Pädiater-Tagung
Cybermobbing: Prävention ist möglich, aber aufwändig
Anti-Cybermobbing-Programme bei Kindern und Jugendlichen sollten direkt in der Schule ansetzen. Wirksame Konzepte gibt es, hieß es bei der Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Sozialpädiatrie und Jugendmedizin.
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Cybermobbing kann präventiv am besten im Schulsystem begegnet werden, weil die Attacken zumeist in festen Gruppen aus einem bekannten Umfeld erfolgen.
© Alessandra Schellnegger / SZ Photo / picture alliance
Düsseldorf. Schon einzelne Cybermobbing-Attacken können für betroffene junge Menschen gravierende gesundheitliche Folgen nach sich ziehen. Cybermobbing kann jedoch präventiv erfolgreich begegnet werden. Die Programme sind aber aufwändig und anspruchsvoll.
Auf diese Zusammenhänge hat Herbert Scheithauer, Professor für Entwicklungspsychologie an der Freien Universität Berlin, bei der Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Sozialpädiatrie und Jugendmedizin (DGSPJ) in Düsseldorf aufmerksam gemacht. Bei Cybermobbing handelt es sich um aggressives Verhalten einer Person vor allem gegenüber Freunden mit einer Schädigungsabsicht – häufig mit besonderem Schweregrad und damit auch spürbaren Folgen.
Diese reichen von Schulphobie über Substanzkonsum und selbstverletzendem Verhalten bis hin zu Posttraumatischen Belastungsstörungen (PTBS). Viele dieser Auswirkungen seien so gravierend, dass sie behandelt werden müssten und somit häufig auch im Medizinsystem landeten, so Scheithauer.
Präventiv könne Cybermobbing am besten im Schulsystem begegnet werden, weil die Attacken zumeist in festen Gruppen aus einem bekannten Umfeld erfolgen. Wenn Anti-Cybermobbing-Programme in einem gesamtschulischen Umfeld ansetzen, könnte die Zahl der Täter um 10 bis 15 Prozent und die Zahl der Opfer um 14 Prozent reduziert werden, berichtete Scheithauer.
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Evaluationsstudie belegt Wirksamkeit
Das sind Ergebnisse eines vollständig in den Schulalltag integrierten Curriculums der Initiative Medienhelden, das in den 7. bis 10. Klassen durch fortgebildete Lehrer oder Schulsozialkräfte umgesetzt wurde. Das Curriculum umfasste zehn Wochen, wobei 90 Minuten pro Woche plus vier Projekttage angesetzt wurden.
Ziel war es, die Risiken von Cybermobbing aufzuzeigen, Rollenspiele einzuüben und Peer to Peer-Training zu etablieren. Mit diesem aufeinander aufbauenden Programm, das durch Elternabende als Aufbaumodul ergänzt wurde, sollten die Schutzfähigkeiten und Fertigkeiten der Mobbingopfer gestärkt werden.
Und das offenbar mit Erfolg. So hat laut Scheithauer eine Evaluationsstudie mit 897 Schülern zu der Erkenntnis geführt, dass mit dem Programm nach neun Monaten beim allgemeinen Wohlbefinden und den sozialen Fertigkeiten signifikant „gute Effekte“ erzielt werden konnten.
In einer Kontrollgruppe hingegen, in der keinerlei Maßnahmen ergriffen wurden, habe sich in dieser Zeit das Selbstwertgefühl und der subjektive Gesundheitszustand der Teilnehmer sogar noch verschlechtert.
Diese Ergebnisse haben dazu geführt, dass das Präventions-Programm in die Grüne Liste Prävention mit der höchsten Evidenzkategorie (Stufe 3: „Effektivität nachgewiesen“) aufgenommen worden ist. (ras)