Bericht des Bundesrechnungshofs
Corona-Bonus ist bei vielen Pflegekräften nie angekommen
Das Verfahren der Prämienauszahlung ist „fehler- und missbrauchsanfällig“ gewesen, berichtet der Bundesrechnungshof. Das könnte sich beim diesjährigen Corona-Bonus wiederholen. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach reagiert vergrätzt.
Veröffentlicht: | aktualisiert:München. Viele Pflegekräfte haben laut einem Bericht der „Süddeutschen Zeitung“ den 2020 versprochenen, staatlich finanzierten Corona-Bonus offenbar nicht erhalten.
Der Bundesrechnungshof (BRH) habe die Corona-Prämien für Pflegeeinrichtungen geprüft und sei zu der Erkenntnis gekommen, dass das Verfahren zur Auszahlung der Prämien „fehler- und missbrauchsanfällig“ gewesen sei. So steht es in einem aktuellen Prüfbericht des BRH, der dieser Tage an den Bundestag ging und der „Süddeutschen Zeitung“, NDR und WDR vorliegt.
Viele Einrichtungen hätten dem Bericht zufolge „keine Auszahlung der Bundesmittel“ beantragt, schreibt die „Süddeutsche Zeitung“ am Donnerstag. Andererseits hätten manche Firmeninhaber die staatliche Prämie nicht nur für ihre Beschäftigten, sondern „zu Unrecht“ auch für sich selbst geltend gemacht.
Der Bundesrechnungshof befürchte, dass sich die Unregelmäßigkeiten bei der Corona-Prämie in diesem Jahr wiederholten. Die Auszahlungen der Prämie für 2022 an die 1,2 Millionen Beschäftigten sollten nach dem gleichen Muster erfolgen wie beim ersten Corona-Bonus. Dafür stehen eine Milliarde Euro zur Verfügung.
„Absehbarem Missbrauch“ nicht effektiv begegnet
Der BRH zieht laut Zeitung insgesamt ein düsteres Fazit bei Corona-Hilfsmaßnahmen des Staates für Krankenhäuser, für Pflegekräfte und mit den kostenlosen Schnelltests für die Bürgerinnen und Bürger.
„In weiten Teilen wurde und wird absehbarem Missbrauch bei der Mittelverwendung nicht durch Verfahrensregelungen effektiv gegengesteuert.“ Die Kritik trifft Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) ebenso wie seinen Amtsvorgänger Jens Spahn (CDU).
Lauterbach reagierte am Donnerstag in einer Stellungnahme ungehalten: „Pflegekräften Ihren rechtmäßigen Bonus zu verwehren, ist Betrug. Die Pflegekassen müssen deshalb die Abrechnungen schärfer überprüfen. Wer Boni beantragt hat, muss sie auch auszahlen“, forderte der Minister. Es sei nicht nachvollziehbar, wenn Arbeitgeber das Ziel, den Beschäftigten mit dem Bonus Wertschätzung zu vermitteln, „torpedieren, indem sie keinen Antrag auf Zahlung eines Pflegebonus für ihre Beschäftigten stellen oder gar die Boni zu Unrecht selbst einstreichen“ kritisierte Lauterbach.
Der Deutsche Caritasverband teilte auf Anfrage der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) mit, bei Einrichtungen der Caritas seien bislang keine Probleme bekannt geworden. Sie gehe deshalb davon aus, dass alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die Prämien auch erhalten hätten, sagte Pressesprecherin Mathilde Langendorf.
Der Bericht der Kontrollbehörde soll im November im zuständigen Haushalts- beziehungsweise Rechnungsprüfungsausschuss des Bundestags beraten und erst dann veröffentlicht werden.
2020 sollen nur 60 Prozent der Altenpflegekräfte einen Bonus erhalten haben
Dass viele Pflegekräfte den Corona-Bonus gar nicht bekämen, hatte im Frühjahr bereits die Gewerkschaft Verdi kritisiert. Das sei „einfach nur noch schändlich“, empörte sich Vorstandsmitglied Sylvia Bühler.
Es gehe um Beschäftigte, die oft nur den Mindestlohn bekämen und die in der Pandemie „extrem gefordert und gefährdet“ seien. Bühler verwies auf eine Studie einer Steuerberatungsgesellschaft, die Zahlen von mehr als tausend Pflegediensten analysiert hatte.
Das Ergebnis der offenbar nicht repräsentativen Studie war laut Zeitung niederschmetternd. Nur knapp 60 Prozent der Beschäftigten in der Altenpflege hätten 2020 einen Corona-Bonus erhalten. Auch die Höhe der Prämie habe stark geschwankt – zwischen 757 Euro im Schnitt pro Person in Bayern und 1125 Euro in Sachsen-Anhalt.
Für das Versagen von Pflegediensten bei der Auszahlung der Prämie kann es nach Ansicht von Verdi-Vorständin Bühler „keine Entschuldigung geben“. Pflegeheime und Pflegefirmen müssten in der Lage sein, „eine staatlich finanzierte Prämie zu beantragen und an die Beschäftigten weiterzureichen“.
Das Bundesgesundheitsministerium verteidigte am Donnerstag das Verfahren, bei dem der Bonus mit der Auszahlung des Gehalts über den Arbeitgeber verknüpft wird, gegen Kritik des Bundesrechnungshofs. Der BRH hatte ein alternatives Verfahren der Antragstellung für den Bonus durch die Beschäftigten selbst vorgeschlagen. Das BMG hält das für unpraktikabel: Das Verfahren wäre mit deutlich höherer Bürokratie einhergegangen – allein schon deshalb, weil keine Geschäftsbeziehungen zwischen den einzelnen Beschäftigten und den Pflegekassen bestehen. (KNA/eb)