Bericht des Bundesrechnungshofs

Corona-Bonus ist bei vielen Pflegekräften nie angekommen

Das Verfahren der Prämienauszahlung ist „fehler- und missbrauchsanfällig“ gewesen, berichtet der Bundesrechnungshof. Das könnte sich beim diesjährigen Corona-Bonus wiederholen. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach reagiert vergrätzt.

Veröffentlicht: | aktualisiert:
Angeblich haben vor zwei Jahren nur 60 Prozent der Altenpflegekräfte den Corona-Bonus erhalten. Viele Einrichtungen hätten die Auszahlung der Bundesmittel nicht beantragt, heißt es.

Angeblich haben vor zwei Jahren nur 60 Prozent der Altenpflegekräfte den Corona-Bonus erhalten. Viele Einrichtungen hätten die Auszahlung der Bundesmittel nicht beantragt, heißt es.

© Ohde / Bildagentur-online / picture alliance

München. Viele Pflegekräfte haben laut einem Bericht der „Süddeutschen Zeitung“ den 2020 versprochenen, staatlich finanzierten Corona-Bonus offenbar nicht erhalten.

Der Bundesrechnungshof (BRH) habe die Corona-Prämien für Pflegeeinrichtungen geprüft und sei zu der Erkenntnis gekommen, dass das Verfahren zur Auszahlung der Prämien „fehler- und missbrauchsanfällig“ gewesen sei. So steht es in einem aktuellen Prüfbericht des BRH, der dieser Tage an den Bundestag ging und der „Süddeutschen Zeitung“, NDR und WDR vorliegt.

Viele Einrichtungen hätten dem Bericht zufolge „keine Auszahlung der Bundesmittel“ beantragt, schreibt die „Süddeutsche Zeitung“ am Donnerstag. Andererseits hätten manche Firmeninhaber die staatliche Prämie nicht nur für ihre Beschäftigten, sondern „zu Unrecht“ auch für sich selbst geltend gemacht.

Der Bundesrechnungshof befürchte, dass sich die Unregelmäßigkeiten bei der Corona-Prämie in diesem Jahr wiederholten. Die Auszahlungen der Prämie für 2022 an die 1,2 Millionen Beschäftigten sollten nach dem gleichen Muster erfolgen wie beim ersten Corona-Bonus. Dafür stehen eine Milliarde Euro zur Verfügung.

„Absehbarem Missbrauch“ nicht effektiv begegnet

Der BRH zieht laut Zeitung insgesamt ein düsteres Fazit bei Corona-Hilfsmaßnahmen des Staates für Krankenhäuser, für Pflegekräfte und mit den kostenlosen Schnelltests für die Bürgerinnen und Bürger.

„In weiten Teilen wurde und wird absehbarem Missbrauch bei der Mittelverwendung nicht durch Verfahrensregelungen effektiv gegengesteuert.“ Die Kritik trifft Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) ebenso wie seinen Amtsvorgänger Jens Spahn (CDU).

Lauterbach reagierte am Donnerstag in einer Stellungnahme ungehalten: „Pflegekräften Ihren rechtmäßigen Bonus zu verwehren, ist Betrug. Die Pflegekassen müssen deshalb die Abrechnungen schärfer überprüfen. Wer Boni beantragt hat, muss sie auch auszahlen“, forderte der Minister. Es sei nicht nachvollziehbar, wenn Arbeitgeber das Ziel, den Beschäftigten mit dem Bonus Wertschätzung zu vermitteln, „torpedieren, indem sie keinen Antrag auf Zahlung eines Pflegebonus für ihre Beschäftigten stellen oder gar die Boni zu Unrecht selbst einstreichen“ kritisierte Lauterbach.

Der Deutsche Caritasverband teilte auf Anfrage der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) mit, bei Einrichtungen der Caritas seien bislang keine Probleme bekannt geworden. Sie gehe deshalb davon aus, dass alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die Prämien auch erhalten hätten, sagte Pressesprecherin Mathilde Langendorf.

Der Bericht der Kontrollbehörde soll im November im zuständigen Haushalts- beziehungsweise Rechnungsprüfungsausschuss des Bundestags beraten und erst dann veröffentlicht werden.

2020 sollen nur 60 Prozent der Altenpflegekräfte einen Bonus erhalten haben

Dass viele Pflegekräfte den Corona-Bonus gar nicht bekämen, hatte im Frühjahr bereits die Gewerkschaft Verdi kritisiert. Das sei „einfach nur noch schändlich“, empörte sich Vorstandsmitglied Sylvia Bühler.

Es gehe um Beschäftigte, die oft nur den Mindestlohn bekämen und die in der Pandemie „extrem gefordert und gefährdet“ seien. Bühler verwies auf eine Studie einer Steuerberatungsgesellschaft, die Zahlen von mehr als tausend Pflegediensten analysiert hatte.

Das Ergebnis der offenbar nicht repräsentativen Studie war laut Zeitung niederschmetternd. Nur knapp 60 Prozent der Beschäftigten in der Altenpflege hätten 2020 einen Corona-Bonus erhalten. Auch die Höhe der Prämie habe stark geschwankt – zwischen 757 Euro im Schnitt pro Person in Bayern und 1125 Euro in Sachsen-Anhalt.

Für das Versagen von Pflegediensten bei der Auszahlung der Prämie kann es nach Ansicht von Verdi-Vorständin Bühler „keine Entschuldigung geben“. Pflegeheime und Pflegefirmen müssten in der Lage sein, „eine staatlich finanzierte Prämie zu beantragen und an die Beschäftigten weiterzureichen“.

Das Bundesgesundheitsministerium verteidigte am Donnerstag das Verfahren, bei dem der Bonus mit der Auszahlung des Gehalts über den Arbeitgeber verknüpft wird, gegen Kritik des Bundesrechnungshofs. Der BRH hatte ein alternatives Verfahren der Antragstellung für den Bonus durch die Beschäftigten selbst vorgeschlagen. Das BMG hält das für unpraktikabel: Das Verfahren wäre mit deutlich höherer Bürokratie einhergegangen – allein schon deshalb, weil keine Geschäftsbeziehungen zwischen den einzelnen Beschäftigten und den Pflegekassen bestehen. (KNA/eb)

Ihr Newsletter zum Thema
Mehr zum Thema

Krankenkassen und Pflegeversicherung

Sozialkassen behalten mehr bei Gutverdienern ein

Das könnte Sie auch interessieren
Umgang mit Multimorbidität in der Langzeitpflege

© Viacheslav Yakobchuk / AdobeStock (Symbolbild mit Fotomodellen)

Springer Pflege

Umgang mit Multimorbidität in der Langzeitpflege

Anzeige | Pfizer Pharma GmbH
COVID-19 in der Langzeitpflege

© Kzenon / stock.adobe.com

Springer Pflege

COVID-19 in der Langzeitpflege

Anzeige | Pfizer Pharma GmbH
Für Menschen ab 60 Jahren sind die Impfungen gegen Influenza, Corona, Pneumokokken und Herpes zoster (beide nicht im Bild) Standard-Impfungen. Für Menschen ab 75 Jahren kommt die RSV-Impfung hinzu.

© angellodeco / stock.adobe.com

Respiratorisches Synzytial Virus

STIKO: Alle Menschen ab 75 gegen RSV impfen!

Kommentare
Insgesamt lässt sich auf jeden Fall sagen, dass die Kosten an vielen Stellen schneller gestiegen sind als der Orientierungswert.

© Leafart - stock.adobe.com

Praxismanagement

So bekommen Sie steigende Praxiskosten in den Griff

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: apoBank
Abb. 1: Zeitaufwand pro Verabreichung von Natalizumab s.c. bzw. i.v.

© Springer Medizin Verlag GmbH, modifiziert nach [9]

Familienplanung und Impfen bei Multipler Sklerose

Sondersituationen in der MS-Therapie

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Biogen GmbH, München
Bulle und Bär: Wer wird im Anlagejahr 2024 die Oberhand behalten? Zuletzt waren angesichts der Kurssteigerungen die Bullen auf der stärkeren Seite.

© peterschreiber.media / stock.adobe.com

Jahresausblick Geld und Vermögen

Geldanlage: Comeback des klassischen gemischten Portfolios

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: apoBank
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Das war der Tag: Der tägliche Nachrichtenüberblick mit den neuesten Infos aus Gesundheitspolitik, Medizin, Beruf und Praxis-/Klinikalltag.

Eil-Meldungen: Erhalten Sie die wichtigsten Nachrichten direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Kontrolluntersuchung nach Polypektomie

Darmkrebs: Risikofaktoren für ein Intervallkarzinom

Lesetipps
In der neuen GOÄ droht den Technischen Fächern nach aktuellem Stand offensichtlich eine massive Abwertung ihrer Leistungen. Die Radiologen wollen das nicht hinnehmen und fordern Korrekturen ein.

© PRO Balance / stock.adobe.com

Privatliquidation

Entwurf für neue GOÄ: Böses Erwachen bei den Radiologen