Live-Talk der Ärztekammer Niedersachsen

Corona und Grippe: „Personalausfälle sind ein gigantisches Problem!“

Marburger Bund berichtet von Personalausfällen von bis zu einem Drittel der Belegschaft. Rettungsdienste müssen auf der Suche nach freien Betten immer weiter fahren. Die Hausarztpraxen sind voll.

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Hektik auf den Krankenhausfluren. Personalausfälle in den Kliniken sorgen für Arbeitsverdichtung bei Ärzten und Pflegepersonal.

Hektik auf den Krankenhausfluren. Personalausfälle in den Kliniken sorgen für Arbeitsverdichtung bei Ärzten und Pflegepersonal.

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Hannover. Mit dem Feuerlöscher gegen den Großbrand – so schilderte Andreas Hammerschmidt, zweiter Vorsitzender des Marburger Bundes Niedersachsen und Delegierter der Ärztekammerversammlung Niedersachsen, die Arbeitssituation der Ärztinnen und Ärzte in den Krankenhäusern des Landes. Manche Kliniken hätten mit einem Personalausfall von bis zu einem Drittel des Personals zu kämpfen.

„Diese Häuser müssen Betten sperren, Operationssäle schließen oder OPs verschieben“, sagte Hammerschmidt beim Live-Talk der Ärztekammer Niedersachsen (ÄKN) in Hannover. „Wir haben ein gigantisches Problem, dass wir hohe Personalausfälle haben. (…) Aber aufgrund eines Ärztemangels könnten keine Betten abgemeldet werden, da es eine Personaluntergrenzen-Verordnung wie im Pflegebereich nicht gäbe. „Da ist ein Arzt oder Ärztin dann plötzlich mal für zwölf bis 14 Intensivbetten zuständig, was der Versorgungsqualität natürlich nicht sehr dienlich ist“, so Hammerschmidt.

Ärztemangel gefährdet Patienten

Zum Teil müsste der Rettungsdienst sehr weit fahren, bis er ein Krankenhaus mit einem freien Bett für den Patienten finde. Letztlich gefährde der Ärztemangel die Patienten, erklärte Hammerschmidt. Die heraufziehende Coronawelle verschärfe das Problem. Denn was den Aufwand mit den Versorgungsaufwand angehe, mache es keinen Unterschied, ob die Patientinnen und Patienten wegen oder mit Corona in die Klinik kommen.

Die Vizepräsidentin der ÄKN, Hausärztin Marion Renneberg forderte im Live-Talk vom Land denn auch größere Anstrengungen, die Zahl der Medizinstudienplätze in Niedersachsen aufzustocken. „Es gibt aktuell zu wenig Ärzte“, sagten Hammerschmidt und Renneberg.

Bürokratie „killt“ die Motivation

Renneberg, die als Fachärztin für Allgemeinmedizin eine eigene Praxis führt, zeigte sich zudem besorgt über die „überbordende Bürokratie“, die ein regelrechter Motivationskiller für viele Ärztinnen und Ärzte sei und kritisierte die extreme Belastung niedergelassener Ärztinnen und Ärzte in der derzeitigen Infektionslage. Es diene nicht der Qualitätsverbesserung der ärztlichen Arbeit, wenn sie 40 Prozent ihrer Arbeitszeit in die Praxisbürokratie stecken müsse, sagte Renneberg.

Auch in den Praxen sei der Arbeitsalltag von Zeitknappheit geprägt. „Derzeit sind die Hausarztpraxen voll – das liegt nicht nur an Corona sondern auch an grippalen Infekten, die den Behandlungsalltag belasten. (…) Es gab in den vergangenen zweieinhalb Jahren noch nie so viele Infekt-Patientinnen und -Patienten wie aktuell.“ Renneberg und Hammerschmidt erwarten weiter einen deutlichen Anstieg der Grippe-Patienten.

Lauterbachs Spargesetz belastet Versorgung

Die geplante Streichung der Neupatienten-Regelung verschlimmere die Situation noch zusätzlich, so Renneberg. „Wenn diese wegfällt, fehlt uns die Zeit, um neue Patientinnen und Patienten gut versorgen zu können.“ Finanzielle Förderungen, die die alte Regelung ersetzen sollen, bewertete Renneberg als zu kompliziert: „Wie sollen wir denn nachweisen, dass ein Patient oder eine Patientin innerhalb von 24 Stunden oder innerhalb von vier Tagen eine fachärztliche Behandlung bekommt? Für mich ist das derzeit nicht vorstellbar“, betonte Renneberg.

Auch Kollege Hammerschmidt pflichtete bei und kritisierte das Vorgehen: „Wird die Regelung fallen, verlängere dies die Wartezeit für Termine bei Fachärztinnen und Fachärzten. Und das wird sich dann in der Versorgung ausdrücken“, sagte der MB-Vize.

Schließlich kritisierten die beiden Talk-Gäste, dass auch Apotheker gegen Grippe impfen dürfen. „Impfen ist nicht nur „Spritze rein, fröhlich sein“, sagte Hammerschmidt. Auch Renneberg kritisierte, dass hier eine ärztliche Kernaufgabe ausgelagert werde. (cben)

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