilität wächst wohl

Czaja setzt auch bei dieser Bevölkerungsgruppe weiter auf Aufklärung. Der Senator geht davon aus, dass die hohe Zahl von Säuglingen, die in Berlin erkrankt sind, "dazu beigetragen hat, dass viele ... den Schutz für die Kinder noch eingeholt haben".

Dafür spricht auch die Entwicklung der Ausgaben für Impfstoffe in Berlin mit einem Zuwachs von 40 Prozent im Februar und März im Vergleich zum Vorjahr.

Auch die KV Berlin beobachtet, dass der Masernausbruch und die Berichterstattung darüber die Sensibilität erhöht haben. Die meisten Ärzte berichten von steigender Nachfrage nach Impfungen.

Risiko für Regresse muss weg

Im Rahmen ihrer aktuellen Impfkampagne setzt die KV auf Information. Sie fordert ferner, dass Hürden abgebaut werden.

Die Kassen müssten verbindlich zusagen, auf Regressforderungen für Impfstoffe bei fachfremden Impfungen und Impfungen gemäß den Empfehlungen der Ständigen Impfkommission des Robert-Koch-Instituts und des Landesimpfbeirats zu verzichten.

Laut KV-Vorstandsmitglied Burkhard Bratzke sind "einige wenige Kassen" dafür bekannt, dass sie Regressanträge stellen. Um das vermeiden, impfen Ärzte teils gegen Kostenerstattung.

Unterstützung für die KV kommt auch von Amtsärzten, die mit ähnlichen Problemen konfrontiert sind, so die ÖGD-Vorsitzende Dr. Ute Teichert. (ami)

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Kommentare
Dr. Wolfgang P. Bayerl 19.06.201520:31 Uhr

Verehrte HP Helmtrud Harnack, bitte nicht wieder Ihr Märchen vom "Impfdurchbruch"

auftischen , das schon korrigiert wurde.

Helmtrud Harnack 19.06.201511:23 Uhr

Helmtrud Harnack

Berliner Masernwelle als Weckruf - Schuldzuweisungen
Die Ausrottungstheoretiker wissen nicht, daß sie der Menschheit einen schlechten Dienst erweisen. Schlimm genug, daß man diesen Rattenfängern hinterherläuft und auch noch glaubt.
"Nationaler Impfplan" - als könne man eine Nation impfen. zum Beitrag »



Anscheinend sind die beiden Beiträge der ÄrzteZeitung vom 11.06.15 um 08:08 Uhr, „Impfstelle für Flüchtlinge soll Masern-Welle eindämmen“ und um 09:57 Uhr: „Hilfe, die auch entlastet“ von Julia Frisch in der Impfdiskussion überlesen worden. Die Masernwelle ging in Berlin von nicht geimpften Flüchtlingen aus. Berlin arbeitet an einer Impfstelle. Die Großstätte, die von Masernwellen betroffen sind/waren, haben ebenfalls sehr viele Flüchtlinge aufgenommen.
Wenn Säuglinge im 15. Lebensmonat zu 96 Prozent geimpft sind, 90,8 Prozent der Schulanfänger, so ist die 2. Masernimpfung bei Schulanfängen noch nicht zwingend notwendig.
Es gibt bisher keine Statistik, wie viele Masernerkrankte ein- oder zweimal geimpft waren, wie viele Säuglinge, Schulkinder und Erwachsene mit welchem Impfstatus Masern bekamen und wie viele keine Masernimpfungen hatten in Gegenüberstellung zu Abgrenzung von den geimpften/ungeimpften Flüchtlingen. Es gehört zur Aufgabe der Gesundheitsbehörden, den Infektionsquellen nachzugehen und schnellst möglich den Ausbruch einer möglichen Epidemie zu unterbinden.
Wurde auch an einen Impfdurchbruch bei Masern gedacht? Nach § 21 IfSG können Geimpfte auch Krankheitserreger übertragen, wozu auch Masernimpfviren gehören.
Zur „Eliminierung“ der Pocken sollte bedacht werden, dass die Impfung eingestellt wurde, nachdem längst kein Krieg mehr war und die Hygieneverhältnisse sich gebessert hatten. Mit der Pockenschutzimpfungen wurde z.B. auch Hepatitis B und andere Infektionskrankheiten übertragen, seit 1865 bekannt. Die Hepatitis B kann nie „ausgerottet“ werden. Außerdem einmal Hepatitis B, immer Hepatitis B, Weltkongress Lebererkrankungen, Hepatitis C und B in Wien 2015 – EASL Neues zu den Erkrankungen der Leber. Deutschland gehört nicht zu den Risikoländern mit Hepatitis B, deshalb wurden die Impfstrategien in Deutschland 2013 auch geändert, Epidemisches Bulletin, RKI.
Sollte nicht eher exakt beobachtet und logisch gedacht, recherchiert und verantwortungsbewusst gehandelt/geimpft werden, wenn es um Infektionskrankheiten und Krankheitsausbrüchen geht, als dass emotionale Leserbriefe geschrieben werden?

Dr. Wolfgang P. Bayerl 18.06.201523:06 Uhr

Verehrter Herr Dr. Karlheinz Bayer, Sie scheinen kein Arzt zu sein

Haben Sie schon mal was von Pocken gehört, das waren Viren.
War die Ausrottung ein schlechter Dienst für die Menschheit?
Sehen se mal, ich kann die "Pharmas" auch nicht sonderlich leiden, wie die jetzt alle bei Pocken in die Röhre gucken.

Dr. Karlheinz Bayer 18.06.201513:02 Uhr

Viren lassen sich nicht "eliminieren"


Die Ausrottungstheoretiker wissen nicht, daß sie der Menschheit einen schlechten Dienst erweisen. Schlimm genug, daß man diesen Rattenfängern hinterherläuft und auch noch glaubt.
"Nationaler Impfplan" - als könne man eine Nation impfen.

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