Neues Positionspapier

Corona-Impfung: Alte Menschen und Gesundheitspersonal zuerst

STIKO, Ethikrat und Leopoldina skizzieren, wer bevorzugt gegen das Coronavirus geimpft werden sollte. Akzeptanz und Transparenz bei der Priorisierung seien zentral.

Florian StaeckVon Florian Staeck Veröffentlicht:
Stellten das Positionspapier gemeinsam vor: die Professoren Gerald Haug (Präsident der Leopoldina), Alena Buyx (Deutscher Ethikrat) und Thomas Mertens (STIKO, v.l.n.r.).

Stellten das Positionspapier zur Corona-Impfung gemeinsam vor: die Professoren Gerald Haug (Präsident der Leopoldina), Alena Buyx (Deutscher Ethikrat) und Thomas Mertens (STIKO, v.l.n.r.).

© Kay Nietfeld/dpa

Berlin. Ein Impfstoff gegen das Coronavirus soll vor allem nach dem Kriterium der „Dringlichkeit des vorbeugenden Gesundheitsschutzes“ verimpft werden. Das geht aus einem gemeinsamen Positionspapier der Ständigen Impfkommission, des Deutschen Ethikrates und der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina hervor.

„Entscheidend ist eine signifikant erhöhte Wahrscheinlichkeit, im Fall einer Erkrankung intensivmedizinische Hilfe zu benötigen, schwerwiegende bleibende Schäden zu erleiden oder zu versterben“, heißt es in dem am Montag vorgestellten Papier.

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Allerdings dürfe eine Priorisierung nicht allein nur aufgrund medizinisch-epidemiologischer Erkenntnisse vorgenommen werden. Geboten sei ebenfalls eine Priorisierung aus ethischen wie verfassungsrechtlichen Gründen. Nötig sei insofern eine gesetzliche Absicherung dieses Vorgehens, sagte die Vorsitzende des Ethikrats, Professor Alena Buyx.

Leitbild ist die aufgeklärte, freiwillige Zustimmung

Leitend für die geplante Impfkampagne müsse die aufgeklärte, freiwillige Zustimmung der impfwilligen Bürger sein. Auszuschließen sei daher eine undifferenzierte, allgemeine Impfpflicht. Eine Pflicht lasse sich allenfalls für eine „präzise definierte Gruppe“ rechtfertigen, wobei dann „schwerwiegende Gründe“ vorliegen müssten, heißt es.

Normalerweise werde eine Dringlichkeit individuell festgestellt. In der aktuellen Pandemie-Situation werde man aber pauschalisieren müssen, erläuterte Buyx. Ethisch und rechtlich zulässige Priorisierungsentscheidungen müssten auf der aktuellen und kontinuierlich aktualisierten medizinisch-naturwissenschaftlichen Faktenlage basieren und zudem verfassungskonform sein, heißt es im Papier.

Drei Gruppen im Fokus der Impfung

  • Alter und Vorerkrankungen: Das Lebensalter stellt den stärksten und zudem einfach feststellbaren Risikofaktor dar. Von daher fallen Personen, die aufgrund ihres Alters oder eines vorbelasteten Gesundheitszustandes ein erhöhtes Risiko für einen schweren oder tödlichen Krankheitsverlauf haben, in die erste Priorisierungsgruppe. Dies gelte insbesondere im Falle einer höheren Kontaktdichte wie etwa in Pflegeheimen.
  • Mitarbeiter im Gesundheitswesen und in der Altenpflege: Diese hätten ein berufsbedingt erhöhtes Risiko für eine Infektion.
  • Personen mit besonders wichtigen Funktionen für das Gemeinwesen: Gemeint sind damit Menschen, die für die Aufrechterhaltung zentraler Funktionen eine Schlüsselstellung besitzen. Erwähnt werden beispielhaft Mitarbeiter in Gesundheitsämtern, der Polizei und der Sicherheitsbehörden, Feuerwehr oder Lehrer und Erzieher.

Die feinere Verteilung und Hierarchisierung von Gruppen, die bevorzugt eine Impfung erhalten können, wird die STIKO bis Ende des Jahres auf Basis statistischer Analysen vorlegen, kündigte der STIKO-Vorsitzende Professor Thomas Mertens an. Dies gelte insbesondere bei der dritten Gruppe. Dabei werde auf evidenzbasierter Basis transparent gemacht, „warum welche Gruppe welchem Priorisierungsgrad zugeordnet wird“, heißt es in dem Papier.

Teilnahmequote von 70 Prozent nötig

Der Präsident der Leopoldina, Professor Gerald Haug, verwies darauf, dass rund 70 Prozent der Menschen in Deutschland sich an einer Impfung beteiligen müssen, damit ein entsprechender Herdenschutz gewährleistet ist. Nach seiner Darstellung sind aktuell bisher 50 bis 60 Prozent der Menschen bereit, sich impfen zu lassen. Vor diesem Hintergrund sei es zentral, Impfbedenken „respektvoll erklärend“ zu begegnen.

Der Impfstoff werde zunächst nicht für einzelne Gruppen zugelassen, zum Beispiel für Schwangere oder für Kinder, sagte der STIKO-Vorsitzende Mertens. Dafür werde es weiterer klinischer Studien bedürfen.

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Wichtig ist aus seiner Sicht ein System der Pharmakovigilanz, um unerwünschte Ereignisse in Zusammenhang mit der Impfung zeitnah zu erkennen. Die drei Organisationen regen daher eine „zentrale Datenbank“ an, in der zeitnah die Daten der Geimpften und des verwendeten Impfstoffs erfasst werden. Dies sei auch für die Erfassung der Wirksamkeit der verschiedenen Impfstoffe nötig.

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) bezeichnete am Montag das Papier der Wissenschaftler als „gute erste Grundlage“, das nun schrittweise bis hin zur politischen Entscheidung fortentwickelt werden müsse. Die Frage, wer zuerst geimpft werden soll, sei in der konkreten politischen Praxis schwierig. Wichtig sei es nun, die Kriterien „nicht nur zu formulieren, sondern sie auch anzuwenden“.

Er wünsche sich, dass die Debatte darüber, wer Vorrang bei der Impfung haben soll, nicht nur in Politik und Parlament, sondern überall in der Gesellschaft geführt wird, sagte Spahn.

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