Personalisierte Medizin

Bremsklotz Selbstverwaltung?

Eile tut Not: Die Suche nach Strategien, um die personalisierte Medizin möglichst schnell in die Regelversorgung zu bringen, ist nicht einfach.

Ilse SchlingensiepenVon Ilse Schlingensiepen Veröffentlicht:
Forschung im Labor: Der Weg in die Regelversorgung ist lang.

Forschung im Labor: Der Weg in die Regelversorgung ist lang.

© shironosov / iStock / Thinkstock

KÖLN. Um die neuen Möglichkeiten der personalisierten Medizin oder Präzisionsmedizin möglichst schnell in die Regelversorgung zu bringen, sollten sich die wesentlichen Akteure zusammenschließen und gemeinsam nach konkreten Wegen suchen.

Denn wenn man der Selbstverwaltung das Thema überlässt, wird nichts passieren, fürchtet Dr. Johannes Bruns, der Generalsekretär der Deutschen Krebsgesellschaft.

"Alle wissen, dass wir vor dem Schritt in ein neues Denken in der Onkologie stehen, aber niemand ergreift die Initiative", sagte Bruns auf dem Kongress PerMediCon in Köln.

Der GBA habe das Thema nicht auf der Agenda, die Krankenkassen würden es nicht auf die Agenda bringen.

Über eine Art Stiftung oder einen Think Tank könnte es den wesentlichen Beteiligten nach seiner Einschätzung gelingen, einen steuernden Ansatz für die personalisierte Medizin zu finden.

Voraussetzung sei, dass Vertreter der Ärzteschaft, der Krankenkassen, der Industrie, der Fachgesellschaften und weiterer Organisationen außerhalb sonst üblicher Strukturen und damit verbundener Grabenkämpfe agieren können, betonte Bruns.

"In den regulären Kanälen werden wir es nicht hinbekommen."

Selbstverwaltung als Bremser

Dringenden Handlungsbedarf sieht er in der Frage, wie Diagnostika schnell in die Versorgung gelangen, nachdem sie die Zulassung erhalten haben. Zurzeit scheitere das an der Selbstverwaltung, die es nicht schafft, zeitnah eine Vergütung für die damit verbundenen ärztlichen Leistungen auf den Weg zu bringen.

Eine Option sieht Bruns darin, dass die Pharmahersteller im ersten Jahr nach der Zulassung eines neuen Medikaments die Kosten für die diagnostischen Tests in den Preis ihres Produkts einrechnen. Auch hierfür wäre das Stiftungsmodell die geeignete Plattform. "Es muss Druck ins System", forderte Bruns.

Der Medizinrechtler Professor Christian Dierks von der Kanzlei Dierks + Bohle kritisierte, dass eine Regelung, die dem Bewertungsausschuss eine konkrete Frist für die Festlegung der Vergütung für neue Leistungen gesetzt hätte, im letzten Moment wieder aus dem Versorgungsstärkungsgesetz gefallen sei.

Jetzt liege der Ball wieder beim Bewertungsausschuss, der sich eine entsprechende Verfahrensordnung geben muss. "Ich bin sprachlos, angesichts der zahlreichen konkreten Vorschläge, die auf dem Tisch lagen", sagte Dierks.

Das vom System gegenwärtig praktizierte Aussitzen sei mit Blick auf den Innovationsdruck für die Patienten keine gute Lösung, betonte er.

Professor Jürgen Wolf, Ärztlicher Direktor des Centrums für Integrierte Onkologie an der Uniklinik Köln, geht davon aus, dass die molekulare Diagnostik künftig in hochspezialisierten Zentren gebündelt wird, während die Therapie weiterhin dezentral vor Ort erfolgen wird.

"Es müssen hochspezialisierte Zentren sein, in denen Forschung und Entwicklung Hand in Hand gehen." Benötigt würden Teams aus Pathologen, klinisch tätigen Ärzten und Forschern, die gemeinsam die Befunde interpretieren.

"Ich glaube nicht, dass man die Hightech-Diagnostik überall in der freien Wildbahn implementieren kann", betonte Wolf.

Freier, aber kontrollierter Zugang

Das sieht Professor Stephan Schmitz, Vorsitzender des Berufsverbands der Niedergelassenen Hämatologen und Onkologen, anders.

Die Zentren allein würden für eine gute Versorgung aller onkologischen Patienten nicht ausreichen.

"Wir brauchen den freien Zugang, aber nicht unkontrolliert und unreguliert." Ziel sollte es nach Vorstellung von Schmitz sein, "Innovationsnetzwerke mit qualifizierten Leistungserbringern" aufzubauen.

Klar ist für den Onkologen, dass die basisnahe Grundlagenforschung sowie die Entwicklung von diagnostischen und therapeutischen Innovationen in die universitären Zentren gehören.

Sobald es aber um die Regelversorgung geht, müssten weitere Spitzenmediziner ins Spiel kommen, am besten über Netzwerke. "Die Zentralisierung ist in der Regelversorgung eine Sackgasse, die den Innovationstransfer verhindert", sagte Schmitz.

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