Woldegk 2015
Boomendes Gesundheitshaus
Niedergelassene Ärzte für diese ländliche Landstriche zu finden ist schwer - nicht nur im Osten. Mit hohem persönlichen Engagement kann das doch gelingen, wie das Beispiel Woldegk in Mecklenburg-Vorpommern zeigt.
Veröffentlicht:WOLDEGK. Erst waren es zu wenige Ärzte, jetzt könnten es mehr Patienten sein: Das Gesundheitshaus in Woldegk hat zu einer Umkehrung der Verhältnisse in der hausärztlichen Versorgung in der südmecklenburgischen Region geführt.
Ein Jahr nach Eröffnung sagt die hausärztliche Internistin Silke Bremer: "Wir sind nicht gerade überlaufen. Unsere Kapazitäten sind noch lange nicht ausgeschöpft."
Bremer und ihre Kollegin Dr. Elisabeth Maihoff hatten sich 2014 als Hausärztinnen im Gesundheitshaus niedergelassen und eigentlich mit einem rasanten Anstieg ihrer Patientenzahlen rechnen dürfen.
Schließlich waren drei der vier Hausärzte in Woldegk an oder über der Altersruhegrenze und Nachfolger für deren Praxen nicht in Sicht. N
och aber sind alle Praxisinhaber weiterhin aktiv und behandeln ihre Patienten wie gewohnt. Entsprechend verhalten wächst derzeit der Patientenandrang bei den Ärztinnen im Gesundheitshaus.
"Wir sind gut besetzt. Das Konzept ist aufgegangen", freut sich Woldegks Bürgermeister Dr. Ernst-Jürgen Lode über das zusätzliche ärztliche Angebot in seiner Gemeinde.
Wie Bremer erwartet er wegen des Alters der übrigen Hausärzte mittelfristig, dass der Patientenandrang im Gesundheitshaus ansteigt. "Der Mecklenburger geht langsam ran", erklärt er den verhaltenen Start.
Jahrelanger Einsatz hat sich gelohnt
25 Jahre Deutsche Einheit
Die "Ärzte Zeitung" blickt in einem Dossier auf "25 Jahre Deutsche Einheit": Hier geht es zur Artikel-Übersicht.
Ganz anders sieht es bei Augenarzt Dr. Andreas Wehner aus. Er hatte die Kassenzulassung einer älteren Kollegin in Woldegk übernommen und als Standort das Gesundheitshaus ausgewählt. Der Andrang hier war von Beginn an groß.
Außerdem gibt es im Gesundheitshaus zwei fachärztliche Sprechstunden für orthopädische und für HNO-Patienten, die von Ärzten aus den benachbarten Orten Neubrandenburg und Strasburg besetzt werden.
Die hier tätigen Ärzte haben eigene Praxen und kommen mit der Zweigstelle in Woldegk ihren Patienten entgegen. Ergänzt werden könnte das Angebot noch um eine gynäkologische Sprechstunde.
Lode bezeichnet das Gesundheitshaus als "Schmuckstück" für seine Kommune, für das sich der jahrelange Einsatz gelohnt hat. In den Neubau hat die Stadt über eine Tochtergesellschaft auch Wohnungen integriert, die alle belegt sind.
Investiert wurden am Standort insgesamt 3,2 Millionen Euro, von denen 1,2 Millionen Euro aus öffentlichen Mitteln stammen. Das Gesundheitshaus allein kostete rund 1,2 Millionen Euro. Die Ärzte profitierten durch vergleichsweise günstige Mieten und weil Teile der Ausstattung gestellt wurden.
Erste Überlegungen für das Gesundheitshaus stellte Lode schon 2006 an, als er von Mitbürgern auf die Situation der ärztlichen Versorgung im Ort angesprochen wurde: "Wenn Sie verhindern wollen, dass es bald keine Ärzte mehr gibt in Woldegk, machen Sie was."
Anschließend wurden viele Ideen und Überlegungen angestellt und verworfen, Lode berichtete auch von zeitraubenden Verhandlungen mit öffentlichen Stellen. Die Suche nach Landärzten für Woldegk begleitete die "Ärzte Zeitung" über einen langen Zeitraum mit einer Serie gemeinsam mit dem AOK Bundesverband.
Heute ist Lode froh, das Projekt, das ihn länger als jedes andere in seiner Amtszeit begleitet hat, abgeschlossen zu haben.
"Das fällt nicht vom Himmel"
Die Kommune investiert, stellt Räume und einen Teil der Ausstattung und sorgt damit dafür, dass mehrere Praxen unter einem Dach arbeiten können - dieses in Woldegk praktizierte Modell könnte nach Ansicht der KV Mecklenburg-Vorpommern auch in anderen Unterzentren mit Grundversorgung funktionieren. Aber: "So etwas fällt nicht vom Himmel. Es hängt immer an Einzelpersonen", sagt der hausärztliche KV-Vorstand Dr. Dieter Kreye.
In Woldegk sei dies der Bürgermeister gewesen. Wenige Kilometer weiter in Mirow hat die Ärztin Dr. Uta Arndt ein vergleichbares Modell mit hohem persönlichen Engagement umgesetzt. Auch andere Heilberufe wie etwa Apotheker könnten als Initiatoren für solche Gesundheitshäuser auftreten. Gemeinsames Merkmal hierbei ist die Selbstständigkeit der Ärzte.
Kreye hält aber auch die Lösung, die die schleswig-holsteinische Gemeinde Büsum für sich gefunden hat, für einen "gangbaren Weg". Dort ist, wie berichtet, die Gemeinde selbst Betreiber eines Ärztezentrums, in dem die Ärzte ausschließlich angestellt arbeiten.
Damit trägt die Gemeinde auch das finanzielle Risiko und muss sich - mit Hilfe eines Dienstleisters - um die Praxisführung kümmern. Kreye hält solche Lösungen aber nur dort für sinnvoll, wo sich der Betrieb von Praxen für Einzelpersonen nicht lohnt. "Wenn sich etwas finanziell rechnet, findet sich auch private Initiative - und das funktioniert auch am besten."
Kreye erwartet, dass die Kommunen sich zunehmend mit dem Thema ärztliche Versorgung auseinandersetzen und an den Voraussetzungen für die Ansiedlung von Ärzten arbeiten.
Kommunen, die Überlegungen über Ärztezentren anstellen, rät er zum Kontakt mit der KV, damit das dort vorhandene Know-how und die in Mirow und Woldegk gesammelten Erfahrungen einfließen können.