Bundeswehrärzte warnen vor Kollaps
BERLIN (ble). Die Bundeswehr steuert nach Ansicht des Forums Sanitätsoffiziere auf einen gravierenden Ärztemangel zu. Immer mehr Kollegen verließen die Truppe, warnt Wolfgang Petersen, Vorsitzender des Vereins. Zudem sinke die Zahl derer, die ihre Verträge verlängerten. "Da baut sich eine riesige Lücke auf."
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Im Einsatz: Ein Bundeswehrarzt versorgt eine Verletzte in Kabul.
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Grund für die Abwanderung von Bundeswehrärzten sind nach Ansicht der an der Basis tätigen Mediziner des Sanitätsdienstes die Belastung durch nicht abfeierbare Überstunden, die steigende Zahl von Auslandseinsätzen und eine im Vergleich zu Vertragsärzten schlechte Bezahlung. "Aus Sicht fast aller klinisch tätigen Kollegen ist die Lage fatal", so Petersen zur "Ärzte Zeitung". Im Forum sind 200 Ärzte organisiert.
Als Beispiel für die Situation führt Petersen das Bundeswehrkrankenhaus Koblenz an: So hätten aus einem Jahrgang drei von fünf Chirurgen in Weiterbildung das Krankenhaus verlassen, einer das Fachgebiet gewechselt. Von acht Op-Sälen am Standort könnten heute nur noch fünf besetzt werden. Viele junge Ärzte zahlten lieber bis zu 100 000 Euro an Ausbildungskosten zurück, als bei der Bundeswehr zu bleiben.
Petersen zufolge schieben nicht wenige Ärzte teils gigantische Überstundenberge vor sich her: "Es gibt Kollegen, die haben mehr als 1500 Überstunden angesammelt", sagt er. Petersen kritisiert zudem, dass bis zu ein Drittel der rund 2400 Mediziner des Sanitätsdienstes gar nicht am Patienten tätig ist, sondern in der Verwaltung. Verschärft wird das Problem auch durch den mit dem Umbau der Bundeswehr verbundenen Abbau von Zivilpersonal.
Um die Situation umzukehren, fordert Petersen attraktivere Dienstkonzepte, eine bessere Bezahlung und Entwicklungspläne für die Karrieren junger Ärzte. Zudem müsse der Verwaltungsstab des Sanitätsdienstes verschlankt werden und es müssten mehr bisher dort tätige Ärzte in die Versorgung kommen.
"Nach den Piloten laufen der Bundeswehr jetzt die Ärzte davon", sagt auch die verteidigungspolitische Expertin der FDP-Bundestagsfraktion, Elke Hoff. Seit der bereits im vergangenen Jahr laut gewordenen Kritik habe sich wenig bis gar nichts verändert. Die Verantwortlichen redeten die Lage derweil schön, kritisiert sie.
Ein Sprecher des Verteidiungsministeriums wies die Darstellungen in Teilen zurück: In den vergangenen zwölf Monaten hätten nur 39 Ärzte die Truppe verlassen, was einem Anteil von 1,6 Prozent an allen Kollegen entspreche. "Wir können nicht von einem Aderlass sprechen. Gleichwohl nehmen wir die Entwicklung ernst", sagt er.