COVID-19-Impfungen

Corona-Selbstversuch: So läuft das Impfen in Großbritanniens Hausarztpraxen ab

Samstag Abend 19 Uhr in der Hausarztpraxis: Unser Korrespondent Arndt Striegler freut sich über seine COVID-19-Impfung und lobt die tolle Organisation in Großbritannien.

Von Arndt Striegler Veröffentlicht:
Arndt Striegler (r.) glücklich nach der COVID-Impfung mit Hausarzt Dr. Jasper Mordhorst. In Großbritannien gibt es nach der Impfung einen Aufkleber.

Arndt Striegler (r.) glücklich nach der COVID-Impfung mit Hausarzt Dr. Jasper Mordhorst. In Großbritannien gibt es nach der Impfung einen Aufkleber.

© A. Striegler

London. Ich kenne meine Hausarztpraxis im Süd-Londoner Stadtteil Vauxhall seit mehr als 25 Jahren. Zwei- oder dreimal im Jahr besuche ich sie, kenne viele Praxishelferinnen persönlich und natürlich kenne ich meinen Hausarzt.

Doch als ich an diesem Sonnabend gegen 19 Uhr in die Praxis komme, ist nichts so, wie ich es aus den vergangenen Jahren und Jahrzehnten gewohnt bin: Normalerweise ist die Praxis nicht sonnabends geöffnet. Normalerweise gehe ich direkt in den Empfangsraum, teile der Praxishelferin meinen Namen und mein Geburtsdatum mit und setze mich dann ins meist überfüllte Wartezimmer. Doch an diesem Sonnabend ist nichts „normal“.

Warten an der frischen Luft

Vor dem Eingang steht eine mir unbekannte Praxishelferin mit Mundschutz, die mich nach dem Grund meines Besuchs fragt. „Ich habe um 19.30h einen Impftermin.“ Die Helferin schaut auf ihren Terminzettel, nickt kurz und bittet mich, noch einige Minuten draußen auf der Straße zu warten. „Wir wollen größere Menschenansammlungen in der Praxis wegen COVID vermeiden“, so die Erklärung für die höchst ungewöhnliche Prozedur.

Seit Februar schon werden in Großbritannien Patienten in Hausarztpraxen wie der meinen gegen COVID-19 geimpft. Die Einladungen dazu kommen stets über SMS, die einen Download-Link enthalten. Meine SMS kam drei Tage vor diesem Praxisbesuch. Schnell und unkompliziert konnte der Termin gebucht werden. Per SMS kam die Bestätigung meines Termins zurück: „Appt. reminder: Mar 06 at 7.29 pm with Dr. XY at Mawbey Group Practice“. Erlösende Worte nach langen Monaten bangen Wartens und Hoffens.

Auch mit Priorisierung schneller

Genau wie in Deutschland, so gibt es auch in Großbritannien und dem staatlichen britischen Gesundheitsdienst (National Health Service, NHS) eine strikte Impfreihenfolge. Zunächst die über 80-Jährigen und Gesundheitspersonal, dann Risiko-Patienten mit Vorerkrankungen und die über 70-Jährigen. Inzwischen werden die über 60-Jährigen geimpft und ohne die Hausarztpraxen wäre es nicht gelungen, bis heute mehr als 25 Millionen Patienten zu impfen. Der NHS – oft gescholten für seine Bürokratie – liefert gerade sein glänzendes Meisterwerk ab und viele Staaten blicken neidisch über den Ärmelkanal.

In den ersten Monaten der Pandemie im März und April 2020 litten einige Länder deutlich mehr als andere, weil deren Gesundheitssysteme in der Regel schon vor Pandemiebeginn überlastet beziehungsweise unterentwickelt und unterfinanziert waren. Großbritannien gehörte damals auch dazu.

Doch jetzt, ein Jahr nach Beginn der Pandemie, wendet sich das Blatt im Königreich deutlich schneller zum besseren als in Deutschland und in anderen EU-Ländern. Impfstoffe wurden von der britischen Arzneimittelbehörde Medicines Agency (MA) schneller zugelassen als von der Europäischen Arzneimittelbehörde (EMA).

Einige Patienten haben Freudentränen in den Augen.

Dr. Jasper Mordhorst, Allgemeinarzt aus London zu seinen Erfahrungen mit Corona-Impfungen in seiner Praxis.

Bereits Anfang Dezember vergangenen Jahres wurden im Königreich die ersten Patienten geimpft. Die COVID-19-Massenimpfungen sind das größte und ambitioniertes Impfprogramm in der britischen Geschichte. „Es funktioniert gut“ – mein Hausarzt strahlt, als er mich bittet, Platz zu nehmen und meinen rechten Oberarm frei zu machen.

Eine Auswahl des Impfstoffs gibt es nicht. „Sie werden mit dem Impfstoff von AstraZeneca geimpft. Sind sie damit einverstanden“, fragt der Arzt. „Ja, danke. Das ist prima.“

Praxis bis 22 Uhr geöffnet

Seitdem in der Praxis gegen COVID-19 geimpft wird, wurden die Öffnungszeiten auf abends bis 22 Uhr und Wochenenden verlängert. Und zusätzliches Impfpersonal wurde eingestellt, denn der reguläre Praxisbetrieb muss nebenher weiter laufen.

Klingt anstrengend und ich frage nach. „Ja, das ist sowohl logistisch als auch personell eine riesige Herausforderung für eine relativ kleine Allgemeinarztpraxis“, berichtet mein Hausarzt. „Doch wir haben schnell dazu gelernt und die Herausforderung angenommen. Das Schönste ist, wie glücklich die Patienten sind und wie erleichtert, wenn sie ihre erste Dosis hier bekommen haben. Das ist eine wahre Freude zu sehen. Einige Patienten haben Freudentränen in den Augen.“

Von Partystimmung ist man dennoch weit entfernt. „Es gibt noch sehr viel zu tun und nach einem 14-stündigen Arbeitstag ist man nur noch froh, wenn Feierabend ist und man nach Hause gehen kann.“

Knallen im Juni die Sektkorken?

Doch schenkt man Premierminister Boris Johnson und Gesundheitsminister Matt Hancock Glauben, so könnte der COVID-19-Spuk in Großbritannien „Ende Juni vorbei“ sein.

Die Londoner Regierung stellte kürzlich jedenfalls in Aussicht, dass bis zur zweiten Junihälfte genug Patienten geimpft sein werden, um „alle“ Lockdown-Maßnahmen landesweit aufzuheben. Dann könnten in der Tat auch in meiner Hausarztpraxis in London-Vauxhall die Sektkorken knallen.

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Kommentare
Dr. Thomas Georg Schätzler 29.03.202108:45 Uhr

OMG! WIE PEINLICH FÜR DEUTSCHLAND?

"Dem Trübsinn ein Ende
Wir werden in Grund und Boden gelacht
Kinder an die Macht..." (H. Grönemeyer)

Die ganze Welt lacht sich krank über Deutschland - Die BREXIT-Briten vergeben per SMS Smartphone-Impftermine und bestätigen sie auch noch per SMS für die Hausarztpraxen. Das Ganze geht schon seit Dezember letzten Jahres so.

Wenn der Impfling kommt: „Sie werden mit dem Impfstoff von AstraZeneca geimpft. Sind sie damit einverstanden“, fragt der Arzt. „Ja, danke. Das ist prima.“

Fertig ist die Laube: "informed consent" kann so einfach sein. Juristisch auf Deutsch hieße das "konkludentes Verhalten" und "es gilt das gesprochene Wort".

In Deutschland wären allein für die beiden SMS das 2-malige Durchlesen und gegenseitige Unterschreiben/Dokumentieren/Archivieren in der Arztpraxis nach der Datenschutzgrundverordnung (DSGV) zwingend erforderlich. Die Durchführung der Impfung selbst hätte einen weiteren Rattenschwanz von schriftlich dokumentierten Aufklärungformularen, Einverständnis-Erklärungen und Erläuterungen der besonderen Umstände der Impfstoff-Auswahl nebst Ausschlus möglicher Interessenkonflikte seitens des Impfarztes zur Folge.

Die Impfdokumentation müsste in D auch noch per Smartphone vom Impfausweis abfotografiert werden, weil weder der Europäische Impfpass (EIP) fertig entwickelt, noch eine funktionierende elektronische Patientenakte (ePA) verfügbar oder ein Eintrag im Stammdatenbereich der elektronischen Versichertenkarte (eVK) möglich sind.

"Denk' ich an Deutschland in der Nacht, bin ich um den Schlaf gebracht!"

Mf+kG, Ihr Dr. med. Thomas G. Schätzler, FAfAM Dortmund

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