Heftige politische Debatte
Buschmann: Kein „schlampiges Gesetz“ zu endenden Corona-Regeln
Auch anlässlich des Auslaufens vieler Corona-Maßnahmen am Sonntag geht die Debatte darüber weiter. Patientenschützer üben heftige Kritik, aber es gibt auch positive Stimmen.
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Marco Buschmann (FDP), Bundesminister der Justiz, auf dem Landesparteitag der nordrhein-westfälischen FDP zu den Delegierten. Er verteidigte nochmals die Entscheidung zur Aufhebung vieler Corona-Regeln.
© picture alliance/dpa | Roland Weihrauch
Duisburg. Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) hat das Ende der meisten Corona-Schutzmaßnahmen in Deutschland verteidigt. Eine Studie der Universität Oxford habe zutage gefördert, dass Deutschland, neben Staaten wie Laos und Myanmar, zu den Ländern mit den einschneidendsten Corona-Schutzmaßnahmen gehöre, sagte der Minister am Samstag bei einem Landesparteitag der nordrhein-westfälischen FDP in Duisburg.
„Wenn wir die letzte liberale Demokratie auf der Welt sind, die noch mit so harten Maßnahmen arbeitet, dann sollten wir nicht den deutschen Größenwahn haben, zu sagen: Wir wissen alles besser“, mahnte Buschmann. „Vielleicht wissen auch die anderen großen Demokratien dieser Welt, was richtig ist aus der Perspektive der Grundrechte.“ Deshalb sei es richtig, die Grundrechte zu verteidigen, auch, wenn viele FDP-Politiker dafür angefeindet würden.
Hintergrund ist der COVID-Stringency-Index der britischen Universität Oxford. Dort flossen neun Indikatoren ein, unter anderem Schul- und Betriebsschließungen, Absage öffentlicher Veranstaltungen oder Beschränkungen in öffentlichen Verkehrsmitteln. Dass Deutschland in der Liste weit oben steht, liegt auch an der föderalen Struktur. Zeitweise strengere Regeln einzelner Bundesländer oder Landkreise wurden im Index so behandelt, als würden die Maßnahmen deutschlandweit gelten. Auch schrieben die Macher der Bewertung über den Index: Dieser „sollte nicht als Maß für die Angemessenheit oder Wirksamkeit der Reaktion eines Landes interpretiert werden“.
„Das Gesetz ist klar und streng“
Buschmann sagte, er habe ehrenrührige Kritik gegen das angeblich schlechte neue Infektionsschutzgesetz auch aus Reihen der Union gehört. Er gebe zu, das Gesetz sei streng. „Wenn jetzt 14 Bundesländer klar gesagt haben, dass bei ihnen die Voraussetzungen für Hotspot-Regelungen nicht vorliegen, dann zeigt das, wie klar und streng dieses Gesetz ist“, betonte er. Anders als von vielen behauptet, seien allerdings alle wichtigen Rechtsbegriffe – etwa über drohende Infektionsgefahren und das lokale Gesundheitssystem – dort klar hinterlegt.
Auch der stellvertretende FDP-Chef Wolfgang Kubicki sieht in der Aufhebung vieler Corona-Maßnahmen zum Sonntag einen „wichtigen und erfreulichen Schritt in Richtung Normalität“. „Wir vollziehen das nach, was auch in den europäischen Nachbarländern zum Teil schon seit längerem umgesetzt wird“, sagte der Bundestagsvizepräsident am Wochenende.
Hotspot-Regel nur in zwei Ländern
Angeordnet werden können in fast allen Bundesländern nur noch wenige allgemeine Vorgaben zu Masken etwa in Praxen, Pflegeheimen, Kliniken, Bussen und Bahnen sowie zu Tests etwa in Schulen. Weitergehende Auflagen gelten nur noch in Mecklenburg-Vorpommern und Hamburg. Beide Länder nutzen als vorerst einzige die sogenannte Hotspot-Regel. Unabhängig von staatlichen Regeln können Firmen, Geschäfte und andere Einrichtungen nach Hausrecht weiterhin Vorgaben wie Maskenpflichten beibehalten.
Die Chefin der Ärztegewerkschaft Marburger Bund, Susanne Johna rief dazu auf, in Innenräumen weiter Maske zu tragen. „Gerade in Supermärkten und Restaurants sind Masken weiterhin von großer Bedeutung, um Infektionen einzudämmen“, sagte Johna dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND/Samstag).
Anspruch auf PCR-Tests zu sehr eingeschränkt?
Patientenschützer übten am Wochenende scharfe Kritik an den wegfallenden Corona-Maßnahmen. „Masken im ÖPNV und beim Einkaufen müssen bleiben. Auch die anderen Instrumente wie konsequentes Testen werden leichtfertig dort aus der Hand gegeben, wo es die Hochrisikogruppe schützt“, sagte Eugen Brysch, Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, im Interview mit der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ (Samstag). „Das ist fatal und auch ein Versagen der Länder-Chefs.“
Ebenso sei es „unfassbar“, dass selbst Angehörige von vulnerablen Personen bei den extrem hohen Inzidenzen keinen Anspruch auf einen PCR-Test bei einer roten Risikomeldung in der Corona-Warn-App hätten. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) müsse dafür sorgen, dass sich das ändert. „Zumindest für diese Gruppe muss der Rechtsanspruch auf einen PCR-Test sofort zurückkommen“, forderte Brysch.
Auch geplante Quarantäne-Verkürzungen halte er für gefährlich. In Heimen und Krankenhäusern sollen Beschäftigte trotz Infektion arbeiten dürfen, wenn sie keine Krankheitsanzeichen haben, um coronabedingten Personalengpässen zu begegnen. „Infizierte Menschen mit milden Symptomen zum Dienst aufzufordern ist Wahnsinn“, so der Patientenschützer. Seine Sorge: „Dann müssen sich Arbeitnehmer rechtfertigen, wenn sie daheim bleiben.“ (dpa/KNA)