Umfrage unter Psychiatern
Immer mehr Deutsche greifen zu Drogen und Alkohol
Der Konsum von Alkohol ist in den vergangenen drei Jahren in Deutschland deutlich gestiegen. Das hat eine Studie der Pronova BKK unter 150 Psychiatern und Psychotherapeuten ergeben.
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Zuflucht in Rauschmitteln: Immer mehr Deutsche haben in den Krisenjahren zu Alkohol und Drogen gegriffen.
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Leverkusen. Corona, Krieg und andere Krisen haben laut einer am Dienstag veröffentlichten Studie der Pronova BKK unter 150 Psychiatern und Psychotherapeuten zu einem deutlichen Anstieg beim Drogen und Alkoholkonsum geführt. 71 Prozent der Teilnehmer, die im Januar und Februar befragt wurden, sagen, dass immer mehr Patienten aufgrund der Krisen immer häufiger zu Rauschmitteln griffen.
Rund die Hälfte (51 Prozent) der Psychiater und Psychotherapeuten berichten, dass sie bei ihren Patienten bereits 2022 einen erhöhten Alkoholkonsum festgestellt haben - 2020 waren es 29 Prozent, 2021 schon 43 Prozent.
Vor allem neue Patientinnen und Patienten würden mit durch von Corona und nachfolgenden Krisen ausgelöstem erhöhtem Alkoholkonsum behandelt, heißt es in der Mitteilung. 70 Prozent der Psychiater in Kliniken behandeln im multiplen Krisenjahr 2022 verstärkt Menschen mit psychischen Störungen im Zusammenhang mit Alkohol - 2020 waren es dort nur 46 Prozent.
Verbrauch von Stimmungsaufhellern steigt
„Dauerkrisen und die existenziellen Sorgen durch gestiegene Lebenshaltungskosten haben zu einer Zunahme an psychischen Beschwerden geführt. Manche betäuben diese mit Alkohol", sagt Dr. Sabine Köhler, Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie.
Zugenommen habe über die vergangenen drei Krisenjahre auch der Konsum von stimmungsaufhellenden Medikamenten oder Schmerzmitteln. 42 Prozent der Studienteilnehmer diagnostizierten 2022 diese Probleme mit Medikamenten - ein deutlicher Anstieg im Vergleich zum Vorjahr (30 Prozent) und 2020 (14 Prozent).
Unter den Patienten, die erst nach Ausbruch der Corona-Pandemie zu ihnen gekommen sind, haben 52 Prozent der Befragten Drogenprobleme und 51 Prozent Medikamentenprobleme diagnostiziert.
Insgesamt hätten die Deutschen in den vergangenen drei Jahren häufiger zu sogenannten „psychotroper Substanzen" gegriffen und in der Folge Verhaltensstörungen entwickelt. Zu diesen Substanzen gehöre zum Beispiel Alkohol, den 55 Prozent der Befragten als Ursache für psychische Störungen bei ihren Patienten sehen, 2020 waren es 39 Prozent.
Störungen durch Drogen wie Cannabinoide oder Kokain diagnostizieren 41 Prozent, 2020 waren es 24 Prozent. Bei Medikamenten stiegen die Auffälligkeiten von 17 Prozent in 2020 auf 40 Prozent 2022.
Niedergelassene verschreiben mehr Medikamente
Es wurde auch mehr geraucht: Auffälliger Nikotin-Konsum nahm von 23 Prozent (2020) auf 35 Prozent (2022) zu. Im vergangenen Jahr haben laut Studie auch viele Patienten gleich zu mehreren Substanzen gegriffen. Hier wurde ein Anstieg von 14 auf 32 Prozent registriert.
Auch in den Praxen und Kliniken wurden 2022 häufiger als vor der Corona-Krise Medikamente verschrieben, das gaben 55 Prozent der Befragten an und damit sieben Prozentpunkte mehr als im Vorjahr.
2021 war die Verschreibungshäufigkeit gegenüber 2020 bereits um 21 Prozentpunkte gestiegen. Vor allem niedergelassene Psychiater (64 Prozent) hätten 2022 Medikamente empfohlen. (eb)